Michael GerdesSPD - Streikrecht bei Ryanair durchsetzen
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber auch liebe Kolleginnen und Kollegen von Ryanair oben auf der Tribüne!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte jetzt nicht auf den Beitrag der AfD eingehen; denn er spricht eigentlich für sich. Ich habe verstanden, dass Sie im Grunde genommen irisches Streikrecht bzw. Arbeitsrecht nach Deutschland importieren wollen. Das werden wir nicht mitmachen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Luftverkehrsbranche kämpft nicht nur in Deutschland mit den verschiedensten Problemen. Marode bzw. zu kleine Flughäfen oder auch Flughäfen, die nicht fertigwerden
(Bernd Rützel [SPD]: Das gibt es doch gar nicht!)
– doch, die gibt es leider, Herr Rützel –, Engpässe im Luftraum und lange Wartezeiten bei den Passagierkontrollen, fehlendes Flugpersonal, Maschinen ohne Ersatzteile und schwankende Kerosinpreise – all das sind handfeste unternehmerische Herausforderungen, die Kostendruck erzeugen. Der Wettbewerb der Fluggesellschaften ist groß. Dass dieser Druck auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgewälzt wird und in schlechten Arbeitsbedingungen mündet, ist dennoch vollkommen inakzeptabel.
(Beifall bei der SPD)
Warum müssen Mitarbeiter angesichts von 1,5 Milliarden Euro Gewinn über schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne klagen? Die Berichte von Piloten und Flugbegleitern bringen uns ins Grübeln. Es geht um schlechte Löhne, fragwürdige Leiharbeitsverträge, Dauerbefristungen, Verträge ohne Mindeststundenzahl, Versetzungen und Verweigerung von deutschen Arbeitnehmerrechten. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich absolutes Verständnis für die Streiks der vergangenen Monate.
(Beifall bei der SPD – Bernd Rützel [SPD]: Jawohl, ich auch!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat Ende September mit seinem Besuch bei den Streikenden am Flughafen Schönefeld ein deutliches Zeichen gesetzt. Warnstreiks sind ein Grundrecht, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht verweigert werden darf, auch nicht von Ryanair. Auch die Absage Ryanairs an eine Personalvertretung verletzt die Grundregeln.
Hier schauen wir nicht tatenlos zu, ohne Wenn und Aber. Minister Heil führt Gespräche mit Verdi und Beschäftigten von Ryanair. Das Ziel ist nicht, Herr Oellers, die komplette Abschaffung des § 117 des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern die Durchsetzung von Betriebsräten. Der SPD-Minister stärkt die Mitbestimmung mit der Forderung nach einer Betriebsratsgarantie, und das ist gut so.
(Beifall bei der SPD)
Das ist keine Lex Ryanair. Das Einfordern von Arbeitnehmerinteressen ist Teil unserer sozialen Marktwirtschaft, und dabei muss es auch in Zeiten der Globalisierung bleiben. Löhne und Arbeitsbedingungen sollten nicht einseitig festgelegt, sondern zwischen den Tarifparteien fair ausgehandelt werden. Als SPD glauben wir fest an die Sozialpartnerschaft. Wir stehen für gute Arbeit am Boden und in der Luft.
(Beifall bei der SPD)
Wer Beschäftigte schlecht bezahlt, Ruhezeiten missachtet oder nicht ausreichend qualifiziert, muss mit unserer Gegenwehr rechnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie es der Zufall so will – wir haben es schon gehört –, haben wir in dieser Woche den 100. Geburtstag der Sozialpartnerschaft gefeiert. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass es diese Partnerschaft an manchen Stellen gar nicht gibt, und das ist bitter. Mitbestimmung schadet nicht; sie hat Deutschland stark gemacht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bernd Rützel [SPD]: Genau so ist es!)
Wie einige von Ihnen wissen, komme ich aus dem Steinkohlenbergbau. Die Sozialpartnerschaft stand bei uns immer an erster Stelle; denn Mitbestimmung heißt immer auch Mitverantwortung, Mitverantwortung für das Benennen von Problemen, für die Suche nach Lösungen, für die Umsetzung neuer Geschäftsideen oder die Einführung neuer Prozesse. Sozialpartnerschaft heißt also Geben und Nehmen, und miteinander lassen sich dann auch Krisen bewältigen. Das sind Grundsätze, die man bei Ryanair anscheinend noch lernen muss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Luftverkehr gilt das Prinzip der Heimatbasis, und ich bin froh, dass sich die Beschäftigten von Ryanair europaweit organisieren und in verschiedenen Ländern streiken; denn in der Einheit liegt der Schlüssel. Es muss klar sein, dass das Verlegen einer Heimatbasis keinen Zweck hat. Bestimmte Sozialstandards dürfen nicht unterwandert werden und sollten überall in Europa gelten. Das ist gelebte Solidarität.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Flugbranche und die dazugehörigen Arbeitsstandards werden bei der Europäischen Agentur für Flugsicherheit bereits diskutiert. Sie nimmt sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse, die häufig prekäre sind, unter die Lupe. Das ist ein richtiger Schritt, dem rechtliche Maßnahmen und europaweite Sozialstandards folgen müssen.
Die Ankündigung der Firma Ryanair, den Standort Bremen zu verlassen, gleicht der Steuervermeidungstaktik mancher global agierender Unternehmen, nach dem Motto: Wir verlegen unseren Unternehmenssitz dorthin, wo die Steuern besonders niedrig sind und keine Mitbestimmung droht. – So ist kein Staat zu machen; ein solches Geschäftsgebaren stiftet soziale Unruhe und vergrößert soziale Ungleichheiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere an Ryanair, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen. Andernfalls heißt die Quintessenz: Wer mit Ryanair fliegt, fliegt billig, aber nicht preiswert; er fliegt auf Kosten der Beschäftigten.
Zeigen wir uns solidarisch mit der Forderung der Gewerkschaft Verdi, die bei Ryanair aktiv ist. Schluss mit Dumping im Luftverkehr!
Wir werden den Antrag der Linken in unseren Beratungen positiv bewerten und entsprechend einarbeiten. Im Moment geht er uns nicht weit genug. Ich denke, da ist noch gemeinsam Luft nach oben.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Herzlichen Dank und Glück auf – auch für Sie von Ryanair!
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Michael Gerdes. – Nächster Redner: Dr. Marcel Klinge für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7283024 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 59 |
Tagesordnungspunkt | Streikrecht bei Ryanair durchsetzen |