Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Mit Ihrer Erlaubnis, liebe Frau Präsidentin, beginne ich mit einem Zitat:
Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel in einem Kampf für ein besseres Gesetz.
Das sagte der Vorsitzende Richter Johannes Nink bei der Begründung des Urteils des Landgerichts Gießen am 12. Oktober 2018 – also letzten Freitag –, mit dem die Berufung der Gießener Frauenärztin Kristina Hänel verworfen wurde.
Kristina Hänel war am 24. November 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Homepage darüber informiert hat, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Der Vorsitzende Richter der 3. Strafkammer des Landgerichts Gießen hat mit dem Strafverfahren, wie er es geführt hat, mit dem Urteil und vor allen Dingen mit seinen bemerkenswerten Worten bei der Begründung Rechtsgeschichte geschrieben;
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE])
denn das Gericht bestätigt zwar die Verurteilung, weist aber deutlich darauf hin, dass die Gerichte über § 219a StGB nicht anders urteilen können. Genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Grund, warum vier Fraktionen hier im Deutschen Bundestag unmittelbar nach dem Urteil gegen Kristina Hänel am 24. November 2017 entsprechende Gesetzentwürfe und Anträge hier im Bundestag auf den Weg gebracht haben, die zum Ziel haben, § 219a StGB abzuschaffen oder zu ändern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits am 11. Dezember 2017 einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Es ist und bleibt unsere Position, die Position der SPD, dass Ärztinnen und Ärzte nicht bestraft werden dürfen, wenn sie erstens Abbrüche vornehmen und wenn sie zweitens darüber informieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Diese Frage dürfen wir nicht den Gerichten überlassen, und wir können sie auch nicht den Gerichten überlassen, wie das Berufungsurteil aus Gießen zeigt, sondern wir hier als Gesetzgeber im Deutschen Bundestag sind gefragt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE])
Frauen brauchen eine gute Beratung. Sie stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Frau Winkelmeier-Becker, niemand ist so wertvoll und niemand ist so notwendig bei der Beratung wie ein Arzt oder eine Ärztin,
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
und deshalb brauchen Ärzte und Ärztinnen Rechtssicherheit, damit sie den Frauen eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglichen können.
Natürlich sind die Meinungen hier in der Koalition verschieden; das ist bekannt. Ich sage für die SPD heute hier aber ganz deutlich: Wir nehmen die Bundeskanzlerin beim Wort.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Sie hat uns nämlich versprochen, zugesagt und fest versichert, dass wir eine vernünftige Lösung finden: Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte und objektive, gute Informationen für Frauen.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)
Diese Lösung, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es nur, wenn die Strafbarkeit von Ärztinnen und Ärzten bei objektiver Information beseitigt wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU – das sage ich jetzt mal ganz deutlich in Ihre Richtung –: Es eilt! Wir können das nicht auf die lange Bank schieben; denn jeden Tag werden Frauen vor Beratungsstellen, vor Arztpraxen und vor Kliniken belästigt. Es gibt jeden Tag weitere Anzeigen von sogenannten Lebensschützern, weitere Anklagen, Strafverfahren und Urteile. Deswegen hoffe ich sehr, dass wir noch in diesem Jahr hier im Deutschen Bundestag eine entsprechende Regelung verabschieden können, sodass die Strafbarkeit von den Ärztinnen und Ärzten genommen wird. Ich appelliere an Sie, sich dieser Lösung nicht zu verschließen.
Abschließend will ich sagen, dass wir alle mal ganz hoffnungsvoll nach Irland schauen sollten. Ein konservatives, katholisches Land hat sich mit Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung entschieden, die Abtreibungsregelung, die dort galt, abzuschaffen.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Ich finde, das könnte ein gutes Vorbild für uns hier im Deutschen Bundestag dafür sein, eine moderne Regelung zu schaffen und eine objektive Information zu ermöglichen. Ändern Sie mit uns gemeinsam den § 219a!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Stephan Thomae für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7282620 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | StGB - Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche |