07.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 60 / Zusatzpunkt 1

Markus HerbrandFDP - Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Binding, ich hoffe sehr, dass Sie nicht der Auffassung sind, dass alle Steuerberater im Saal, die Sie nicht ausdrücklich ausgenommen haben, Halunken sind.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Er ist auch Steuerberater!)

Sie haben nur zwei Kollegen ausgenommen, aber es gibt noch andere im Saal.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich habe eine Erklärung gemacht! Das gilt jetzt!)

– Okay.

Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist etwas für Feinschmecker des Aktien- und Steuerrechts und möglicherweise auch bald wieder des Strafrechts. Cum/Ex und Cum/Cum sind zu Synonymen geworden für die Gier Einzelner, die unser Gemeinwesen ausplündern. Wenn Sie sagen, es gebe nichts Neues, muss ich Ihnen sagen: Wenn es nichts Neues gäbe, dann würden wir keine Aktuelle Stunde zu diesem Thema machen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das glaube ich jetzt nicht! – Zuruf von der CDU/CSU: Das hält Sie doch auch nicht davon ab!)

Wenn die jüngsten Veröffentlichungen stimmen sollten – ich rede im Konjunktiv –, dann ist durch solche Geschäfte ein weitaus höherer Schaden entstanden als bislang bekannt. Das Bundesfinanzministerium geht bislang von einem Schaden in Höhe von 5,7 Milliarden Euro aus, wovon ein Teil auch wieder eingefordert werden konnte.

Die Berichterstattung gibt aber leider Anlass zu der Befürchtung, dass der Schaden weitaus größer ist. Die schwindelerregende Zahl von rund 55 Milliarden Euro steht im Raume, nicht nur für Deutschland – das ist international betrachtet. Dies alleine ist schon eine Katastrophe. Hinzu kommt der ernstzunehmende Vorwurf, dass die Bundesregierung versäumt hat, unsere europäischen Partner vor diesen uns ja bekannten Machenschaften angemessen zu warnen und damit gezielt vor Steuerausfällen in Milliardenhöhe zu bewahren. Diesen Vorwürfen muss nachgegangen werden, schließlich betont die Bundesregierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie gut der Datenaustausch mit anderen Ländern funktioniert. Das scheint hier nicht der Fall gewesen zu sein.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Schon in der letzten Legislaturperiode – der Kollege Güntzler hat darauf hingewiesen – gab es einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema. Ich habe mir die 1 000 Seiten heute im Laufe des Tages immer noch nicht durchlesen können.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Sehr empfehlenswert!)

Die Kolleginnen und Kollegen wähnten sich mit den damals vorgenommenen gesetzgeberischen Eingriffen am Ziel, diesen schmutzigen Deals ein Ende zu bereiten. Trotzdem kann die Bundesregierung bis heute nicht ausschließen, ob diese Geschäfte noch laufen oder nicht. Im Bundeszentralamt für Steuern müssen Sachverhalte noch händisch bearbeitet werden. Vor diesem Hintergrund ist das, was hier im Raume steht, nicht weniger als ein Armutszeugnis auch für den Gesetzgeber.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Steuerzahler in Deutschland hat ein Recht darauf, zu erfahren, ob wir als Gesetzgeber überhaupt noch die Kontrolle über das haben, was wir hier beschließen, oder ob die Komplexität im Steuerrecht uns allen auf die Füße fällt, weil wir selber nicht mehr durchblicken.

(Beifall bei der FDP)

Wie will ich meinem Handwerker klarmachen, dass es natürlich nicht für ihn, aber für andere Gestaltungen gibt, mit denen man eine einmal gezahlte Steuer mehrfach erstattet bekommt? Die von Abgaben geplagte Mittelschicht wartet seit Jahren zu Recht auf eine längst überfällige Entlastung und muss nun erneut erkennen, dass der Staat seine Einnahmemöglichkeiten an anderer Stelle möglicherweise nicht hinreichend wahrnimmt.

(Beifall bei der FDP)

Die ehrlichen Steuerzahler wähnen sich aus gutem Grund im falschen Märchen. Mehr noch: Die Menschen wenden sich zusehends von uns ab. Der Verlust von Vertrauen in unser politisches System hat auch mit solchen Machenschaften zu tun.

Meine Damen und Herren, wenn die Berichte stimmen, wurde der Fiskus von kriminellen Marktteilnehmern hinters Licht geführt, und er war von den Auswirkungen der eigenen Gesetze tatsächlich überfordert und nicht mehr Herr der Lage. Das ist ein Staatsversagen, aber in keinem Fall eine Rechtfertigung oder eine Entschuldigung für gesellschaftlich und moralisch verantwortungsloses Handeln.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Veröffentlichungen der letzten Tage werfen eine Fülle von Fragen auf, die nun schnellstmöglich konsequent bearbeitet und beantwortet werden müssen. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns, und das erwarten auch die Freien Demokraten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Herbrand. – Als Nächstes für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dr. Gerhard Schick.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289032
Wahlperiode 19
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen
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