19.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 59 / Tagesordnungspunkt 30

Judith SkudelnyFDP - Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid

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Meine Damen und Herren! Wenn wir von Fahrverboten reden, gehen wir immer davon aus, dass diese Fahrverbote dazu führen, dass die Luft in Deutschland besser und die Gesundheit der Menschen geschont wird. Wenn wir aber nach Hamburg schauen und sehen, was dort tatsächlich passiert, wenn wir nach Stuttgart schauen und hören, was dort debattiert wird, dann lässt sich sagen, dass Fahrverbote nicht dazu führen, dass Emissionen vermindert werden und die Luft besser wird. Tatsächlich wollen die Leute nämlich weiter mobil sein, sind auf ihr Auto angewiesen, und weichen einfach nur von den Hauptstraßen auf die Nebenstraßen aus, von den Hauptstädten auf die Dörfer. Damit werden Emissionen nicht verringert, sondern einfach verschoben.

(Beifall bei der FDP)

Weil wir sehen, dass die Wirkung nicht nur positiv ist, sondern es auch negative Aspekte gibt, sollten wir ganz vorsichtig sein, was die Grundlage angeht, auf welcher solche Entscheidungen basieren. Schauen wir uns doch einfach mal die Messstationen an! Nordrhein-Westfalen ist eines der Länder, die überprüft haben, wie eigentlich unsere Messstellen funktionieren. Dabei wurde festgestellt, dass von acht Messstellen vier falsch messen. In der Richtlinie ist festgelegt, dass die Umgebungsluft gemessen wird. In Stuttgart wird an einer Ampelanlage der an- und abfahrende Verkehr gemessen. Aber schon auf der Straßenseite gegenüber lassen sich diese Werte nicht verifizieren. In Oldenburg – ein ganz besonderes Schmankerl – werden die NO x -Grenzwerte auch dann überschritten, wenn die Straße gesperrt ist und dort kein einziges Auto fährt. Da fragt man sich doch: Ist es sinnhaft, eine Maßnahme wie ein Fahrverbot einzuführen, wenn falsch gemessen wird oder das Ganze nichts bringt? Darüber sollten sich die Bundesregierung und die Länder noch einmal Gedanken machen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Die Frage ist hier: Ist es denn wirklich sachliche Politik oder ist es Ideologie, was wir hier betreiben? Heute hat die Verkehrsministerkonferenz getagt. Zufälligerweise haben sich das grün geführte Baden-Württemberg und das rot-rot-grüne Berlin dagegen ausgesprochen, überhaupt nur die technischen Anlagen zu überprüfen. Das ist etwas, was man den Menschen nicht verkaufen kann. Die Messungen müssen richtig gemacht werden,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und zwar bundesweit einheitlich und unter Ausschöpfung der möglichen Toleranzen. Die Fahrverbote führen nicht zu sauberer Luft; sie führen zur Verlagerung. Deswegen sollten wir sie vermeiden, wo es geht, und Toleranzen ausnutzen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU] – Kirsten Lühmann [SPD]: Richtig! – Ulli Nissen [SPD]: Deshalb nachrüsten!)

Wir sollten – das wurde im Umweltausschuss gesagt – die wissenschaftliche Basis noch einmal evaluieren und fragen: Wo genau liegen eigentlich die Grenzwerte, die wir einhalten können und die wir im Sinne der Nachhaltigkeit einhalten wollen? Auch das ist ein Ziel, das wir gemeinsam in Deutschland verfolgen sollten.

(Beifall bei der FDP)

Letztlich sollten wir uns auf europäischer Ebene verstärkt für ein Moratorium einsetzen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit es in zehn Jahren einen Messwert gibt? Das ist völlig krank!)

Es ist tatsächlich so, dass die Bundesregierung etwas spät in die Pötte gekommen ist. Das „Sofortprogramm Saubere Luft“ kam erst Ende letzten Jahres. Die Maßnahmen zur Digitalisierung, zum öffentlichen Nahverkehr sind jetzt erst langsam in Gang gekommen. Unsere Industrie hat ein bisschen geschlafen.

(Ulli Nissen [SPD]: Ein bisschen?)

Aber jetzt steht sie Gewehr bei Fuß, und die Bundesregierung führt ja die Verhandlungen,

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wachen Sie auf!)

sodass zu erwarten ist, dass es hier auch bessere Motoren, bessere Antriebe gibt. Das müssen wir mit einer Mobilitätsgarantie gewährleisten. Damit wir das alles in der zur Verfügung stehenden Zeit schaffen, brauchen wir ein Moratorium. Wir bitten die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dann bitte ich inständig, dass sich das Umwelt- und das Verkehrsministerium nicht miteinander beschäftigen, sondern gemeinsam für die Sache einsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Die Verhinderung von Fahrverboten ist schließlich kein Selbstzweck. Vielmehr wollen wir Fahrverbote verhindern, damit wir am Ende zu besseren Luftwerten in ganz Deutschland kommen. Wir wollen nicht den Dieselgegnern helfen. Wir wollen den Menschen und der Umwelt in Deutschland helfen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner: Carsten Müller für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7283057
Wahlperiode 19
Sitzung 59
Tagesordnungspunkt Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid
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