Till MansmannFDP - Weiterentwicklung des Teilzeitrechts
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Heil! Als Sie uns dieses Gesetz hier im Plenum vor wenigen Wochen vorgestellt haben, haben Sie es schon gesagt: Die Arbeit muss zum Leben passen, nicht umgekehrt.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt von den Grünen!)
Sie haben das heute in Ihrer Rede noch zweimal betont. Das ist richtig, Herr Minister Heil; das ist die Wahrheit.
Aber es ist doch nur die halbe Wahrheit. Genauso gilt nämlich: Die Arbeit muss zum Produkt, zur Dienstleistung, zum Betrieb passen. Das ist die andere Seite der gleichen Medaille; aber die Große Koalition hat sich entschieden, diese andere Seite kaum zu beachten.
Dabei ist zum Beispiel die großartige Einrichtung der Tarifautonomie, deren 100. Geburtstag wir an diesem Dienstag feiern durften, das Abbild dieser beiden Seiten. Das gilt auch für die zweiseitige arbeitsvertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Darüber setzen Sie sich hiermit hinweg. Der Gesetzentwurf, den Sie uns vorgelegt haben, ist einseitig, unausgegoren und schlecht ausbalanciert.
(Beifall bei der FDP)
Sie sagen uns, das sei nun mal so, das sei halt ein Kompromiss. Ja, Politik im demokratischen Rechtsstaat, im Parlamentarismus besteht aus Kompromissen. Das ist schon richtig; aber das hier ist kein Kompromiss zwischen diesen beiden Seiten, die ich gerade beschrieben habe. Es ist ein Kompromiss zwischen zwei Fraktionen, die nicht mehr um die Sache, sondern um ihre Macht ringen.
(Beifall bei der FDP – Katja Mast [SPD]: Oh!)
– Ja, doch! Da geht es darum, wer sich durchsetzt, wer nachgibt und wer sein Gesicht verliert.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und das war bei euch auch völlig anders?)
Sie haben den Blick auf das Wesentliche verloren. Dieser Kompromiss hinterlässt viele Fragezeichen.
Sie haben Schwellen eingebaut. Diese liegen bei 45 bzw. bei 200 Arbeitnehmern. Natürlich ist es in der Sache richtig, wenn Sie versuchen, kleine Unternehmen vor Überforderung zu schützen. Sie aber nehmen die Zahl 15 aus einem anderen Paragrafen des Befristungsrechts und verdreifachen die Zahl einfach. Warum nicht 30? Warum nicht 60?
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum nicht 15? – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Weil dreimal 15 45 ist!)
Künftig ist es für ein Unternehmen ein großer Unterschied, ob es 44 oder 46 Mitarbeiter beschäftigt.
Das ist der falsche Weg. Es ist auch ein Unterschied für die betroffenen Arbeitnehmer. Nehmen wir einen Betrieb mit 46 Angestellten, in dem künftig vier Angestellte vom Recht der Brückenteilzeit Gebrauch machen können sollen. Wenn künftig der vierte Arbeitnehmer – bleiben wir bei dem Beispiel; denn es ist ja zulässig – sein Golf-Handicap verbessern möchte
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ja, bei euch schon!)
und die fünfte Arbeitnehmerin – ich nehme jetzt absichtlich eine Frau; denn Sie wollen ja vor allen Dingen die Situation von Frauen verbessern – für ein halbes Jahr vom Recht auf Brückenteilzeit Gebrauch machen möchte, um ihr Kind zu erziehen und es gut durch die Schule zu bringen, dann muss diese fünfte Frau warten, bis der vierte Mann sein Handicap verbessert hat.
Wäre es nicht besser und sachgerechter gewesen, im Gesetz selbst kluge Sachgründe zu nennen und sich da vielleicht etwas breiter und flexibler aufzustellen?
(Beifall bei der FDP)
Dann hätte man die willkürlichen Schwellen vielleicht gar nicht gebraucht, die jetzt dazu führen, dass ein sehr großer Teil der Menschen, denen Sie helfen wollen, gar nicht von diesem neuen Recht Gebrauch machen können. Das ist ja auch den Grünen und den Linken aufgefallen. Ein Anspruch mit Sachgrund wäre ein echter Beitrag zur Einzelfallgerechtigkeit gewesen.
Nun, die SPD hat sich in der Großen Koalition mal wieder inhaltlich durchgesetzt und ihren sachgrundlosen Anspruch bekommen.
(Kerstin Tack [SPD]: Ja, wir sind so gut!)
Das ist jetzt ausreichend gelobt worden von den Sozialdemokraten. Dass die Sozialdemokraten gerade um jeden kleinen Erfolg heftig ringen und sich darüber freuen – dafür haben wir ja Verständnis. Aber liebe Marktwirtschaftler in der Union,
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Soziale Marktwirtschaft! Das ist schon klar!)
was ist denn Ihr Job? Die Sozialdemokratie durch einseitige Eingriffe in Arbeitsvertragsbeziehungen zu retten? Die zahlreichen Bedenken der Experten haben Sie einfach vom Tisch gewischt und sich hinter einer Protokollerklärung versteckt, die ein handwerklich schlechtes Gesetz noch rechtsunsicherer macht
(Pascal Kober [FDP]: Hört! Hört!)
und den Streit in die Arbeitsgerichte trägt.
(Beifall bei der FDP)
Sie von der Union glauben gerade, Sie müssten das tun, und zwar nicht um der Sache selbst willen, sondern um die Koalition in die nächste quälende Phase hinüberzuretten. Die Fraktion der Freien Demokraten wird diesen Gesetzentwurf daher ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Vielleicht nehmen Sie mal Brückenteilzeit, um Ihr Rede-Handicap zu verbessern!)
Vielen Dank, Herr Kollege Mansmann. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke die Kollegin Susanne Ferschl.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7282552 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Weiterentwicklung des Teilzeitrechts |