Christoph MatschieSPD - Friedensprozess zwischen Äthiopien und Eritrea
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer auf der Besuchertribüne! Oft reden wir hier im Bundestag über Kriseneinsätze in Afrika. Mit der heutigen Debatte können wir eine äußerst positive Entwicklung in Afrika ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Ich finde, das ist ein guter Tag.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir reden in diesem Zusammenhang nicht nur über den Friedensprozess mit Eritrea, den der äthiopische Regierungschef angestoßen hat, sondern wir reden auch über einen enormen Aufbruch innerhalb der äthiopischen Gesellschaft, über das Öffnen von verschlossenen Türen, das Zugehen auf die Opposition, über einen Prozess, der enorme Hoffnungen in Äthiopien geweckt hat. Ich finde es gut, dass die Bundesregierung heute hier nicht nur vertreten ist, sondern der Bundesaußenminister auch deutlich gemacht hat, dass die Bundesregierung diesen Prozess unterstützen will. Ich finde es gut, dass die Kollegin Flachsbarth für das BMZ deutlich gemacht hat, was die Bundesregierung in diesem Zusammenhang tut.
(Beifall bei der SPD)
Ich will aber auch ganz deutlich sagen: Ich erwarte noch weitere Schritte. Wir dürfen nicht bei dem stehen bleiben, was wir bisher tun. Eine solche Entwicklung, wie sie dort im Gang ist, kann man beobachten, man kann business as usual machen. Aber Geschichte, deren Ausgang offen ist, hängt immer auch vom eigenen Tun ab; deshalb möchte ich, dass die Bundesregierung hier noch stärker als bisher tätig wird und diesen politischen Prozess und wirtschaftlichen Aufbruch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt.
(Beifall bei der SPD)
Eins ist ganz klar: Ein solcher Reformprozess ist kein Selbstläufer.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Bis jetzt ist er von selbst gelaufen!)
Er braucht politische und wirtschaftliche Unterstützung.
Ich bin selbst Ende August in Äthiopien unterwegs gewesen. Man kann die Hoffnung der Menschen mit Händen greifen. Man kann aber auch die Erwartung spüren, die in diesem Prozess steckt, die Erwartung auf Erfolge dieses politischen Prozesses, die Hoffnung auf wirtschaftliche Verbesserungen im Land. Und wenn diese Erwartung enttäuscht wird, wenn der Prozess nicht schnell genug vorankommt, kann es auch leicht wieder zu Rückschlägen kommen. Und wir dürfen auch nicht übersehen, dass dieser politische Aufbruch eine Kehrseite hat, dass es auch Anarchie im Land gibt, dass es Gewalt gibt, dass es ethnische Auseinandersetzungen gibt – all das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir diesen Prozess mit allen Kräften unterstützen.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege Lechte, Sie wissen auch, dass Deutschland einerseits zu den größten Gebern in der internationalen Flüchtlingshilfe gehört und dass wir zum anderen auch in den Haushaltsberatungen über weitere Schritte diskutieren. Ich finde Ihre Forderung richtig, dass sich Deutschland hier mehr engagieren soll; aber das Bild, Deutschland hätte bisher zu wenig getan, ist, glaube ich, nicht richtig. Das Gegenteil ist der Fall: Die Bundesrepublik ist hier Vorbild in der Flüchtlingshilfe.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Mit Blick auf Eritrea will ich Ihnen recht geben, Herr Kollege Schmidt: Man darf die Situation dort nicht verharmlosen; das tut, glaube ich, auch niemand. Wir alle sehen, dass das Regime in Eritrea nach wie vor keine Veränderung im Land zugelassen hat; auch deshalb bedarf es dort neuer Gespräche. Es ist ein gewisser Aufbruch da, es gibt den Friedensschluss mit Äthiopien. Es gibt eine Annäherung.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der FDP-Fraktion?
Ja, aber gern.
Lieber Kollege Matschie, wenn Sie mich schon direkt ansprechen: Sie wissen hoffentlich und können mir vielleicht bestätigen, dass in dem jetzigen Haushaltsansatz für den UNHCR gerade mal 260 Millionen Euro eingestellt worden sind, wir aber im vergangenen Jahr 477 Millionen Euro an diese Einrichtung der UN – die für mich eine der Schlüsseleinrichtungen im UN-System ist, auch im Bereich der humanitären Hilfe – gezahlt haben. Wenn die USA sich zurückziehen, ist es dringend notwendig, dass Deutschland den Beitrag erhöht und nicht mindert. Gleichzeitig verkündet unser Außenminister in New York, wir hätten den Ansatz nach oben gefahren. Dabei planen wir einfach mal 217 Millionen Euro weniger ein als im vergangenen Jahr. Das sind reale Fakten und Zahlen.
Herr Kollege Lechte, ich kann Ihnen bei den Zahlen durchaus recht geben; aber Sie wissen auch, dass wir noch in Verhandlungen über den Haushalt sind. Der Haushalt ist noch längst nicht entschieden, und genau über diesen Punkt wird im Moment intensiv verhandelt. Ich bin sicher, dass es uns gelingt, am Ende noch mehr Mittel auch für die humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Na! Dann schauen wir mal! – Ulrich Lechte [FDP]: Das wäre sehr erfreulich!)
Zurück zur Situation in Eritrea: Ich glaube, es bedarf intensiver Gespräche. Auch dort muss ein Reformprozess vorangebracht werden. Dass es außenpolitisch erste Schritte gibt, zeigt nicht nur der Friedensschluss mit Äthiopien, sondern eben auch das Zugehen auf Somalia. Ich hoffe, dass diesen außenpolitischen Bewegungen, die wir dort sehen, der Dynamik, die dadurch entsteht, auch innenpolitische Reformen folgen werden.
Ich finde, was wir in Äthiopien erleben, ist eine äußerst mutige Politik, die der Regierungschef dort vorantreibt. In einem Land mit über 100 Millionen Einwohnern und 80 verschiedenen Völkern einen solchen Reformprozess auf den Weg zu bringen, ist eine Mammutaufgabe. Und es ist eine Aufgabe, die einen langen Atem braucht. Wer Reformprozesse kennt – wir als Politiker können nachvollziehen: es entstehen Widerstände und enttäuschte Hoffnungen auf dem Weg –, weiß, dass dieser Prozess sehr, sehr viel Mut, Energie und Kraft und Ausdauer braucht.
Ich wünsche mir, dass die Bundesrepublik Deutschland diesen Prozess nach allen Kräften mit den Möglichkeiten, die sie hat, unterstützt: politisch, wirtschaftlich und finanziell. Wir wollen deutlich machen: Wir sehen das nicht nur technisch. Wir sehen nicht nur neue Märkte. Wir gucken nicht nur auf Flüchtlingsströme. Vielmehr berührt das, was dort passiert, auch unsere Überzeugungen, unser Herz, unseren Verstand und fordert unser demokratisches Engagement, diesen Aufbruch zu unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frank Steffel [CDU/CSU] und Ulrich Lechte [FDP])
Vielen Dank. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Margarete Bause.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7280968 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 56 |
Tagesordnungspunkt | Friedensprozess zwischen Äthiopien und Eritrea |