19.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 59 / Tagesordnungspunkt 32

Bernd RützelSPD - Streikrecht bei Ryanair durchsetzen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich glaube, die Beurteilung der Rede meines Vorredners und dieser Aussagen können am allerbesten die in den Unternehmen beurteilen, die streiken und sich die ganze Zeit bemühen, einen Tarifvertrag zu bekommen. Sie wissen das am allerbesten, und sie bilden sich am intensivsten ein Urteil darüber. Ich habe mir auch diesbezüglich ein Urteil gebildet.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, eine Flugbegleiterin hat es auf den Punkt gebracht. Sie hat gesagt: Wenn ihr glaubt, ihr könnt für 20 Euro irgendwohin fliegen, dann nur deshalb, weil wir für euch die Zeche bezahlen. – Weil man beim Flugzeug nicht einen Flügel weglassen und am Material sparen kann, weil das Ding dann nicht mehr fliegt, wird bei den Menschen gespart. Dieser Wettbewerb, dieses Dumping nach unten, geht wirklich auf die Knochen, und das lassen sich die Menschen auch nicht mehr länger bieten.

Ich bin froh, dass wir viele Streikpaten haben, dass wir Streikpaten der ersten Stunde wie Cansel Kiziltepe, Andreas Rimkus oder Arno Klare dabei haben. Auf diese Leute bin ich stolz.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])

Ich bin aber auch stolz auf unseren Arbeitsminister Hubertus Heil, der nicht nur hier an diesem Pult vor drei Wochen Folgendes deutlich gemacht hat:

Wer Globalisierung zur Ausbeutung missbraucht, wie das bei Ryanair der Fall ist, muss unseren entschiedenen Widerstand erfahren.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nicht nur eine Ankündigung, das sind nicht nur Aussagen, sondern er handelt auch. Heute früh – dafür bin ich dir dankbar, lieber Pascal Meiser – war unser Arbeitsminister zusammen mit Frank Bsirske von Verdi in Frankfurt bei den Beschäftigten. Er kam auch nicht mit leeren Händen; er hatte etwas im Gepäck dabei. Denn der Punkt ist, dass das Flugpersonal vom Betriebsverfassungsgesetz eben nicht so geschützt ist wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Land, die Tarifverhandlungen führen und sich eine Personalvertretung geben können. Aber für diejenigen, für die es keine Tarifverträge gibt, müssen wir etwas tun. Das ist notwendig, das ist endlich angesagt, und es ist auch fair.

Ganz speziell wollen wir – jetzt müssen wir in die Details gehen – den § 117 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht abschaffen, aber wir müssen ihn ergänzen. Wir müssen einen Satz hinzufügen, der heißt:

Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn keine Vertretung durch Tarifvertrag nach Absatz 2 errichtet ist.

Mehr ist es nicht; aber das hilft, dass sie ihr eigenes Leben und Schicksal selbst in die Hand nehmen und ihre eigene Stärke zur Geltung bringen können. Wir werden das einbringen. So, wie ich die jetzige Rede von Wilfried Oellers gehört habe, glaube ich auch und bin sehr zuversichtlich, dass wir dies auf den Weg bringen; denn damit helfen wir den Menschen, aber wir helfen uns letztendlich auch selber, die wir immer wieder gern ins Flugzeug steigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland ist ein sehr attraktiver Standort für Produktion, für Dienstleistungen, für Handel. Das liegt daran, dass wir gute Infrastrukturen haben, dass wir eine sehr gute Gesundheitsversorgung haben, dass wir gute Fachkräfte haben, weil sie eben gut und vernünftig ausgebildet wurden, und es liegt an der Verlässlichkeit.

Die Gewerkschaften und die Arbeitgeber gehen zwar oft hart miteinander um; aber sie gehen immer fair miteinander um. Diese Tarifvertragsparteien wissen, welches die besten Lösungen für die Beschäftigten sind, und sie finden auch immer die sinnvollsten Lösungen. Damit sind sie und damit ist Deutschland sehr erfolgreich.

(Beifall bei der SPD)

Den mitbestimmten Unternehmen – das ist nachlesbar und nachweisbar – geht es wirtschaftlich besser; vor allen Dingen geht es aber in mitbestimmten Unternehmen den Menschen, die dort beschäftigt sind, besser.

Das ist eben bei Ryanair nicht der Fall. Deren Chef O’Leary – es wurde schon gesagt – sagt Verhandlungstermine ab, er kommt gar nicht dahin, wenn eingeladen wird. Sie kommen gar nicht zusammen, um zu diskutieren. Ich verstehe die Vehemenz nicht, mit der sich Ryanair gegen Mitbestimmung stemmt, die Vehemenz, die Ryanair gegen Tarifverträge aufbringt, die Vehemenz, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern. Wenn sie so bockig sind, dann müssen wir handeln, und das werden wir tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein Freund von mir ist Pilot. Was er mir erzählt hat, ist erschreckend. Bis vor kurzem musste das Begleitpersonal die interne Ausbildung selber bezahlen. Die Löhne sind in Ordnung, aber nur, wenn sie fliegen. Die Vorbereitungszeit am Boden und anderes werden gar nicht bezahlt. Das Ganze läuft über irische Arbeitsverträge, über eine Leiharbeitsfirma. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall? Nein. Das kann man dann alles später noch einfordern; aber erst einmal gibt es keinen Lohn, wenn man krank ist. Das sind Zustände, die wir nicht wollen und die wir nicht brauchen.

Die Frage ist eben auch: Was wollen wir, wenn wir unterwegs sind, wenn wir fliegen? Wollen wir dann nicht Kabinenpersonal und Piloten haben, die sich keine Gedanken um ihre Rechte machen müssen, sondern wissen, dass sie die nötige Zeit und Sicherheit haben, um faire Arbeitsbedingungen mitgestalten zu können? Wollen wir nicht, dass sie gut ausgebildet sind, dass sie motiviert sind, sodass sie auch gute Arbeit leisten können? So ist das in Deutschland.

Wenn der Ryanair-Chef eben 1,5 Milliarden Euro Gewinn auf Kosten der Beschäftigten machen will, dann sind wir wieder bei der Flugbegleiterin, die gesagt hat: Wenn ihr glaubt, ihr könnt für 20 Euro irgendwohin fliegen, dann nur deshalb, weil wir für euch die Zeche bezahlen. – Diese Zeche dürfen die Beschäftigten nicht länger bezahlen müssen. Das machen sie auch nicht; sie haben nämlich ihr Schicksal in die eigene Hand genommen.

Ich bin froh, dass wir von der ersten Stunde an bei Verdi Paten haben, und ich bin froh, dass Hubertus Heil heute früh in Frankfurt war, dass er dies, was ich vorgetragen habe, eingebracht hat, sodass wir es demnächst hoffentlich erfolgreich zusammen umsetzen. Es ist höchste Zeit dafür, und es gibt keinen Grund, das nicht zu machen – für die Menschen, die da oben auf der Tribüne sitzen, und für deren Kollegen. Dafür sollten und müssen wir das tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Vielen Dank, Bernd Rützel. – Nächster Redner: Carl-Julius Cronenberg für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7283015
Wahlperiode 19
Sitzung 59
Tagesordnungspunkt Streikrecht bei Ryanair durchsetzen
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