07.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 60 / Zusatzpunkt 1

Lothar BindingSPD - Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen

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Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Es gibt nichts Neues“, das möchte ich zitieren; denn es gibt wirklich nichts Neues. Fast alle von uns waren ja heute im Finanzausschuss, und da habe ich den Satz „Wir haben uns nichts vorzuwerfen“ nicht gehört. Im Gegenteil: Christine Lambrecht hat minutiös dargestellt, was bisher passierte, in welchen Zeitabständen es passierte, und sie sagte, dass nicht alles schnell genug ging. Sie äußerte eine gehörige Portion Selbstkritik. Es war eine ordentlich dargestellte Verfahrensbeschreibung. Insofern habe ich an der Stelle nichts zu kritisieren.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Zu Fabio De Masi. Wir waren alle zusammen in dem Ausschuss, und da ging es um Dänemark. Ich will das jetzt nicht vorführen; aber da wurde schon dargestellt, wann sich Dänemark an Deutschland gewandt hat, in welchem Monat welche Informationen gegeben wurden, mit welchem Effekt und welcher Zielsetzung. Ich glaube, wenn man das unterdrückt, dann wird die Sache nicht seriös. Im Grunde würden wir auch die Schuld auf die lenken, die sie nicht haben, und von denen weg, die für die Kriminalität wirklich ursächlich zuständig sind. Das zu verhindern, ist doch unsere eigentliche Aufgabe.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir hören ja ständig, dass wir zu viel Regulierung, eine Überbürokratisierung haben. Hier haben wir ein Beispiel, an dem wir erkennen, dass wir eigentlich an vielen Stellen für viele Leute viel zu wenig Regulierung haben. Denn wenn sich nicht mehr von selbst versteht, was sich von selbst verstehen sollte – das ist schon ein paarmal ausgeführt worden –, dass nämlich, wenn eine Aktie vermeintlich zwei Leuten gehört und zwei Leute daraus einen Rechtsanspruch auf Rückerstattung einer Steuer, die sie nicht bezahlt haben, ableiten, dann braucht man doch eigentlich überhaupt kein Gesetz. Es ist doch eine völlig normale Angelegenheit, dass es nicht geht, dass eine einmal bezahlte Steuer zweimal erstattet wird oder gar zurückerstattet wird. Insofern ist klar: Das ist eine kriminelle Handlung, und der müssen wir nachgehen.

Weil sich nichts von selbst versteht, müssen wir immer so viel regulieren. Das sage ich denen, die immer sagen: Ihr reguliert zu viel. – Nein, wir regulieren zu wenig, weil eben scheinbar alles erlaubt ist, was nicht verboten ist.

(Beifall bei der SPD)

Das ist aber nicht so nach unserem moralischen Verständnis.

Neulich hat mich ein Steuerberater angesprochen und gesagt, ich hätte die Steuerberater pauschal kritisiert. Ich habe gesagt: Nein, ich habe die Steuerberater nicht pauschal kritisiert, nur die Gauner, nur die Gestalter, nur die, die sich beteiligt haben. Die ehrlichen – euch beide – meine ich natürlich nicht. Das ist doch völlig klar.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die ehrlichen sind nicht gemeint.

Wir wissen aus dem Untersuchungsausschuss, dass Banken, Rechtsberater, Steuerberater, Investoren, sogar die Wissenschaft und gelegentlich sogar die Rechtsprechung mit daran beteiligt waren, Cum/Ex-Geschäfte indirekt oder direkt zu ermöglichen. Nun können solche kriminellen Vorgänge durch Skandalisierung an die Oberfläche kommen. Wir können uns auch bei den Whistleblowern bedanken; ohne sie wüssten wir viele Sachen überhaupt nicht. Wir können uns auch bei Journalistennetzwerken bedanken.

Was mich an der heutigen Veranstaltung stört, ist, dass wir sie schon so oft durchgeführt haben. Ich glaube, dass Dauerskandalisierung gar nicht hilft. Ich schimpfe nicht auf die Medien. Einige Medien haben die Dinge wunderbar dargestellt – in endlos langen Aufsätzen. Aber sie haben eigentlich nur Vermutungen, Verdachtsmomente, unklare Dinge geäußert. Ich glaube, dass uns das auf den falschen Weg führt. Auch die heute genannten Zahlen wurden nicht belegt. Ich glaube, man soll die Zahlen nennen, die man kennt. Andernfalls muss man sagen: Das sind grobe Schätzungen; eventuell mal sehen. – Aber daraus können wir keine Politik ableiten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unserer Meinung nach – auch das ist heute von Christine Lambrecht dargestellt worden – ist der Cum/Ex-Fall seit 2012 in Deutschland ausgemerzt.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: „Ausgemerzt“, das passt doch!)

Wenn jetzt jemand sagt, Cum/Ex-Fälle seien immer noch möglich, dann, finde ich, soll er Ross und Reiter nennen,

(Beifall der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU])

dann gehen wir der Sache sofort nach. Wer Ross und Reiter nicht nennt, was wollen wir mit dem anfangen? Dann bleibt es eben ein Verdacht, dem wir aber noch nicht mal nachgehen können.

Das geht natürlich darauf zurück, dass das Verfahren der Steuerbescheiderstellung und der Erstattung der Steuern – eine riesengroße Umstellung – in eine Hand gelegt wurde. Seitdem das der Fall ist, ist Cum/Ex unserer Meinung nach nicht mehr möglich. Das haben wir mit den Mindesthaltezeiten von 45 Tagen vor und nach dem Stichtag ja noch flankiert. Nach unserer Meinung dürfte Cum/Ex nicht mehr möglich sein. Ist es anders, können Sie es zeigen! Das kann nachher Gerhard Schick tun. Er ist ja Spezialist auf diesem Gebiet – also, ich meine: nicht in Cum/Ex-Gestaltung, sondern in der Beschreibung dessen. Zumindest könnte er nachher sagen, wer in welchem Fall gemeint ist und wem wir nachgehen sollen. Das machen wir gern.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])

2002 gab es einen Brief vom Bankenverband – das stimmt –; aber natürlich war er sehr vage, nebulös formuliert. Keiner, der den Brief mal gesehen hat, wird daraus sofort etwas wie Cum/Ex ableiten. Übrigens, wenn wir schon alle Finanzminister der SPD und der CDU nennen: Ich habe hier schon mal gestanden, und dann fiel mir etwas ein: Zu der Zeit, als dieser Brief einging, wer war da eigentlich Vorsitzender vom Finanzausschuss? Die Grünen wissen das: Es war Christine Scheel. Wir haben also aus allen Parteien Leute dabei, die etwas hätten wissen können und sich hätten kümmern müssen.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein, nein! Nicht wir!)

Seit 2009 gibt es ein BMF-Schreiben, das für ziemlich viel Aufregung gesorgt hat.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Sofort. Ich will nur noch einen letzten Satz sagen. – Der Hintergrund war eben – das betrifft auch den Bundesfinanzhof –, dass es ein ganz merkwürdiges Urteil zum Dividenden-Stripping gegeben hat. Das besagte, dass der Käufer einer Aktie schon mit Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrags wirtschaftlicher Eigentümer wird. Das heißt, wenn ich jemandem eine Aktie verkaufe, die ich gar nicht habe, dann gehört sie ihm schon. Obwohl er die Aktie erst sehr viel später in der Hand hat, hat er zuvor schon einen Rechtsanspruch auf Steuererstattung. Diesen Widerspruch müssen wir auflösen.

Schönen Dank, alles Gute! Ich glaube, es gibt nichts Neues.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als Nächstes für die FDP-Fraktion der Kollege Markus Herbrand.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289031
Wahlperiode 19
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen
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