18.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 58 / Tagesordnungspunkt 10

Christine Aschenberg-DugnusFDP - GKV-Versichertenentlastungsgesetz

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Minister Jens Spahn! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meinen Ausführungen zunächst auf unseren eigenen Antrag eingehen, der vorsieht, dass die Krankenversicherungsbeiträge für hauptberuflich Selbstständige fairerweise, Herr Kollege Lauterbach, nach dem tatsächlichen Einkommen bemessen werden. Bei Ihnen hören die Solidarität und die Fairness bei 1 000 Euro auf, das ist bei uns nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP)

In der öffentlichen Anhörung wurde deutlich, dass die von Ihnen angestrebte Absenkung für freiwillig GKV-versicherte Selbstständige nicht ausreichend ist. Es war die einhellige Meinung fast aller Experten, dass das höchstens ein erster Schritt sein kann. Wir als FDP-Fraktion wollen keine Trippelschritte, wir wollen keine halben Sachen machen. Lassen Sie uns doch einfach Zeit sparen und gleich unseren Antrag verabschieden

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

und so eine Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 450 Euro festlegen. Das wäre fair gegenüber allen.

(Beifall bei der FDP)

Dann müsste für die Beiträge kein fiktives Einkommen herangezogen werden, sondern sie würden nach dem tatsächlichen Einkommen berechnet werden. Wir wollen mit unserem Antrag die in Ihrem Gesetz noch vorhandene Ungleichbehandlung und Unfairness beseitigen.

Wen treffen die fiktiven Mindestbeiträge? Es wurde schon angesprochen: Sie betreffen gerade Frauen – auch das haben wir in der Anhörung gehört –, die zum Beispiel aufgrund ihrer familiären Situation nicht an feste Arbeitszeiten gebunden sein wollen. Sie wollen vielleicht Verwandte pflegen. Sie wollen irgendwelchen anderen Tätigkeiten nachgehen.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Was reden Sie denn?)

Diese Frauen bestrafen Sie. Diese Gründerinnen verdienen aber von Anfang an vielleicht nicht den von Ihnen zwar reduzierten, aber unserer Meinung nach noch viel zu hohen Mindestbeitrag. Daher fordern wir in unserem Antrag, die Mindestbeitragsbemessungsgrenze auf 450 Euro abzusenken. Das wäre gerade für diese Gründerinnen eine faire Maßnahme.

(Beifall bei der FDP – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: „Wäre“?)

Aber an unserem Beitrag wird ja sowohl seitens der Bundesregierung als auch von den Grünen zum Beispiel immer kritisiert: Na ja, Selbstständige, die können ihr Einkommen ja selbst gestalten und sich, wie es immer so schön heißt, arm rechnen. Das ist mal wieder so eine typische Argumentation.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Erzählen Sie doch keinen solchen Unsinn, bitte! Das ist ja Wahnsinn!)

Das verdeutlicht, dass Sie Vorurteile gegenüber Selbstständigen haben und dass Sie auch gar keine Ahnung von Selbstständigen haben; sonst würden Sie so was nämlich gar nicht behaupten.

(Beifall bei der FDP)

Selbstverständlich sind Einnahmen nicht gleich Gewinn. Das weiß jeder, der schon mal selbstständig war.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Da braucht man aber nicht viel dazu!)

Von den Einnahmen muss man natürlich die Kosten abziehen. Nehmen Sie zum Beispiel einen Blumenhändler, der durch seinen Blumenverkauf 500 Euro Einnahmen hat. Aber das ist doch nicht sein Gewinn! Davon muss man doch die Kosten abziehen, die vorher für seine Investitionen in die Blumen entstanden sind; um mal ein ganz einfaches Beispiel zu nennen.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind wir hier in der Grundschule?)

Meine Damen und Herren, Selbstständige erfahren ja sowieso schon eine Schlechterbehandlung gegenüber Angestellten, abhängig Beschäftigten, da sie zum Beispiel auch Mieteinnahmen und andere Einnahmen verbeitragen müssen. Wenn Sie also wirklich Fairness haben wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Ja, natürlich lasse ich diese Zwischenfrage zu. Für die Kollegin Klein-Schmeink bin ich dazu immer gerne bereit. Ich weiß auch schon, was sie fragt.

Eigentlich hat die Kollegin gleich selber Gelegenheit, zu sprechen. – Bitte, Frau Klein-Schmeink.

Sie haben natürlich recht. – Sie haben gerade abgehoben auf die Einkommen der Selbstständigen. Natürlich geht es darum, sie fair zu verbeitragen; das ist ganz klar. Aber wir haben in der GKV einen ganz klaren Grundsatz: Gehälter von Angestellten werden auf Grundlage des Bruttobetrages verbeitragt. Das heißt, eine angestellte Pflegerin bezahlt auf ihr Bruttogehalt den Krankenversicherungsbeitrag. Natürlich müssen wir darauf achten, dass auch die kleine Selbstständige dann ein vergleichbares Einkommen verbeitragen muss. Es ist eben so: Ein Selbstständiger hat über das Finanzamt einen Bescheid über sein Nettoeinkommen.

