18.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 58 / Tagesordnungspunkt 12

Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - StGB - Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Oppositionsparteien legen uns Anträge auf komplette oder teilweise Abschaffung des Verbots der Werbung für Abtreibung vor. Wir wollen heute nicht darüber entscheiden, weil in der Koalition über genau dieses Thema noch Gespräche geführt werden: aufseiten der SPD zwei Ministerinnen, aufseiten der Union zwei Minister.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da besteht also noch Beratungsbedarf, bis wir dann vielleicht auch hier zu einer Entscheidung kommen.

Ich nutze aber die Gelegenheit dieser Berichte nach § 62 der Geschäftsordnung, um ein paar Fakten in die Diskussion einzubringen; denn da geht einiges durcheinander.

Als Erstes möchte ich noch einmal klarstellen: Die Gießener Ärztin, die hier schon genannt wurde – übrigens eine Allgemeinmedizinerin und nicht etwa eine Gynäkologin –, wurde nicht etwa deshalb verurteilt, weil sie Abtreibungen durchführt. Denn diesbezüglich ist ganz klar geregelt, dass keine Strafbarkeit besteht, weder für die Frau noch für den Arzt. Die einzige Voraussetzung ist, dass man die Voraussetzungen des § 218a einhält: in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft nach Beratung und einer Wartefrist von drei Tagen. Der Staat verzichtet da ganz bewusst auf eine Strafbarkeit; denn er weiß, dass das Kind nur mit der Mutter geschützt werden kann und nicht gegen sie. Verurteilt wurde Frau Hänel – der es nach eigenem Bekunden übrigens Spaß macht, Abtreibungen durchzuführen –, weil sie wiederholt auf ihrer Website für Abtreibungen in ihrer Praxis geworben hat, um Patientinnen zu akquirieren.

(Ulli Nissen [SPD]: Informiert! – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sie hat nur informiert!)

Solche Werbung verharmlost und kommerzialisiert Abtreibungen.

Ich denke, das Frauenbild, das hinter dieser Regelung steht, ist ein ganz positives; denn die gesetzliche Regelung stellt ausschließlich darauf ab, welche Entscheidung die Frau am Ende nach der Beratung trifft. Sie braucht sich nicht zu rechtfertigen. Sie braucht sich nirgendwo zu erklären. Sie hat dann Zugang zu dem Arzt, den sie frei wählen kann. Da gibt es überhaupt keine Einschränkungen.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Da kann sie nur wählen, wenn sie sich vorher informiert hat!)

Der zweite Irrtum ist, dass es ein Informationsverbot für Frauen gäbe. Das Einzige, was § 219a wirklich ausschließen möchte, ist, dass durch diejenigen informiert und geworben wird, die selber kommerziell anbieten.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Aber damit sind die Ärzte gemeint!)

Das ist die einzige Einschränkung. Ansonsten gibt es öffentliche Informationen ohne eigenes Interesse, ohne jede Einschränkung. Deshalb können zum Beispiel auch Listen von Ärzten im Internet veröffentlicht werden. Ebenfalls völlig unproblematisch ist die individuelle Beratung durch den Arzt, wenn die Entscheidung über das Ob der Abtreibung gefällt ist und es konkret darum geht, welche Narkose angewandt wird, welche Methode gewählt wird und dergleichen mehr. Sie tun manchmal so, als gäbe es Informationen für die Frauen nur im Darknet. Das ist wirklich absurd.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Eva Högl [SPD]: Die Ärzte werden bestraft, wenn sie informieren! Darum geht es!)

Zusätzlich zu all diesen öffentlichen Informationsquellen sind die Beratungsstellen für die Beratung da. Sie beraten umfassend – nicht nur über die medizinischen Dinge. Schließlich geht es im Rahmen der Frage, ob eine Abtreibung durchgeführt wird, noch um ganz andere Aspekte: Wie kann ich eine Ausbildung mit einem Kind fortsetzen? Welche Unterhaltsansprüche habe ich gegen den Vater? Wie kann ich denn mit dem Kind leben? Dazu soll ermutigt werden, und dazu ist diese Beratung da.

Der dritte Irrtum ist, dass durch § 219a Frauen angeblich keine Ärzte finden. Das ist nicht so; denn wenn es da Probleme gibt, dann liegen sie nicht an § 219a. Im Gesetz ist geregelt, dass jeder Arzt ohne Probleme die Information, dass er Abtreibungen durchführen will, der Beratungsstelle – jeder Beratungsstelle in ganz Deutschland übrigens – mitteilen kann. Frauen können sich dann dort darüber informieren, wer Abtreibungen vornimmt, und zwar deutschlandweit. Effektiver geht es doch gar nicht. Damit erreicht man jede Frau, die darüber nachdenkt, eine Abtreibung zu machen. Sie hat dann die freie Wahl.

Ich würde Ihnen raten: Fragen Sie doch einmal alle Ärzte, die da ein Problem haben, ob sie ihre Adresse allen Beratungsstellen in Deutschland gegeben haben. Dann werden sie nämlich kein Problem haben, an die Frauen heranzukommen, die über eine Abtreibung nachdenken.

Entscheidend ist aber – das möchte ich hier auch noch einmal zu bedenken geben –: Wir müssen doch vom Kind her denken. Das Kind ist kein Zellhaufen und kein Schwangerschaftsgewebe, sondern Mensch von Anfang an. Deshalb hat es das Recht auf Schutz verdient durch die bestmögliche Beratung und auf die Ermunterung bzw. die Ermutigung zu dem Kind.

(Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Kollegin Winkelmeier-Becker, ich habe die Uhr angehalten.

Das ist keine ärztliche Leistung. Deshalb ist § 219a in diesem Schutzkonzept zentral.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie gestatten keine Frage?

Doch.

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Meine Frage bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wie bringen Sie Ihre Auffassung mit folgendem Zitat des Bundesverfassungsgerichts überein? Es lautet:

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Sie wissen ganz genau, dass dem ein ganz anderer Fall zugrunde lag. Es ging damals um Broschüren. Es ging um Demonstranten, die vor der Praxis ihrerseits falsche Informationen verteilten. Das war also ein ganz anderer Fall, der mit der heutigen Situation nicht mehr vereinbar ist. Wir haben auch die Sachverständigen in der Sachverständigenanhörung dazu befragt. Sie haben uns auch bestätigt, dass das völlig anders einzuordnen ist.

Ich berufe mich auf die ursprüngliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das erklärt hat, dass der Staat verpflichtet ist, das Kind effektiv zu schützen. Niemand anders tut es. Der Staat ist derjenige, der die Aufgabe hat, sein Lebensrecht und seine Menschenwürde mit in die Abwägung einzubringen. Wenn er darauf verzichtet, das Strafrecht einzuschalten – was ich für absolut richtig halte –, muss er wenigstens eine Beratung zum Leben machen. Das ist schon sehr wenig. Würde er noch weniger machen oder jetzt auch noch konterkarierende Werbung zulassen, würde er seinem Verfassungsauftrag nicht mehr gerecht. Das Verfassungsgericht spricht hier vom Untermaßverbot. Unter dieses Schutzniveau, das jetzt schon sehr gering ist, darf es einfach nicht gehen. Das ist meine feste Überzeugung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Das Wort hat der Abgeordnete Jens Maier für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der LINKEN: Es geht immer noch einmal einer drunter! – Fang lieber gar nicht erst an!)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/cvid/7282618
Wahlperiode 19
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt StGB - Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche
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