18.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 58 / Tagesordnungspunkt 6

Michael TheurerFDP - Qualifizierungschancengesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Weiß hat gerade die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften angesprochen. Wir stellen fest: Die Große Koalition ist in kleinen, aber wichtigen Dingen zum Teil lernfähig; das möchte ich hier mal lobend erwähnen. Als wir – Kollege Till Mansmann und andere Kollegen – eine Kleine Anfrage zur 70‑Tage-Regelung gestellt haben, hat die Bundesregierung noch erklärt, es bestehe kein Handlungsbedarf und sie sei auch nicht in Gesprächen. Wir sind froh, dass die 70‑Tage-Regelung für Saisonarbeiter in diesem Gesetzentwurf geregelt und gesichert werden soll, und stellen fest: Andrea Nahles hat nicht nur ein Herz für Pferde, sondern offensichtlich auch für deutschen Spargel. Das ist ein guter Beitrag; das muss man an dieser Stelle einmal vermerken.

(Beifall bei der FDP)

Minister Heil hat darauf hingewiesen, dass im Gesetz vorgesehen ist, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu senken. Das kommt spät. Das hätte früher kommen können. Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben dazu bereits im Januar einen Gesetzentwurf vorgelegt, der wurde aber von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken abgelehnt. Jetzt soll es doch kommen. Es ist ja gut, dass die Bürgerinnen und Bürger die gute Konjunktur auch ein Stück weit in ihrem Geldbeutel spüren. Wir sind der Meinung, dass das richtig ist, dass es notwendig ist, den Beitragssatz um 0,5 Prozentpunkte zu senken. Aber hier von einer Entlastung zu sprechen, ist doch eine Wählertäuschung. Denn das, was Sie auf der einen Seite den Bürgerinnen und Bürgern von dem, was sie erarbeitet haben, zurückgeben, nehmen Sie auf der anderen Seite durch steigende Pflegebeiträge, die Minister Spahn angekündigt hat – er hat bereits eine weitere Erhöhung angekündigt –, wieder weg. Das ist an dieser Stelle gar keine Entlastung. Machen Sie den Menschen hier kein X für ein U vor.

(Beifall bei der FDP)

Überhaupt finden Sie – den Eindruck hat man – für jedes überschüssige Geld in Sozialkassen oder staatlichen Kassen sofort wieder einen öffentlichen Verwendungszweck. Wie wäre es mal mit einer echten Entlastung der Bürgerinnen und Bürger?

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Wohl vor allem für Hoteliers!)

Wir haben den Eindruck, dass Sie eine Aversion gegen Entlastungen haben. Man könnte auch von einer Entlastungsphobie sprechen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir sagen an dieser Stelle ganz klar: Es reicht nicht aus, dass Wirtschaftsminister Altmaier im Bundeswirtschaftsministerium einen Raum nach Ludwig Erhard benennt. Wenn diese Bundesregierung wirklich im Sinne der sozialen Marktwirtschaft handeln wollte, dann müsste sie anders handeln. Diese Große Koalition ist ja noch nicht mal Karl Schiller, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie wollten ja nicht mal handeln! Sie laufen weg! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie würden den Raum nach Darwin benennen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Jetzt zu Bundesfinanzminister Scholz. Er macht Vorschläge zur Rente; er macht Vorschläge zur Arbeitslosenversicherung auf europäischer Ebene. Heute ist er nicht da. Ich frage mich: Herr Minister Heil, sind Sie eigentlich nur noch der Erfüllungsgehilfe des Bundesfinanzministers? Gilt eigentlich das Ressortprinzip in dieser Bundesregierung nicht?

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Und überhaupt: Dem Bundestag und damit dem gesamten deutschen Volk muss erklärt werden, wie diese europäische Arbeitslosenversicherung finanziert werden soll.

(Beifall bei der FDP)

Zusätzliche Ausgaben in Höhe von 11 Milliarden Euro: Das wäre eine Erhöhung der Beiträge um 1 Prozentpunkt. Oder soll das Geld aus der Steuerkasse kommen? Dazu wird hier nichts gesagt; das ist aber dringend erforderlich.

Und ich stelle die Frage, ob eine europäische Arbeitslosenversicherung nicht völlig falsche Anreize setzt.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Thema verfehlt!)

In diesem Gesetzentwurf ist eine Konjunkturrücklage für schlechte Zeiten enthalten. Das halten wir dem Grunde nach auch für richtig. Wenn jetzt eine europäische Arbeitslosenversicherung eingeführt würde, dann hätten die Länder, dann hätte Deutschland, aber auch Italien und Frankreich, gar keinen Anreiz, auf nationaler Ebene solche Konjunkturrücklagen zu bilden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das Thema nicht verstanden!)

Wir sehen hier große Fragezeichen; also eine stringente Linie dieser Bundesregierung können wir nicht erkennen.

(Beifall bei der FDP)

Zu Qualifizierungsmaßnahmen sagen wir: Qualifizierung ja; aber es muss gefragt werden, ob die Mittel bei den Betroffenen auch wirklich ankommen oder ob damit eine Weiterqualifizierungsindustrie finanziert werden soll. Dabei ist es uns völlig egal, ob das gewerkschaftsnahe oder arbeitgebernahe Institute sind.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es muss schon jemand machen! Qualifizierung fällt nicht vom Himmel!)

Wir sind der Meinung: Die Entlastung muss bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Dazu wird mein Kollege Vogel später Ausführungen machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7282498
Wahlperiode 19
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt Qualifizierungschancengesetz
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