Karl LauterbachSPD - GKV-Versichertenentlastungsgesetz
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz, das wir heute beschließen werden, ist ein besonders wichtiges Gesetz in der Sozialgesetzgebung; denn wir werden damit die gesetzliche Krankenversicherung angesichts der massiven Kostensteigerungen, die wir in den nächsten Jahrzehnten erwarten müssen, zukunftsfest machen. Für die Kostensteigerungen gibt es drei Ursachen.
Erstens: die demografische Entwicklung der Gesellschaft. Die Babyboomer werden ab 2020 zunehmend in Rente gehen und somit weniger in die Krankenversicherung einzahlen. Sie werden aber mehr herausnehmen, weil sie zu einem Zeitpunkt, wo sie weniger verdienen, mehrheitlich chronisch krank werden.
Zweitens. Es gibt eine deutlich höhere Lebenserwartung. Das ist eine sehr gute Nachricht, aber leider nehmen die chronischen Erkrankungen mit höherer Lebenserwartung zu. Außerdem können wir chronische Erkrankungen früher diagnostizieren. Somit ist die Behandlungsdauer länger. Das steigert die Kosten.
Drittens: der dramatische technologische Fortschritt. Zum Beispiel wurden bessere Methoden zur Behandlung von Lymphompatienten gefunden. Unheilbar Kranke können teilweise geheilt werden, aber in jedem einzelnen Fall kostet die Behandlung 400 000 Euro. Dieses Verfahren werden wir zukünftig auch bei vielen anderen Tumorpatienten einsetzen. Wenn wir dieses Gesetz heute nicht beschließen würden, dann würden all diese zusätzlichen Kosten von den Arbeitnehmern alleine zu zahlen sein, weil die Arbeitgeberbeiträge eingefroren worden sind.
Das heißt, für die Kosten, die sich aufgrund der sich ändernden Demografie und durch den Fortschritt ergeben, würden im Wesentlichen die Arbeitnehmer aufkommen. Das hätte schleichend zu einer dauerhaften Privatisierung des Gesundheitssystems geführt. Die wenden wir heute ab. Darin liegt aus meiner Sicht die historische Bedeutung des heutigen Beschlusses.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig können wir nur ausgeben, was erwirtschaftet wird. Daher ist die ausdrückliche Förderung von Gründern durch die Halbierung des Beitragssatzes vorgesehen. Bisher gab es hier Ungerechtigkeiten, weil dem Gründer ein fiktives Einkommen zugeschrieben wurde, das er aber gar nicht hatte. Es wurde mit der Fiktion eines Einkommens, das er gar nicht hat, gearbeitet.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Ja, das haben wir ja immer noch! Alles, was unter 1 000 Euro liegt!)
– Nicht alles, was Sie sagen, ist falsch.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber trotzdem bleibt unser Ansatz richtig, und wir werden es umsetzen. Wären Sie in die Regierung gegangen, könnten Sie es jetzt vielleicht verkünden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zu der wesentlichen Verbesserung, die wir für die Soldaten erreichen konnten. Auch das ist keine Kleinigkeit. Diese Verbesserung finde ich besonders wichtig. Soldaten, die unserem Land dienen, müssen später oft deutlich überhöhte Krankenversicherungsbeiträge zahlen, weil sie die Versicherungszeiten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfüllen und sich somit teuer privat versichern müssen – auch im Alter, was hohe Beiträge bedeutet. Oder sie kommen nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung, weil ihnen die entsprechenden Zugänge fehlen. Daher werden wir die Situation für Soldaten deutlich verbessern, in der Übergangsphase sogar für diejenigen, die älter als 55 Jahre sind. Wir werden dafür sorgen, dass eine kleine Gruppe das Privileg erhält, in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren zu können.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das finde ich auch gut!)
Wenn ich das sagen darf: Ich persönlich hielte es für richtig, wenn das für alle gelten würde.
(Beifall bei der SPD)
Denn die Kostendynamik in der privaten Krankenversicherung konnte niemand absehen. Viele fühlen sich in der privaten Krankenversicherung gefangen und würden gerne wechseln, sind aber jetzt zu alt.
Wir erreichen heute viel, aber es muss auch ehrlich gesagt werden: Das langfristige Ziel unserer Partei ist die Bürgerversicherung, ein gutes System für alle.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7282583 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | GKV-Versichertenentlastungsgesetz |