Sarah RyglewskiSPD - Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich finde es nicht schlimm, dass wir heute noch einmal über das Thema Cum/Ex diskutieren, auch wenn es natürlich ein Thema ist, das uns schon länger begleitet. Denn – darauf haben schon viele hingewiesen – beim Cum/Ex-Skandal haben Banker, Anwälte, Wissenschaftler und Wirtschaftsprüfer in ausgeklügelten Netzwerken die deutschen Steuerzahler bis zum Jahre 2012 um viele Milliarden Euro betrogen.
Ich finde, ehrlich gesagt, die Debatte um die Frage, wie viele Milliarden es am Ende waren, nicht unerheblich, aber sie ist nicht das Wesen der ganzen Debatte. Der Kollege von den Linken, Herr Lutze, hat vorhin für die 31 Milliarden Euro als Vergleich den Haushalt des Saarlandes herangezogen. Ich habe mir das einmal angesehen. Schon die 5,7 Milliarden Euro, die Frau Staatssekretär Lambrecht genannt hat, sind mehr als der gesamte Etat des Bundeslandes Bremen in diesem Jahr. Ich sage Ihnen: Auch dieses Geld hätte ich in Bremen für etwas anderes eingesetzt.
(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das kann ich gut verstehen!)
– Danke schön. – Was bleibt, ist, dass die Reichsten der Reichen Gelder an sich gerissen haben, die wir für gute Schulen, Straßen und Schienen, kurz: für unser Gemeinwesen, wesentlich besser hätten investieren können.
Ja, wir haben diesen Skandal in der letzten Legislaturperiode umfassend aufgearbeitet. Den Vorwurf der Mitverantwortung deutscher Behörden, Herr Keuter, konnte der parlamentarische Untersuchungsausschuss widerlegen. Sie haben den Untersuchungsausschuss vorhin hochgelobt. Am Ende kann man sich aber nicht nur das heraussuchen, was einem gefällt,
(Stefan Keuter [AfD]: Systemversagen ist es!)
sondern muss auch die Gesamtwürdigung heranziehen.
(Beifall bei der SPD)
Damals, im Jahr 2016, als der Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnahm, war den Cum/Ex-Betrügereien in Deutschland längst ein Riegel vorgeschoben worden. Der Ausschuss hatte die Aufgabe, einen Skandal der Vergangenheit aufzuklären, aber auch – das ist wichtig – Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Im gleichen Jahr wurden mit dem Investmentsteuerreformgesetz auch Cum/Cum-Geschäfte erheblich erschwert. Trotzdem beschäftigen Cum/Ex und Cum/Cum nicht nur uns, sondern auch die Strafverfolgungsbehörden weiter. Immer neue Verstrickungen teils großer Häuser in den Skandal werden durch die Ermittlungsbehörden aufgedeckt. Erst gestern veranlasste die Staatsanwaltschaft Köln eine Untersuchung beim Vermögensverwalter BlackRock, weil er in den Cum/Ex-Skandal verwickelt sein soll.
Wir haben in Deutschland vieles getan, um Cum/Ex einen Riegel vorzuschieben. Tatsächlich sind die Cum/Ex-Geschäfte so bei uns heute nicht mehr möglich. Eine zentrale Erkenntnis des Untersuchungsausschusses bleibt – sie ist für uns ein Auftrag –: Die Kriminellen sind international hervorragend vernetzt und suchen global nach Lücken, um auf Kosten der Steuerzahler Gewinne zu machen.
Das Schließen von Lücken in Deutschland hat deshalb zur Folge, dass sich die Akteure neue Ziele suchen. Herr Kollege Gottschalk, diese Tatsache ist eigentlich ein Indiz dafür – so traurig es auch ist –, dass die Maßnahmen, die wir in Deutschland ergriffen haben, funktionieren; denn sonst müsste man sich ja nicht im Ausland umtun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Schon im Bericht des Untersuchungsausschusses wurde die europäische Dimension der Steuergestaltung erfasst und problematisiert. Natürlich müssen wir alles daransetzen, auch die europäische Dimension sinnvoll zu adressieren und hier auch nach Lösungen zu suchen; denn auch diese Form der organisierten Kriminalität ist grenzüberschreitend, und wir müssen sie grenzüberschreitend verfolgen.
(Beifall bei der SPD)
Das Steuerrecht ist in hohem Maße durch nationale Besonderheiten geprägt. Gerade das macht es durch Kriminelle verwundbar. Machen wir uns nichts vor: Es ist ein Hase-und-Igel-Spiel, und das wird es leider auch bleiben. Eine Industrie von kriminellen Anwälten, Bankern, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern sucht nach Schlupflöchern, um an das Geld der Steuerzahler zu kommen.
Herr Kollege Herbrand, es wird leider nicht das eine Instrument geben, mit dem wir allen Steuergestaltungsmodellen einen Riegel vorschieben können. Das gibt es nicht, und das wird es leider auch nicht geben. Wenn Sie eine bessere Idee haben, nennen Sie sie uns gerne – ich bin mir sicher, das Ministerium wird sie aufgreifen. Gerade weil es solch ein Instrument nicht gibt, ist es unerlässlich, dass wir die europäische und internationale Kooperation – wie beim BEPS-Projekt der OECD – intensivieren. Wir brauchen nicht nur eine bessere Kooperation der nationalen Behörden, sondern wir müssen auch auf Ebene der EU Stellen schaffen, die den Markt insgesamt überwachen und Machenschaften wie bei Cum/Ex und Cum/Cum systematisch aufspüren, analysieren und bekämpfen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ein wichtiges Instrument, das uns in diesem Zusammenhang enorm weiterhelfen wird, ist die Anzeigepflicht bei Steuergestaltungen, zu der die Kollegin Kiziltepe schon ausgeführt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so bitter es ist: Wir werden aus dem Spiel um Steuerschlupflöcher nicht aussteigen können. Aber ich sage Ihnen eins: Wenn wir schon mitspielen müssen, dann möchte ich, dass der Staat in diesem Spiel der Igel und nicht der Hase ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Wir kommen jetzt zum letzten Redner unserer heutigen Aktuellen Stunde. Das Wort hat Sepp Müller von der Fraktion der CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 19 |
Session | 60 |
Agenda Item | Aktuelle Stunde zu Cum-Ex-Gestaltungen |