Oliver GrundmannCDU/CSU - Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zwei Punkte, bei denen ich den Unmut unserer Antragsteller sogar ein Stück weit nachvollziehen kann. Die Frage, ob und wie man diese Grenzwerte bewertet, ist eine wissenschaftliche und eine politische Diskussion, aber keine ideologische. Ob es Sinn macht, daran herumzuschrauben, und ob es überhaupt realpolitisch umsetzbar ist, darüber kann man streiten.
Dazu herrschen hier im Hause unterschiedliche Meinungen. Vorhin haben wir unterschiedliche Ausführungen, wie die von Herrn Bernhard, gehört. Aber was uns in dieser Diskussion überhaupt nicht hilft, Herr Staatssekretär Pronold und Frau Dr. Hoffmann, sind – das habe ich an dieser Stelle schon mehrfach gesagt – fragwürdige Studien mit Tausenden Dieseltoten, die sich bei genauerem Hinsehen als Karteileichen entlarven.
(Beifall bei der AfD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU ist vielleicht eine Karteileiche!)
Das kann und darf uns nicht als Entscheidungsgrundlage dienen.
Was uns ebenso wenig hilft, sind die neuen Fahrverbot-Happenings wie in Hamburg: Hauptsache eine Straße sperren, egal wie lang und weit der Umweg ist – auf Kosten der Hafenarbeiter und der Krankenschwestern, die als Pendler zum Beispiel aus meinem Landkreis Stade nicht mehr auf direktem Wege zu ihren Arbeitsplätzen in die Hansestadt Hamburg fahren können,.
(Beifall bei der AfD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Hauptsache, die Gegner jubeln. Das sind ideologische Belehrungsmaßnahmen. Das ist Aktionismus und Eigen-PR, und das hilft überhaupt niemandem. Das wissen Sie auch.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerichtsentscheidung! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verhöhnen ja das Gericht!)
Jetzt zur Überprüfung der Grenzwerte. Wir haben im Ausschuss schon ausgiebig darüber diskutiert. Es sind im Wesentlichen drei Gründe, die dagegensprechen. Ja, ich weiß, Sie wollen keine neuen Grenzwerte, sondern eine wissenschaftliche Überprüfung, die am Ende zu neuen Grenzwerten führt. Aber das ist im Ergebnis dasselbe, und es hilft uns auch nicht weiter.
Erstens. Es handelt sich um einen EU-Wert, also um eine Festlegung auf der Ebene der Europäischen Union. Wenn Sie ernsthaft eine Überprüfung der 40‑Mikrogramm-Grenzwerte veranlassen wollen, dann ist das dafür zuständige Gremium auf der EU-Ebene zu suchen, aber nicht im Deutschen Bundestag. Es macht schon aus formalen Gründen überhaupt keinen Sinn, das jetzt in Deutschland zu machen. Ich glaube nicht, dass ausgerechnet wir Deutschen jetzt die größte Unterstützung auf EU-Ebene erfahren werden.
(Zuruf von der AfD: Warum? Wir zahlen doch dafür!)
Zweitens. Das Signal an die Bürger, das deutsche Volk, als dessen Vertreter wir ja gewählt sind, ist einfach nur fatal, nach dem Motto: Wir haben es nicht hingekriegt mit den Grenzwerten? Macht nichts: Grenzwerte runter, Tausende Diesel unter Wert verkauft oder verschrottet! Uns egal, das ist euer Problem da draußen.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ja, genau!)
Damit machen wir uns unglaubwürdig. Erst beschließen wir Grenzwerte, und jetzt, wo die Probleme mit der Umsetzung relevant werden, halten wir uns nicht mehr daran. Das geht so nicht.
Drittens. Das Signal an die Automobilindustrie: Einige haben gelogen und betrogen, was das Zeug hält? Macht nichts! Die Politik boxt euch da schon raus. – Ich kann nur sagen: Nein, diesmal nicht!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich habe immer betont, dass Autofahrer und Händler nicht für einzelne Betrügereien von Autoherstellern blechen dürfen und auch nicht blechen werden. Das ist unsere Haltung in der Union.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Luksic [FDP]: Das ist doch genau der Fall!)
Deshalb gilt jetzt: Dranbleiben und Nachverhandeln.
Der gefundene Kompromiss war ein erster Schritt, die Dieselproblematik endlich zu lösen – nicht mehr und nicht weniger. Wenn jetzt alle Seiten weiterhin überzogene Forderungen stellen und keinen Zentimeter aufeinander zugehen, dann passiert im Grunde gar nichts, jedenfalls nicht in die richtige Richtung. Dann bekommen wir nämlich Fahrverbote, und das in einer Form und Güte, wie das keiner im Parlament wünschen möge.
Die letzten Tage und auch die letzten Stunden bin ich noch einmal mit dem VW-Cheflobbyisten sehr klar, deutlich und konsequent ins Gericht gegangen.
(Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!)
VW hat sich heute endlich bewegt. Sie haben heute eine Pressemitteilung herausgegeben, und das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Aber ich sage an die Vorstände und leitenden Mitarbeiter von Volkswagen und auch an andere Unternehmen gerichtet, die Fehler gemacht haben: Wir werden das ganz genau im Blick behalten, und wenn es dort draußen Härtefälle gibt, dann werden wir das Ihnen, Herr Diess – das rufe ich Ihnen zu –, in den kommenden Tagen und Wochen zur Einzelfallprüfung auf den Tisch legen. Ich will eines klar sagen: Der Versuch, jetzt die Verantwortung auf die Händler abzuwälzen, etwa in der Frage von Gewährleistungsansprüchen bei den Nachrüstungen, wie es einige versuchen, ist unanständig. Auch das lehnen wir ganz entschieden ab.
Ein allerletzter Punkt: Dass die Messstellen gemäß den europäischen Vorgaben überprüft werden müssen, liegt auf der Hand, dass wir einheitliche standardisierte Messverfahren brauchen, ebenso. Darum kümmern wir uns, keine Frage. Aber diese Grenzwertdiskussion hilft im Moment nicht weiter. Wenn wir jetzt die Grenzwerte angehen – das ist mein letzter Satz –, dann lehnen sich die Autobosse in ihren schweren Alcantara-Sesseln zurück, und rein gar nichts verändert sich zum Besseren. Diesmal nicht! Nicht mit uns, nicht mit der Union. Wer guten Wein will, der darf den Gärungsprozess nicht verhindern.
Herr Kollege Grundmann, –
In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
– ein Satz ist immer noch ein Satz.
Vielen Dank, Herr Schäuble.
Bitte sehr. – Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Ulli Nissen, SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7283067 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 59 |
Tagesordnungspunkt | Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid |