Markus TönsSPD - Attraktivität Deutschlands für ausländisches Kapital
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, Herr Houben, erst mal eine Frage: Was haben Sie gegen das „Steigerlied“?
(Reinhard Houben [FDP]: Nichts!)
Ich kann Ihre Aufregung gar nicht verstehen.
(Reinhard Houben [FDP]: Ich habe mich nicht aufgeregt!)
In dem schönsten Stadion Deutschlands, das in meiner Heimatstadt steht, wird das vor jedem Heimspiel gesungen, und da singen dann nicht nur Sozialdemokraten, da singen 60 000 Menschen. Ich finde, das ist eine schöne Sache; das gehört dazu. Ich habe nichts gegen das „Steigerlied“.
(Beifall bei der SPD – Michael Theurer [FDP]: Wenn Sie den Kollegen Houben richtig verstanden hätten: Das war keine Kritik an der SPD, sondern an der CDU!)
Es geht in dieser Frage um zwei Sachen: Es geht erstens um Deutschlands Rolle als Wirtschaftsstandort. Unternehmer aus unterschiedlichen Teilen der Welt sind wirtschaftlich in Deutschland tätig; das finden wir gut, und das soll auch so bleiben. Und es geht zweitens – das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt; das ist mir besonders wichtig – um den Schutz von Menschen, die in Deutschland kritische Infrastruktur nutzen. Damit sind zum Beispiel eine gesicherte Wasserversorgung, ein funktionierendes Stromnetz und auch der öffentliche Personennahverkehr gemeint. Auch hier muss der Staat genauer hinsehen; darauf werde ich später noch eingehen.
Aber zunächst zu Deutschlands Rolle als Wirtschaftsstandort. Immer mehr ausländische Unternehmer entscheiden sich, sich wirtschaftlich in Deutschland zu betätigen. Das ist auch ein Zeichen des Vertrauens, vor allem in das Know-how deutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
(Beifall bei der SPD)
3 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in Unternehmen mit ausländischer Beteiligung; auch deshalb sind ausländische Investitionen eine Bereicherung für Deutschland. Soweit stimmen wir übrigens mit der FDP überein. Für uns Sozialdemokraten zeigt sich hier aber auch: Unsere sozialen Rechte sind eben kein Wettbewerbsnachteil. Im Gegenteil: Ausländische Unternehmer entscheiden sich bewusst für Deutschland als Investitionsstandort mit einer hochqualifizierten Arbeitnehmerschaft und sozialer Sicherung. Das muss an dieser Stelle mal klar gesagt werden.
(Beifall bei der SPD – Reinhard Houben [FDP]: Da haben wir ja auch nichts dagegen, Herr Kollege!)
In meiner Heimatstadt – das ist vielleicht ganz interessant – gehören ausländische Direktinvestitionen übrigens zur Stadtgeschichte. Jedes Kind in Gelsenkirchen kennt heute den Namen Thomas Mulvany, ein irischer Ingenieur und Unternehmer, der 1855 in Gelsenkirchen die Zeche Hibernia abgeteuft hat; so nennt man das im Bergbau. So wie Mulvany damals die neueste Technik für den Stollenbau aus England mitgebracht hat, können ausländische Direktinvestitionen auch heute neue Entwicklungen ankurbeln. Mulvany ist – um das auch zu sagen – seit mehr als 100 Jahren Ehrenbürger meiner Stadt.
Ich möchte noch mal betonen: Deutschland ist und bleibt offen für ausländische Investitionen. Das ist auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Unternehmen mit ausländischer Beteiligung arbeiten.
(Reinhard Houben [FDP]: Sehr richtig!)
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen aber auch – das ist wichtig, Herr Houben –, dass es Bereiche gibt, bei denen wir genauer hinsehen müssen.