(Alexander Krauß [CDU/CSU]: So ist das!)

Da sind eben alle anderen Ausgaben schon abgezogen. Das müssen wir schon in Betracht ziehen.

Sie haben recht: Es geht darum, ein faires und gerechtes System zu haben. Das muss für alle gelten, und da muss man auch gleiche Maßstäbe haben. Da frage ich Sie: Wie wollen Sie diesen Unterschied zwischen brutto und netto abbilden? Die Antwort darauf vermisse ich in der Diskussion.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin, für die Frage. – Ich wusste, dass sie kommt, weil Sie sie immer stellen. Aber leider ist auch bei Ihnen kein Erkenntnisgewinn eingetreten.

(Alexander Krauß [CDU/CSU]: Wie denn aber auch?)

Sie kriegen von mir immer eine ähnliche Antwort.

Aber lassen Sie mich zuerst sagen: Das Wort „kleine Selbstständige“ kann ich nicht leiden. Es sind geringfügig verdienende Selbstständige und keine kleinen Selbstständigen.

(Beifall bei der FDP)

Das mal vorweg. Die Menschen sind nämlich nicht klein, sondern sie wollen am Erwerbsleben teilnehmen, ob als Selbstständige oder nicht.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)

– Nein, ich finde, diese Wortwahl ist schon ganz entscheidend, und sie passt sehr zu den Vorurteilen, die Sie da haben.

Aber ich versuche es noch mal: Brutto und netto, auf der einen Seite der Angestellte und auf der anderen Seite der Selbstständige – ich habe versucht, es zu erklären –, Gewinn und Einkommen, das ist etwas ganz anderes.

(Alexander Krauß [CDU/CSU]: Sie hat nach brutto und netto gefragt, nicht nach Gewinn und Einkommen!)

Ein Blumenhändler oder jeder andere, der zum Beispiel irgendetwas herstellt – –

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht die Frage!)

– Natürlich war das die Frage. – Es geht um zwei unterschiedliche Bemessungsgrundlagen. Der Selbstständige zahlt seine Steuern auf sein zu versteuerndes Einkommen, und er kann bestimmte Sachen auch nicht abziehen. Aber es geht darum, dass er die Kosten von seinen Einnahmen abziehen muss; denn das, was er an Einnahmen hat, ist doch nicht das, was für ihn übrig bleibt.

(Beifall bei der FDP)

Genau das ist es.

Sie werden es einfach nicht verstehen. Wir können es mal bei einem Kaffee oder einem Glas Wein besprechen. Da werde ich Sie mit einem Steuerberater zusammenbringen. Ich bin mein Leben lang selbstständig gewesen. Ich weiß, wie es läuft. Sie anscheinend nicht, Frau Kollegin. Aber das kriegen wir auch noch hin.

(Beifall bei der FDP – Alexander Krauß [CDU/CSU]: Also, einen Blumenstrauß haben Sie sich nicht verdient!)

Herr Minister, kurz noch zum Morbi-RSA. Da kann ich Sie nur herzlich bitten: Werden Sie aktiv; denn es ist ganz wichtig, dass beim Morbi-RSA ganz schnell etwas passiert. Sie können sich sicher sein, dass wir als konstruktive Opposition Sie dabei unterstützen werden.

(Beifall des Abg. Michael Theurer [FDP])

Da ich gerade bei Ihnen bin, Herr Minister: Ja, es tut mir leid; es wird ja auch immer gesagt: Ihr kritisiert immer so viel an den Gesetzen, und ihr sagt gar nichts Positives.

(Alexander Krauß [CDU/CSU]: Sie hätten ja in die Regierung gehen können! Dann hätten Sie sogar mitgestalten können!)

Ich weiß ja auch: Männer sind sensibel. Deswegen, Herr Minister Spahn, will ich Sie auch mal loben: Ja, positiv ist – es wurde schon gesagt –, dass für ehemalige Soldaten ein nahtloser Übergang in die GKV sichergestellt wird. Das begrüßen wir sehr. Die Menschen, die unserem Land gedient haben, verdienen auch unsere besondere Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Alexander Krauß [CDU/CSU])

Deswegen war das eine gute Maßnahme.

Positiv finden wir auch, dass Bezieher von Kranken- und Mutterschaftsgeld jetzt endlich nur ihre tatsächlichen Einnahmen verbeitragen müssen. Vorher mussten sie ja auch den Mindestbeitrag zahlen. Das finden auch wir toll, dass Sie das umgesetzt haben, was unsere Sachverständigen in der Anhörung verdeutlicht haben. Also, das war jetzt ein Lob. Ich hoffe, Sie haben es mitbekommen. – Gut, wunderbar.

Ansonsten muss ich aber sagen, dass der Gesetzentwurf mehr Schattenseiten hat als Positives. Deswegen werden wir dagegenstimmen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächster Redner: Dr. Achim Kessler für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7282584
Wahlperiode 19
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt GKV-Versichertenentlastungsgesetz
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta