08.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 61 / Zusatzpunkt 6

Martin SchulzSPD - Aktuelle Stunde zur Zukunft des INF-Vertrages

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Abschluss des INF-Vertrages war ein historischer Schritt. Es war ein Moment, in dem der Weltfrieden ein Stück sicherer wurde. Ich glaube, dass Reagan und Gorbatschow, als sie diesen Vertrag unterzeichneten – Herr Hitschler hat das, finde ich, eindrucksvoll gesagt –, den folgenden Generationen ein Geschenk gemacht haben, nämlich eine Sicherheit und einen Zusammenhalt, wie wir es vorher nicht kannten.

Aber wir dürfen uns auch keine Illusionen machen. Das Misstrauen, das vor der Vertragsunterzeichnung den Kalten Krieg prägte, kehrt ein Stück weit zurück. Es kehrt zurück, weil wir in den letzten Jahren Entwicklungen haben, die uns besorgt machen müssen, und zwar auf beiden Seiten. Natürlich ist die völkerrechtswidrige Annexion des Territoriums eines souveränen Staates durch einen anderen Staat ein völkerrechtswidriger, aggressiver Akt, der durch den Willen der Russische Föderation begangen wurde. Das ist eine Veränderung der politischen Architektur in Europa, wie wir sie vorher so nicht kannten.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Na ja!)

Ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der ohne Konsultation seiner Nachbarn erklärt: „Wir wollen aus diesem INF-Vertrag aussteigen“, aber gleichzeitig alle multilateralen Strukturen infrage stellt, sät weltweites Misstrauen.

(Beifall bei der SPD)

Das, meine Damen und Herren, ist die Ausgangslage, in der wir uns befinden.

Deshalb, finde ich, hat Heiko Maas mit dem, was er hier vorgetragen hat, den richtigen Weg beschrieben. Der erste Schritt ist doch, dass wir zu dem Ausgangspunkt zurückkehren, dass die Lösung der internationalen Konflikte nicht durch unilaterale Maßnahmen erfolgen darf, sondern dass sie die Stärkung der multilateralen Strukturen zur Grundvoraussetzung hat.

Übrigens: Eine der multilateralen Strukturen, die zum Abschluss des INF-Vertrages führte, war Jahre vorher die Schaffung der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa; denn es war jedem klar, dass Europa das Schlachtfeld für eine atomare Auseinandersetzung zwischen der damaligen Sowjetunion und den Vereinigten Staaten gewesen wäre.

Jetzt müssen wir uns ehrlich machen. Sollte es zu einer erneuten Aufrüstungsspirale kommen, weil dieser Vertrag gekündigt wird, wird das Aufmarschgebiet, das Stationierungsgebiet und das potenzielle Schlachtfeld wieder Europa sein, wieder auch unser Land sein. Deshalb ist die Bundesregierung natürlich in besonderer Weise gefordert, und deshalb sind die Roadmap und, damit verbunden, die Dialoge, die Heiko Maas in China führen wird, genau der richtige Weg, den er uns hier gezeigt hat. Herr Minister, ich will mich ausdrücklich auch im Namen meiner Fraktion dafür bei Ihnen bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen mit Klarheit in diese Auseinandersetzung gehen

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja! Jetzt!)

– natürlich, klar, beruhigen Sie sich doch –, und diese Klarheit hat einen besonderen Bezugspunkt.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Bisher war nichts klar!)

Die nukleare Auseinandersetzung der 70er- und 80er-Jahre war eine Auseinandersetzung zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten. Die größte nukleare Gefahr, die es im Moment auf dieser Welt gibt, wird durch die Spannungen zwischen den atomgerüsteten Staaten Indien und Pakistan verursacht. Die Frage einer weiteren Aufrüstung im Chinesischen Meer, die Frage einer Konfrontation im pazifischen Raum ist mindestens so dramatisch wie die Frage der eventuellen erneuten Stationierung von Systemen in Europa.

In diesem Lichte ist die mutwillige Zerschlagung der Fähigkeiten der Vereinten Nationen durch einen amerikanischen Präsidenten, der sagt: „Diese Organisation ist obsolet, wir brauchen sie nicht mehr“, eine der größten Gefahren. Deshalb, finde ich, ist das, was der Außenminister unseres Landes eben gesagt hat, der richtige Weg. Wir müssen die Frage über den INF-Vertrag und den Einbezug anderer Atommächte in diesen Vertrag auf die Tagesordnung setzen. Den Dialog mit China darüber zu suchen, den Dialog mit Indien darüber zu suchen, ein weltweites Regime der nuklearen Abrüstung anzustreben, das ist übrigens die Tradition der deutschen Sozialdemokratie seit jeher gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Hampel, für Ihre Beleidigungen. Von Ihnen beleidigt zu werden, ist die größte Ehre, die einem Demokraten in Deutschland zuteilwerden kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jens Kestner [AfD]: Haha!)

Man muss eine klare Haltung haben. Die Bundesregierung muss als Mittlerin – ich habe im Bundestagswahlkampf dafür geworben, meine Partei tut das auch heute; Herr Hitschler hat das auf den Punkt gebracht – eine eigene Position beziehen. Das heißt, wir wollen vom Grundsatz her keine Atomwaffen auf unserem Territorium, und schon gar keine neuen Systeme. Und wir wollen, dass die, die da sind, abgezogen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Als Nächster spricht zu uns der Kollege Markus Koob, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289214
Wahlperiode 19
Sitzung 61
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Zukunft des INF-Vertrages
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