Damit komme ich zum zweiten Punkt: dem Schutz der kritischen Infrastruktur. Gemeint sind Waren und Dienstleistungen, die für unser tägliches Zusammenleben unentbehrlich sind. Die Außenwirtschaftsverordnung in Verbindung mit dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI-Gesetz, bietet eine klare Definition hierfür. Dazu gehören zum Beispiel Strom- und Wasserversorgung, die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten und auch Hochtechnologie. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass diese Dinge zuverlässig verfügbar sind. Ich will es ganz deutlich sagen: Es geht nicht um den Schutz von Wasserrohren und Stromleitungen; es geht um den Schutz der Menschen in diesem Land und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Deshalb hat das Wirtschaftsministerium übrigens schon 2017, damals unter der Führung der SPD, genau die richtigen Grundlagen geschaffen. Wir haben 2017 überhaupt erst eine Meldepflicht für Übernahmen im Bereich der kritischen Infrastruktur eingeführt. Das geht auf die Initiative der sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Gabriel und Zypries zurück. Darauf baut die jetzige Bundesregierung auf, indem sie eine Absenkung der Aufgreifschwelle prüft. Wir sind froh, dass sich Herr Altmaier die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik zum Vorbild nimmt; das ist übrigens immer eine gute Idee, sich Sozialdemokraten zum Vorbild nehmen.
(Beifall bei der SPD)
Wenn die FDP hier von einer Abriegelung gegen ausländisches Kapital spricht, ist das schlichtweg falsch, Herr Houben. Es geht hier doch darum, dass die Bundesregierung in einem Bereich prüft, der für unser Gemeinwesen unglaublich wichtig ist. Das ist kein Protektionismus, wie Sie das sagen. Hier muss die FDP erkennen, dass der Markt eben nicht alles regelt und dass wir einen staatlichen Prüf- und Regulierungsrahmen brauchen. Teile der FDP haben das übrigens auch erkannt und fordern seit Monaten eine Absenkung der Prüfschwelle auf 10 Prozent. In dem Antrag, über den wir heute sprechen, haben Sie diese Forderung abgeräumt. Stattdessen geht es Ihnen nur noch um die Meldepflichten. Das ist doch ein Formelkompromiss Ihrer Fraktion. Die Mutigen in der FDP haben sich dabei wohl nicht durchgesetzt.
(Reinhard Houben [FDP]: Die haben sich in der Fraktion nicht gemeldet!)
Neben den Bemühungen auf nationaler Ebene müssen wir auch europäisch stärker zusammenarbeiten, wenn es um kritische Infrastruktur geht. Wir haben in der EU seit mehr als einem halben Jahrhundert keine abgeschotteten nationalen Volkswirtschaften mehr. Wir haben einen gemeinsamen Binnenmarkt, und das ist gut so. Deshalb ist es nur konsequent, dass wir auch einen gemeinsamen Rahmen für die Prüfung ausländischer Direktinvestitionen haben. Es ist richtig, dass die Bundesregierung zusammen mit europäischen Partnern den Vorstoß gemacht hat, dass wir uns europäisch stärker koordinieren. Auch das geht auf die Initiative sozialdemokratischer Wirtschaftsminister zurück und ist ein Beispiel für gute deutsch-französische Zusammenarbeit. Aktuell läuft das Gesetzgebungsverfahren dazu auf europäischer Ebene.
Bevor ich zum Schluss komme, noch ein Wort zu Ihnen, Herr Kotré: KUKA ist nun wirklich kein gutes Beispiel dafür; denn es hat keine Investitionsinteressen deutscher Unternehmen bzw. deutscher Investoren bei KUKA gegeben. Die Kanzlerin hat sich darum bemüht; aber es gab sie schlichtweg nicht.
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Ich wiederhole noch einmal: Erstens. Deutschland ist und bleibt offen für ausländische Investitionen. Zweitens. Wir müssen unsere kritische Infrastruktur wirksam schützen. Drittens. Indem wir diese beiden Ziele vereinen, grenzen wir uns klar von protektionistischen Tendenzen ab.
WTO-rechtswidrige Schutzzölle, wie sie die USA aktuell erheben, wird es in der EU nicht geben. Unser Konzept ist Investitionsoffenheit plus Besonnenheit. Ausländische Direktinvestitionen heißen wir willkommen. Und wir prüfen dort, wo es um die Sicherheit und die öffentliche Ordnung in Deutschland geht. Ich denke, das ist eine vernünftige Leitschnur für unsere Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren.
Zum Abschluss: Glück auf!
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke der Kollege Pascal Meiser.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289593 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Attraktivität Deutschlands für ausländisches Kapital |