Joachim Stamp - Global Compact for Migration
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion enthält zwar lauter falsche Behauptungen,
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
aber dennoch ist es gut, dass er vorliegt. Denn er zeigt uns jetzt quasi einmal öffentlich, amtlich, was in diesem Land von Verschwörungstheoretikern und rechten Trollen derzeit durch die sozialen Medien geblasen wird. Bei Facebook und bei Twitter kann man das sehen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber, meine Damen und Herren, was beispielsweise bei WhatsApp passiert, sehen wir nicht.
(Jürgen Braun [AfD]: Führende Völkerrechtler auf der Welt haben unseren Standpunkt!)
Wir haben in Brasilien gesehen, wohin das führt. Sie, Herr Gauland, gehen mit Ihren Gesinnungsgenossen hin und verunsichern mit falschen Informationen die Bevölkerung. Das ist schäbig.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Der Weltpolitiker aus Düsseldorf!)
Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch: Es wäre längst Aufgabe der Bundesregierung gewesen, sachlich und öffentlich über den UN-Migrationspakt aufzuklären.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Martin Hebner [AfD] – Jürgen Braun [AfD]: Können Sie auch mal was zur Sache sagen?)
Sie haben zu lange geschwiegen und damit überhaupt erst die Möglichkeit für die Verschwörungstheoretiker geschaffen, ihren Propagandafeldzug in den sozialen Medien zu starten.
(Widerspruch bei der AfD)
Nutzen wir doch jetzt hier die Gelegenheit, um einmal die Fakten klarzustellen.
Erstens. Die AfD-Fraktion behauptet, der globale Pakt für Migration sei ein Angriff auf die nationale Souveränität. Völlig falsch!
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sagt Herr Kurz, der österreichische Bundeskanzler! Falsch! Sagt Herr Kurz!)
Im Gegenteil wird im Text bereits zu Beginn festgeschrieben, dass alle Länder in ihrer Migrationspolitik völlig souverän bleiben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Die AfD behauptet, der Text sehe ein Menschenrecht auf Migration vor. Wiederum völlig falsch! Der Pakt bekennt sich zu den allgemeinen Menschenrechten. Das auch zu tun, sollte, glaube ich, für jeden anständigen Demokraten in diesem Haus eine Selbstverständlichkeit sein.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)
Ein Menschenrecht auf Migration gibt es nicht und wird auch in diesem Text nicht gefordert.
(Jürgen Braun [AfD]: Sie haben doch vom Völkerrecht keine Ahnung als Politikwissenschaftler! – Abg. Petr Bystron [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Da können Sie sich noch so aufregen. Ich sage Ihnen übrigens: Schönen Gruß aus Düsseldorf, ich habe dort auch mit Ihren Kollegen zu tun. Die befinden sich dort auf einem ähnlichen Niveau. Wir halten das aus, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Herr Stamp, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der AfD?
Nein. – Aber ich möchte Ihnen eines sagen zum Thema Menschenrechte – gerade das ist vielleicht spannend für Sie –: Wenn den Menschenrechten weltweit Geltung verschafft würde, dann könnten wir viel einfacher abschieben. Aber so weit reicht wahrscheinlich Ihr Horizont nicht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Drittens. Die AfD-Fraktionsvorsitzende behauptet, der Pakt öffne der millionenfachen Einwanderung aus Afrika Tür und Tor. Auch das ist natürlich völlig falsch. Das Gegenteil ist richtig. Sie haben es vielleicht noch nicht begriffen, an wen sich dieser Pakt in erster Linie richtet.
(Martin Hebner [AfD]: An Deutschland! – Jürgen Braun [AfD]: An Düsseldorf richtet er sich! An den großen Politikwissenschaftler aus Düsseldorf!)
Es geht um 190 Länder. Schauen Sie sich einmal die Situation an. Fahren Sie einmal in die betreffenden Länder. Ich habe das getan.
(Jürgen Braun [AfD]: Absurd!)
