Jörg CézanneDIE LINKE - Familienentlastungsgesetz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz wird das Kindergeld angehoben: im nächsten Jahr um insgesamt 60 Euro und 2020 um insgesamt 120 Euro im Vergleich zu heute. Gleichzeitig steigt der Kinderfreibetrag in der Einkommensteuer, und die Eckwerte werden angepasst,
(Sepp Müller [CDU/CSU]: Das ist gut so!)
was zu einer kleinen Steuererleichterung führen wird.
Der größte Haken – das kann ich Ihnen nicht ersparen –: Eine Entlastung der ärmsten Familien in unserer Gesellschaft wird damit nicht gelingen.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sauerei!)
Wir hatten es schon häufig gesagt: Bezieher von Hartz IV haben von einem höheren Kindergeld gar nichts, weil ihnen das Kindergeld sofort angerechnet wird. Sie zahlen auch keine Steuern. Deshalb haben sie auch von der Steuerentlastung nichts.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Es ist aber eine steuerliche Maßnahme!)
Damit wird das stetig zunehmende Problem der Kinderarmut überhaupt nicht angegangen – ein schwerwiegender Fehler.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Markus Herbrand [FDP] – Michael Schrodi [SPD]: Dafür haben wir die anderen Maßnahmen! Die müssen Sie mitberücksichtigen! Das habe ich Ihnen gesagt, Herr Cezanne!)
– Das wollen Sie doch auch mit Ihrem Familienstärkungsgesetz gar nicht wirklich ändern.
(Michael Schrodi [SPD]: Doch, doch!)
Zweiter Haken: Ein Spitzenverdiener hat durch die Steuerentlastung aufgrund des höheren Kinderfreibetrags jährlich 182 Euro mehr im Portemonnaie, das Kindergeld steigt aber nur um 120 Euro. Diese ungerechte Verteilungswirkung steuerlicher Freibeträge ist ein generelles Problem. Es ließe sich allerdings leicht überwinden: Das Kindergeld müsste so hoch angesetzt sein, dass es der Steuerersparnis von Spitzenverdienern entspricht. Das bedeutet: 328 Euro Kindergeld im Monat für alle – auch für Hartz-IV-Bezieher, Alleinerziehende –, und zwar jetzt und sofort. Genau das ist unser Vorschlag.
(Beifall bei der LINKEN)
Um das Problem grundsätzlich zu lösen, wäre allerdings ein Systemwechsel hin zu einer Kindergrundsicherung der beste Weg. Sie würde unabhängig von der Steuer gezahlt und könnte die verschiedenen Fördermittel – Kindergeld, Kinderzuschlag, Alleinerziehendenzuschlag, Kinderfreibetrag und all das, was es sonst noch gibt – bündeln und ersetzen. Dazu, wie das bezahlt werden kann, haben wir als Linke – zumindest hinsichtlich der Einkommen- und der Vermögensteuer – grundlegende Vorschläge gemacht. Grundgedanke dieser Vorschläge: Bezieher niedriger und vor allem mittlerer Einkommen werden entlastet, Besserverdienende und Reiche zahlen mehr. Nach unserem Vorschlag würden Alleinstehende ohne Kinder mit einem Monatseinkommen von bis zu 7 000 Euro brutto von einer Steuerentlastung profitieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie machen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das Gegenteil – der dritte Haken am Gesetz –: Sie ändern nicht die Steuersätze, sie ändern nicht die Verteilung der Steuerbelastung; Sie verschieben nur die Grenzwerte, ab denen ein höherer Steuersatz gezahlt werden muss. Das ist so weit erst mal okay, wenn es um die kalte Progression geht, führt aber – genauso wie der Kinderfreibetrag – zu einer ungerechten Bevorzugung Bezieher hoher Einkommen.
Die Zahlen: Wer 2019 30 000 Euro zu versteuern hat, wird im Vergleich zu 2018 um 77 Euro jährlich entlastet. Wer auf 250 000 Euro Steuern zahlen muss, erzielt einen Steuernachlass in Höhe von 320 Euro. Das ist falsch, und das lehnen wir ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Einen schrägen und aus unserer Sicht falschen Steuertarif auf Räder zu stellen, ändert daran leider nichts, und deshalb werden wir dem auch nicht zustimmen.
Der vorliegende Gesetzentwurf bringt einige Veränderungen. Seinen pompösen Namen „Familienentlastungsgesetz“ hat er nicht verdient. Er geht an verschiedenen Stellen in die falsche Richtung. Bei aller Kritik enthält er mit der Kindergelderhöhung aber eine wichtige Entlastung für Familien. Deshalb werden wir uns bei diesem Gesetzentwurf enthalten.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen: die Kollegin Lisa Paus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289610 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Familienentlastungsgesetz |