Fabio Valeriano Lanfranco De MasiDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht heute erneut um Cum/Ex- und Cum/Cum-Abzocke. Der Finanzwissenschaftler Christoph Spengel nennt es den größten Steuerraub der Geschichte. Es ist ein Krimi über eine Finanzmafia und das Versagen deutscher Finanzminister.
Bei Cum/Ex haben sich Anleger durch Verschieben von Wertpapieren, die sie gar nicht besaßen, Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten lassen, die sie nur einmal bezahlt hatten.
Cum/Cum bezeichnet Geschäfte, bei denen deutsche Banken sich bei Dividendenausschüttungen Wertpapiere im Ausland liehen, um Kapitalertragsteuer von anderen Steuern abzuziehen und dann mit dem Geschäftspartner die fette Beute zu teilen.
In Europa sind bis zu 55 Milliarden Euro so ergaunert worden, womöglich auch, weil die Bundesregierung zu spät warnte. Aber Sie fordern, Löhne, Renten und öffentliche Investitionen in Europa zu kürzen und öffentliches Eigentum zu privatisieren. So macht man Europa kaputt.
(Beifall bei der LINKEN)
Deutschland ist ein Schaden von bis zu 31,8 Milliarden Euro entstanden.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Wie ist das berechnet?)
Wir haben in Deutschland 30 000 Schulen. Für dieses Geld könnten wir in jede Schule 1 Million Euro investieren. Während Lehrer und Eltern tagtäglich versuchen, unseren Kindern beizubringen, was falsch und was richtig ist, stopfen sich Bankster die Taschen voll.
Seit 2002 waren die Bundesregierungen über Cum/Ex informiert. Erst zehn Jahre später wurde das Cum/Ex-Schlupfloch gestopft. Zuvor ließ man die Bankenlobby an Gesetzen rumschrauben. Man machte die Brandstifter zur Feuerwehr. Die Finanzminister hießen seit 2002 Hans Eichel und Peer Steinbrück, SPD, sowie Wolfgang Schäuble, CDU.
Aber Butter bei die Fische: Wieso musste Hamburg unter dem jetzigen Bundesfinanzminister und damaligen Bürgermeister der Stadt Hamburg Olaf Scholz erst durch Wolfgang Schäuble per Anweisung gezwungen werden, eine Cum/Ex-Steuerforderung über 55 Millionen Euro gegen die Warburg-Bank einzutreiben, weil sie sonst verjährt wäre? Mittlerweile geht es um 330 Millionen Euro. Ehrbarer Kaufmann geht anders!
(Beifall bei der LINKEN)
Warum wurde seitens der Bundesregierung erst 2015 über die OECD vor Cum/Ex-Gestaltungen gewarnt? Seit 2012 hatten die Staatsanwaltschaft Frankfurt und die Bundesregierung Erkenntnisse über die Nutzung von Cum/Ex in Dänemark. Eine Warnung hätte zumindest über die justizielle Amtshilfe erfolgen sollen. Gleichwohl waren auch Dinge faul im Staate Dänemark, wo offenbar eine einzige Person bei der Finanzbehörde zuständig war und für krumme Deals angeheuert wurde. Das alles gilt es aufzuklären.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt intime Beziehungen zwischen Politik und Cum/Ex-Industrie. Wolfgang Kubicki von der FDP, der als Jamaika-Finanzminister gehandelt wurde,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aha!)
ist Rechtsanwalt des Cum/Ex-Erfinders Hanno Berger. In einem Rechtsstaat steht ihm das zu. Er steht immerhin dazu; das hat ja noch gewisses Format.
Meine deutsche Großmutter ist CDU-Wählerin. In jeder Familie gibt es ja ein schwarzes Schaf.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der FDP: Das ist gut!)
Sie ist eine liebenswerte Frau, aber bei Gaunereien platzt ihr immer der Kragen.
Herr Merz, Bewerber um den CDU-Vorsitz, ist seit 2016 Aufsichtsratschef von BlackRock Deutschland. Bei BlackRock wurde jetzt wegen Cum/Ex-Deals – vor seiner Zeit – eine Razzia durchgeführt. Es wird auch nicht gegen Herrn Merz ermittelt.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Dann braucht man das hier auch nicht erwähnen!)
– Doch. – Bisher behauptete BlackRock jedoch, nichts mit Cum/Ex am Hut zu haben. Ein Aufsichtsrat ist aber verpflichtet, den Vorstand zu überwachen. Entweder hat Herr Merz von Cum/Ex bei BlackRock bis gestern nichts gewusst, oder er hätte bereits vor der Razzia tätig werden müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde, Herr Merz sollte das auch meiner CDU-Oma erklären und sich von der Verschwiegenheit entbinden lassen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Londoner Trader scherzen darüber, dass Cum/Ex und Cum/Cum in Deutschland weiter möglich seien. Das müssen wir ernst nehmen. Die BaFin sollte daher auffällige Handelsvolumen durchleuchten, und Steuerbehörden müssen Erstattungen von Kapitalertragsteuern systematisch analysieren. Das geht nur mit mehr Personal.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen auch ein europäisches Finanz-FBI. Gangster in Nadelstreifen gehören hinter schwedische Gardinen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte zum Schluss ausnahmsweise Margaret Thatcher zitieren: „We want our money back“.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr De Masi. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Fritz Güntzler.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7288860 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 60 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen |