12.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 56 / Tagesordnungspunkt 28

Ursula SchulteSPD - Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich Zuschauerin bei Phoenix wäre und hören würde, dass der Deutsche Bundestag jetzt über das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch diskutieren würde, würde ich wahrscheinlich einen Kaffee trinken gehen;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre der Fehler!)

denn dieser Tagesordnungspunkt verspricht keine sonderlich spannende Diskussion. Aber dieses Gesetz ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher durchaus interessant; warten Sie es einfach mal ab, Frau Künast. Ich hoffe, ich kann das ein wenig verdeutlichen.

Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ist seit 2005 in Kraft. Das Gesetz gilt für Lebensmittel und Futtermittel, ebenso für Bedarfsgegenstände und Kosmetika. Oberstes Gebot ist die Lebensmittelsicherheit und damit der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. 2012 wurde der § 40 des LFGB durch Absatz 1a ergänzt. Dieser Absatz besagt, dass die Ergebnisse amtlicher Kontrollen bzw. Verstöße gegen das LFGB zwingend zu veröffentlichen sind. Voraussetzung dafür ist, dass ein hinreichend begründeter Verdacht besteht, dass zulässige Grenzwerte überschritten werden, dass gegen andere Bestimmungen in nicht unerheblichem Maße verstoßen oder wiederholt verstoßen wurde. Das zu erwartende Bußgeld muss mindestens 350 Euro betragen. Die Norm, liebe Kolleginnen und Kollegen, schreibt also vor, wann und unter welchen Bedingungen die Öffentlichkeit vor Produkten gewarnt werden soll, bei denen lebensmittelrechtliche Vorschriften nicht eingehalten wurden.

Auch wenn es bei den meisten Beanstandungen nicht unbedingt um Gesundheitsgefährdungen geht, sondern „nur“ um Hygieneverstöße oder Täuschungen, haben nach unserer Ansicht Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht darauf, über Ekelküchen und Pferde- statt Rindfleisch in der Lasagne informiert zu werden.

(Beifall bei der SPD – Alois Rainer [CDU/CSU]: Da kriegt man nur eine Strafe von 350 Euro!)

Allerdings stoppten einige Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte die Veröffentlichung von Verstößen und äußerten Bedenken, unter anderem mit Blick auf das EU-Recht. Seit 2013 dürfen Verstöße gegen das LFGB bundesweit nicht mehr veröffentlicht werden. Der Absatz 1 des LFGB ist aber weiterhin uneingeschränkt gültig. Verstöße müssen von den Behörden dokumentiert und verfolgt werden. Nur die Öffentlichkeit erfährt nichts davon. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht hinnehmbar; denn mit Transparenz hat das überhaupt gar nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat das Bundesverfassungsgericht Anfang März dieses Jahres entschieden, dass Verstöße gegen das LFGB doch veröffentlicht werden dürfen, sogar dann, wenn nur ein hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes besteht. Das, finde ich, ist ein toller Erfolg für die Verbraucherinnen und Verbraucher, und darüber freue ich mich wirklich sehr. Damit ist auch klar – das sehe ich anders als Sie, Herr Thies –, dass § 40 Absatz 1a des LFGB nicht gegen die Berufsfreiheit der Betriebe verstößt. Allerdings mahnte das Gericht eine fehlende Befristung der Veröffentlichungen an. Diese Frist soll mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf beschlossen werden. Veröffentlichungen sollen nach sechs Monaten gelöscht werden können.

Wir als SPD-Fraktion hätten uns zwar eine längere Frist vorstellen können,

(Alois Rainer [CDU/CSU]: Leute, Leute!)

aber mit den sechs Monaten können wir leben. Allerdings muss dann auch sichergestellt sein, dass die Beanstandungen in dieser Frist behoben werden. Dies setzt natürlich zwingend voraus, dass die Betriebe entsprechend kontrolliert werden. Im Übrigen haben die Betriebe, wenn ich das richtig verstehe, sogar ein Recht auf zügige und zeitnahe Nachkontrollen, wenn Verstöße festgestellt worden sind.

Wir wollen mit diesem Gesetz einen Ausgleich zwischen den wohlverstandenen Informationsbedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher und den Interessen insbesondere kleiner Betriebe herstellen. Weil wir auch die Interessen der Betriebe und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick haben, ist die Forderung einer Löschfrist von zwei Jahren, wie von den Linken gefordert, für uns eindeutig überzogen. Aber ich sage auch deutlich: Das LFGB ist notwendig. Es ist nicht der mittelalterliche Pranger, als den es manche berufsständische Verbände bezeichnen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU] und Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, während wir uns mit der sechsmonatigen Löschfrist arrangieren können, hadern wir damit, dass es noch immer keinen einheitlichen Bußgeldkatalog gibt.

(Beifall der Abg. Katja Mast [SPD] und Gitta Connemann [CDU/CSU])

Den haben wir im Sommer 2017 beschlossen. Eine Arbeitsgruppe der Länder unter dem Vorsitz von Sachsen sollte den Bußgeldkatalog erarbeiten und auf den Weg bringen. Leider hat diese Arbeitsgruppe nach meinem Wissen noch nie getagt.

(Heike Brehmer [CDU/CSU]: Schlecht!)

Das ist nicht nur schade. Ich finde, das ist auch ein Grund, bei den Ländern ein bisschen mehr Tempo anzumahnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sachsen im Übrigen hat einen landeseinheitlichen Bußgeldkatalog. Dieser könnte doch ohne Probleme als Grundlage dienen. Das würde die Sache auch ein bisschen vereinfachen. Nach unserer Ansicht muss der bundeseinheitliche Bußgeldkatalog kommen. Er darf nicht in weite Ferne rücken. Er ist Teil des Koalitionsvertrages. Wenn ich den Applaus richtig deute, halten wir daran fest, dass wir diesen auf den Weg bringen wollen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU/CSU und SPD arbeiten zwar in einer Koalition zusammen; deswegen sind unsere Ziele aber noch lange nicht immer identisch. Das kann und soll man auch ruhig nach außen kommunizieren. Denn eigenständiges Denken ist den Fraktionen ja nicht per Koalitionsvertrag verboten worden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und es hindert auch nicht daran, trotzdem gut zusammenzuarbeiten.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

So kann sich die SPD-Fraktion nämlich gut vorstellen, alle Ergebnisse der Kontrollen im Rahmen des LFGB zu veröffentlichen. Verbraucher sollen sich bewusst entscheiden können, und dafür brauchen sie einfach Transparenz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben ja überwiegend gute Ergebnisse. Das zeigt, dass die meisten Betriebe sauber und hygienisch arbeiten; das darf man dann auch ruhig öffentlich machen. Und: Das wäre doch eine tolle Werbung für diejenigen, die sich an die Bestimmungen halten, und für diejenigen, die Mängel haben, vielleicht ein Anreiz, diese schnell zu beheben.

Außerdem haben wir uns vorgenommen, das Portal „ lebensmittelwarnung.de “ übersichtlicher und für den Verbraucher zugänglicher zu gestalten. Meldungen über Verstöße sollten zum Beispiel frühzeitiger eingestellt werden. Hilfreich für die Menschen wäre es auch, wenn sie auf diesem Portal Tipps und Ratschläge für den Fall bekommen würden, dass sie schon belastete Produkte verzehrt haben.

Wir, die SPD-Fraktion – Sie haben das angesprochen, Herr Thies –, würden auch gerne mit der Doppelbeprobung aufhören. Damit kämen wir einer Forderung des Bundesrates nach. Auch er vertritt die Auffassung, dass eine Untersuchung in einem amtlichen Labor ausreicht. Vielleicht bekommen wir es – auch wenn Sie sich hier für etwas anderes ausgesprochen haben – wenigstens hin, festzulegen, dass die zweite Untersuchung im gleichen amtlichen Labor stattfinden kann. Das wäre auch ganz praktisch; denn die meisten Länder haben nur ein amtliches Labor.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])

Ebenso möchten wir, dass nicht nur überschrittene Grenzwerte, sondern auch – erst recht – der Nachweis von verbotenen Stoffen veröffentlicht wird.

Zum Thema Doppelbeprobung bekommen wir übrigens Unterstützung vom Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure, der hier ebenfalls eine Klarstellung fordert.

Ich bin immer noch voller Optimismus, dass die Koalition in dieser Frage zu einer Einigung kommt.

(Beifall der Abg. Susanne Mittag [SPD])

Das wäre sowohl im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch im Interesse der produzierenden Betriebe. Wir alle wollen sichere Lebensmittel und den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung und Irreführung. Dieses Ziel eint uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, und hilft vielleicht dabei, über Parteigrenzen hinweg gemeinsam an der Realisierung zu arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Nicole Bauer für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7281051
Wahlperiode 19
Sitzung 56
Tagesordnungspunkt Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch
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