19.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 59 / Tagesordnungspunkt 26

Sonja SteffenSPD - Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Normalerweise hat man es bei AfD-Vorlagen mit zackigen, kurzen und populistischen Anträgen zu tun. Diesmal verhält es sich in der Tat etwas anders: Wir haben einen Gesetzentwurf vorliegen, der ganze 45 Seiten umfasst, anscheinend eine Fleißarbeit ist und einen sehr harmlosen Inhalt hat: Verbesserung der inneren Sicherheit, Verbesserung der Justiz. – Die Überschrift verheißt vielleicht Gutes; wenn man sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt, ist aber festzustellen: Auch diesmal ist Ihnen nichts Gutes gelungen.

Je länger, je schlimmer, sollte man meinen, wenn man diesen Gesetzentwurf von Anfang bis Ende liest, was wir im Zuge der Beschäftigung damit bedauerlicherweise tun mussten. Man schaut beim Lesen des Gesetzentwurfs in einen Abgrund der technischen Fehler, man schaut in einen Abgrund der Verfassungswidrigkeit, und man schaut in einen Abgrund der Unmenschlichkeit und des Rassismus.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wenn das der Abgrund ist! Das ist ja unfassbar! Ein Schwachsinn!)

Sie, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, werden verstehen – ich nehme das Ergebnis gleich vorweg –, dass wir von der SPD-Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnen werden.

(Beifall bei der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das haben wir nicht anders erwartet!)

Wir haben hier in der Debatte schon viele Punkte besprochen: Jugendstrafrecht, Revision, Sippenhaft, Sonderstrafrecht. Das will ich jetzt nicht wiederholen. Ich will mich auf drei Gründe, weshalb meine Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnen wird, beschränken, die in dieser Debatte noch nicht, zumindest nicht ausführlich, zur Sprache kamen.

In § 69c StGB, den Sie einfügen wollen, geht es darum – das ist hier schon erwähnt worden –, dass man den Gerichten im Strafrecht eine zusätzliche Aufgabe gibt. Diese Aufgabe heißt: Wir entziehen zukünftig allen straffällig gewordenen, allen strafrechtlich zu verurteilenden Ausländern – so nennen Sie das immer – die Aufenthaltserlaubnis und weisen sie aus. – Darüber kann man vielleicht mal nachdenken; wir von der SPD-Fraktion finden das natürlich schlimm.

Besonders schlimm finde ich aber – ich muss sagen, Herr Reusch, ich hätte Ihnen juristisch wirklich etwas mehr zugetraut –, dass Sie in diesem neu einzufügenden Paragrafen schreiben:

Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

Schaut man in den § 62 StGB, dann liest man vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Meine Damen und Herren, jeder Jurist und jede Juristin weiß – das lernen wir im ersten Semester Strafrecht, kleiner Schein –, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Teil des Rechtsstaatsprinzip und unabänderbar ist. Das Bundesverfassungsgericht würde Ihnen dieses Gesetz bereits an dieser Stelle in der Luft zerreißen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe vorhin gesagt, der Gesetzentwurf hat technische Fehler. Dazu will ich nur einen Punkt erwähnen. Man kennt diese technische Fehlerhaftigkeit ja schon von Ihnen; aber Sie verweisen in Ihrem Gesetzentwurf auf einen § 55a Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes. In Ihrem Gesetzentwurf steht:

Auf Ausländer im Sinne des § 55a … des Aufenthaltsgesetzes …

Diese Vorschrift gibt es gar nicht. Das ist also auch technisch wirklich unter aller Kanone.

Ein ganz entscheidender Grund für unsere Ablehnung sind aber – jetzt wird es wirklich grotesk – Ihre Ideen zur Duldung. Sie wollen § 60 des Aufenthaltsgesetzes wie folgt ändern – ich zitiere das jetzt mal, obwohl es mir schwerfällt –:

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Dann lassen Sie es!)

Erweist sich eine Abschiebung als ... verboten, so ist der Ausländer in einer in einem aufnahmebereiten Drittstaat gelegenen Einrichtung unterzubringen.

Wie soll man sich das vorstellen? Welcher Staat sollte denn dazu bereit sein, wenn man sich denn auf den Gedanken einlässt? Nordkorea? Madagaskar? Alcatraz?

(Zuruf von der AfD: Alcatraz ist kein Staat!)

Wie soll das gehen?

Damit nicht genug. Sie sagen darüber hinaus: Wenn das nicht funktioniert – davon ist ja auszugehen –, dann sollen diese Menschen, diese gesamten geduldeten Menschen – Stand April 2018 handelt es sich hierbei übrigens um 170 000 Menschen –, ins Gefängnis. Die sollen dann alle in Haft gehen.

(Zuruf von der AfD: Sollen die hier denn rumlaufen, oder wie?)

Das ist wirklich lächerlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Gleiche fordern Sie, wenn jemand vollziehbar ausreisepflichtig ist. Das wären dann 232 000 Personen. Die sollen dann allesamt ins Gefängnis gehen.

Das bedeutet, die Frau aus Togo, die es mit möglicherweise zwei oder drei minderjährigen Kindern geschafft hat – das muss man an dieser Stelle auch mal sagen –, in Deutschland anzukommen,

(Karsten Hilse [AfD]: Nach Deutschland zu kommen! Genau!)

bringen Sie in den Knast. Sie bringen genauso die tschetschenische Familie in den Knast, die gar keine Ausweise erhalten hat, weil das total schwierig ist. Die sind manchmal extrem gut integriert,

(Stefan Keuter [AfD]: Sie sagen es, „manchmal“!)

übrigens besser als der eine oder andere Deutsche.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Menschen bringen Sie quasi allesamt ins Gefängnis.

Also: Der Gesetzentwurf ist insgesamt verfassungswidrig,

(Karsten Hilse [AfD]: Das entscheidet das Verfassungsgericht und nicht Sie!)

er trieft vor Rassismus, er ist eine Schande für das Hohe Haus und beweist erneut: Sie gehören hier nicht hin.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Abgeordnete Friedrich Straetmanns für die Fraktion Die Linke.

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Electoral Period 19
Session 59
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