Wenn Sie sich einmal die Situation der Binnenmigranten dort ansehen, dann stellen Sie fest: Das ist eine ganz andere Situation. Wir erfüllen hier in Deutschland längst alle Standards, die in diesem Text stehen. Andere Länder sind weit davon entfernt. Wenn sich diese Länder auch nur ein Stück weit in unsere Richtung entwickeln, dann sinkt damit natürlich der Migrationsdruck auf Deutschland; das ist völlig logisch.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Aydan Özoğuz [SPD])
Sie behaupten, meine Damen und Herren, viertens, das Ganze sei ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes. Auch das ist völlig falsch. Das kann schon allein deshalb nicht sein, weil gleich zu Beginn des Textes klargestellt wird, dass der Pakt eben nicht rechtsverbindlich ist, sondern eine Absichtserklärung zur besseren Regelung weltweiter Migration darstellt. Ich habe gerade ausgeführt, wie wichtig es ist, dass wir gerade mit Blick auf die Standards etwas für die vielen tun, die als Binnenflüchtlinge oder als Flüchtlinge in den Nachbarländern leben, damit sie sich in ihrer Not nicht auf den Weg nach Europa machen. Ich dachte eigentlich immer, das wäre Ihr Anliegen. Sie entlarven sich hier als reine Verschwörungstheoretiker und sind gar nicht an der Sache interessiert.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
Fünftens. Die AfD behauptet, der Pakt fördere die illegale Migration. Völlig falsch! Im Gegenteil: Wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, den Text zu lesen, dann würden Sie feststellen, dass es genau darum geht, die illegale Migration zu bekämpfen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ich will Ihnen etwas sagen: Ich stehe als Flüchtlingsminister in Nordrhein-Westfalen jeden Tag in der Verantwortung, auch was das Thema Abschiebungen angeht,
(Jürgen Braun [AfD]: Sie schieben ja nicht ab! Wie viele schieben Sie ab?)
auch was das Thema „Abschiebung von Gefährdern und Kriminellen“ angeht. Wir leisten etwas, während Sie nur dumm daherreden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als jemand, der in der Praxis Tag für Tag damit zu tun hat, möchte ich Ihnen sagen, dass das, was in dem Pakt zum Datenaustausch oder zur Identitätsklärung drinsteht, natürlich einen Riesenvorteil für die Praxis bedeutet. Dann würde es uns auch viel einfacher fallen, Gefährder und Kriminelle viel schneller loszuwerden. Sie sind diejenigen, die das verhindern wollen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Jürgen Braun [AfD]: Wie viele schieben Sie ab?)
Meine Damen und Herren, die Behauptungen der AfD sind falsch, und das müssen wir gemeinsam vertreten und erklären. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Ich warne allerdings auch davor, den UN-Migrationspakt zu überschätzen. Er ist eben nicht verbindlich, sondern eine Absichtserklärung – eine richtige Absichtserklärung –; deshalb sollten wir ihn nicht überschätzen. Insofern stehen wir auch weiterhin in der Pflicht, tatsächlich etwas dafür zu tun, dass wir eine geordnete Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik hier in Deutschland hinbekommen.
(Widerspruch bei der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Irgendwie ist die AfD total aufgeregt! Wie kommt denn das?)
Vor diesem Hintergrund bin ich der FDP-Bundestagsfraktion ausgesprochen dankbar, dass sie jetzt noch einmal darauf hingewiesen hat, wie wichtig es ist, dass wir ein Einwanderungsgesetz bekommen, das unterscheidet zwischen individuell Verfolgten, zwischen Kriegsflüchtlingen und denjenigen, die dauerhaft kommen wollen, die wir uns aber wie jedes andere Einwanderungsland auch selber aussuchen wollen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP – Manfred Todtenhausen [FDP]: Längst überfällig!)
Wir brauchen in vielen Punkten schnelle Lösungen. Deswegen wiederhole ich unsere Forderung nach einem nationalen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen.
Die Bundesregierung hat zu lange ihre Zeit verplempert mit unnötigen Auseinandersetzungen über 30, 40 Leute, die an der Grenze zurückgeführt werden, oder über die Karriere von Herrn Maaßen. Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche! Setzen wir uns mit den Kommunen, mit den Ländern, mit dem Bund an einen Tisch! Bringen wir die notwendigen Dinge auf den Weg! Ich sage das von Länderseite, ich sage es für Nordrhein-Westfalen: Wenn die Bundesregierung hier nicht aus den Puschen kommt, dann werden wir in den Ländern das selbst in die Hand nehmen.
Danke schön.
(Beifall bei der FDP – Zuruf von der FDP: Sehr gut!)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Christoph Matschie für die Fraktion der SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289119 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Global Compact for Migration |