Fritz FelgentreuSPD - Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser allgemeinen Tirade wollen wir mal zum Thema zurückkehren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Thema ist die Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschusses in Reaktion auf einen der üblichen Anti-NATO-Anträge der Linken. Ich will das mal so sagen, weil der Aufhänger, den die Linken wählen, in diesem Fall das 2-Prozent-Rüstungsziel der NATO, ihnen doch in Wirklichkeit relativ egal ist. Sie sagen heute, liebe Kollegin Sommer, Sie seien gegen das 2-Prozent-Ziel, aber eigentlich sind Sie gegen die NATO.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ja! Wir sind gegen die NATO! Das stimmt!)
Alle Ihre NATO-Anträge sind Variationen ein und desselben Themas: Deutschland raus aus der NATO, NATO auflösen.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Sie haben das richtig erschlossen!)
Das ist Ihr sicherheitspolitisches Alleinstellungsmerkmal, und aus gutem Grund werden Sie damit auch in Zukunft allein bleiben.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber die Gewerkschaften sind dabei!)
Denn die NATO, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch heute, fast 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und in einer Phase neuer Risiken und Konflikte, das Rückgrat der europäischen Sicherheit. Sie ist tatsächlich das erfolgreichste Sicherheitsbündnis in der Geschichte,
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sicherheit von wem?)
wenn wir den Erfolg eines solchen Bündnisses daran messen, dass es möglichst vielen Menschen einen möglichst stabilen Frieden sichert. Deshalb ist es kein Zufall, dass Länder, deren Frieden und Sicherheit gestört oder zerbrochen worden sind, Länder wie die Ukraine oder Georgien, die Mitgliedschaft in der NATO als wichtigstes Ziel ihrer Außenpolitik definieren.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Und was ist mit der Türkei? Führt völkerrechtswidrige Kriege als NATO-Mitglied!)
Mir ist das im Oktober auf einer Reise nach Litauen noch einmal sehr deutlich geworden. Wie Sie wissen, führt dort die Bundeswehr die in ständig wechselnder Zusammensetzung übenden NATO-Truppen in der Stärke eines Bataillons. Die im NATO-Jargon „Enhanced Forward Presence“ genannten Einheiten garantieren den Ländern an der NATO-Ostflanke, dass das Bündnis dort permanent sichtbar an der Seite der kleinen Armeen steht, die im Baltikum für die Landesverteidigung zuständig sind.
Bei meinen Gesprächen dort haben unsere litauischen Verbündeten immer wieder zum Ausdruck gebracht, wie erleichtert sie darüber sind, dass die NATO ihre Verantwortung so ernst nimmt. Wer nämlich in unmittelbarer Nachbarschaft eines so viel größeren, stärkeren und dabei nachweislich zum Einsatz militärischer Gewalt bereiten Nachbarn lebt,
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das ist die NATO nicht?)
wie Russland das nun einmal ist, dem braucht man den Wert der NATO nicht lange zu erklären, Herr Neu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Henning Otte [CDU/CSU] – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das Aggressionspotenzial ist klasse!)
Ein solches Bündnis preiszugeben, wäre auch für uns sträflicher Leichtsinn. Wir sind ein reiches Land mit über 80 Millionen Menschen. Wir leben mitten auf dem allzeit unruhigen Kontinent Europa, ohne durch natürliche Grenzen vor auswärtiger Gefahr geschützt zu sein. Trotzdem leisten wir uns eine historisch einmalig kleine Armee von unter 200 000 Soldatinnen und Soldaten. Das ist das Ergebnis von über 60 Jahren Mitgliedschaft in diesem starken Bündnis und – vollkommen richtig – auch in der Europäischen Union. Weil wir die NATO haben, kommen wir mit einer kleinen Armee aus; weil wir wissen, dass wir uns im Notfall auf dieses Bündnis verlassen können, das stärker ist als jeder denkbare Gegner.
Aber, meine Damen und Herren, dieser hohe Grad an Sicherheit ist eben keine Selbstverständlichkeit. Er verlangt uns auch etwas ab. Wir können uns nur so lange auf unsere Verbündeten verlassen, solange sich unsere Verbündeten auf uns verlassen können. Deshalb geht die Mitgliedschaft in der NATO mit Verpflichtungen einher:
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Was ist, wenn sich ein Land nicht an die Verpflichtungen hält wie die Türkei? Was machen Sie dann? Nichts machen Sie!)
mit der Verpflichtung, unseren militärischen Beitrag zur Bündnisverteidigung zu leisten, selbstverständlich mit finanziellen Verpflichtungen und auch mit der Pflicht, mit unseren Partnern, zum Beispiel der Türkei, über den richtigen politischen Weg für die NATO zu debattieren und, wo das notwendig ist, auch zu streiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Denn wir sind ein Bündnis freier Länder,
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie machen sich gerade lächerlich!)
keine Vasallen, die Gefolgschaft leisten. Auch das ist eine Stärke der NATO.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Nein, es ist zu spät für Zwischenfragen.
Schade.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Schade!)
Was bedeutet das für die Investitionen in die Bundeswehr, zu denen wir uns gegenüber der NATO bekannt haben? Wir bewegen uns auf eine NATO-Quote von 2 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung zu. Die Koalition hat sich darauf verständigt, dass wir bis 2024 1,5 Prozent erreichen wollen. Wie es danach weitergeht, wird die Zukunft zeigen. Für die SPD jedenfalls gilt: Wir haben kein 2-Prozent-Ziel, wir haben ein 100-Prozent-Ziel.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir wollen eine Bundeswehr, die mit Personal, Waffen und Gerät in vollem Umfang so ausgestattet ist, wie sie es ihrer Struktur nach schon heute sein müsste.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Die bräuchtet ihr für Altersheime und im Bildungsbereich!)
Um dieses Ziel zu erreichen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die Koalition der Bundeswehr schon mit dem Haushalt 2019 über 4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stellen als im vergangenen Jahr.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Sie haben gerade noch 300 Millionen draufgelegt!)
Was den Einsatz dieser Mittel angeht, so setzt die SPD-Fraktion auf die Stärke des Staates. Die Landesverteidigung ist die ureigentliche hoheitliche Aufgabe der Staatsgewalt. Das dafür Notwendige, so unsere feste Überzeugung, muss der Staat alleine tun können, das heißt, ohne sich von externen Beratern abhängig zu machen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Felgentreu. – Als Nächstes die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289166 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO |