08.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 61 / Tagesordnungspunkt 13

Albrecht GlaserAfD - Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sumerer haben im 3. Jahrtausend vor Christus Gesetze in Stein gemeißelt

(Zuruf von der FDP: Das ist schon etwas länger her!)

– ich komme auch zum Urknall, kein Problem – und diese Steine öffentlich aufgestellt. Dies war sehr transparent und führte zu großer Rechtssicherheit. Wir sehen hier den Unterschied zwischen einer antiken Hochkultur und einer zeitgenössischen, eher niederen Zivilisation.

(Beifall bei der AfD)

Schon das Etikett „Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen“ ist irreführend; die Kollegin hatte das gerade dargelegt. Denn bei dem Artikelgesetz handelt es sich um das, was man früher „Jahressteuergesetz“ nannte. Da ist vieles drin, und das meiste davon hat mit Umsatzsteuer gar nichts zu tun. Warum nennt man das also so? Schaufenster! Neben dem Umsatzsteuerausfallvermeidungsgesetz wird zudem parallel über das Familienentlastungsgesetz beraten, das in Wahrheit „Gesetz zur Vermeidung heimlicher Steuererhöhungen durch Inflation“ genannt werden müsste. Ich bitte um Entschuldigung, Herr Michelbach, aber es ist so.

Zum Potpourri des Umsatzsteuerausfallvermeidungsgesetzes ein paar Bemerkungen. Am markantesten ist darin die Neuregelung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung eines Dienstfahrzeugs. Bekanntlich gibt es seit vielen Jahren die sogenannte 1-Prozent-Regelung, die Sie alle kennen. Zur Klimarettung soll nunmehr die private Nutzung von E-Fahrzeugen und bestimmten Hybriden privilegiert werden durch Halbierung des Zurechnungssatzes. Hier wird wieder einmal das Steuerrecht als Mittel für menschliche Verhaltenskonditionierung missbraucht. In Wahrheit ist das Steuerrecht jedoch ein Instrument der Staatsfinanzierung. Eine solche Dressurvorschrift lehnen wir ab.

(Beifall bei der AfD)

Markant ist weiter – dazu wurde eine Anhörung durchgeführt; übrigens kam auch dieser ganze Vorgang in der Anhörung kritisch zur Sprache – die Einführung einer Haftung der Betreiber von IT-Plattformen, auf denen umsatzsteuerpflichtige Geschäfte abgeschlossen werden. Die Haftung eines Dritten, der nicht Steuerschuldner ist, ist unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten stets eine heikle Sache. Bezüglich außereuropäischer Akteure mag man sich eine Möglichkeit dieser Art vorstellen, ohne Frage. Innereuropäisch und national ist die vorgesehene Regelung als unangemessen und ungerecht abzulehnen, zumal für die Plattformbetreiber erhebliche Kontroll- und Mitteilungspflichten in Papierform zu Hunderttausenden entstehen. Trotz massiver Bedenken aus dem Kreis der Sachverständigen wird das Projekt heute völlig unverändert durchgezogen; es wird geradezu gelobt. Der sehr eingeschränkte Nutzen solcher Anhörungen wird hier erneut deutlich. Die AfD lehnt diesen Haftungszugriff auf Nichtsteuerschuldner, die damit für die Steuern anderer Leute einstehen sollen, ab.

(Beifall bei der AfD)

Die steuerliche Freistellung bestimmter Gesundheitsleistungen von Arbeitgebern an ihre Mitarbeiter ist sachgerecht, weil der allgemeinen Gesundheitsfürsorge dienlich. Ähnliches gilt auch für die Steuerfreistellung von Fahrtkostenzuschüssen von Arbeitgebern an ihre Mitarbeiter; das steht im Gesetzespaket drin. Das finden wir außerordentlich gut.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Dann können Sie doch zustimmen! Aber Sie lehnen es ab!)

– Wir können nicht zustimmen, wenn das Gewicht der Dinge, gegen die wir Bedenken haben, größer ist als das der Dinge, denen wir zustimmen können. Das ist das Problem eines solchen Paketes.

Nicht zu Unrecht taucht das Thema Solidaritätszuschlag als Zusatzantrag nunmehr erneut auf. Dem wird die AfD natürlich auch zustimmen, weil es ihr ureigenes Anliegen ist und mit echter Entlastung für Steuerzahler zu tun hat. Die Verzögerungstaktik der Bundesregierung als ganz spezielle Maßnahme unmittelbar vor der nächsten Bundestagswahl ist intolerabel.

Das Gleiche gilt für die Verzinsung von Steuernachzahlungsansprüchen. Die seit Jahren bestehende Regelung der Abgabenordnung, wonach im Monat 0,5 Prozent, also jährlich 6 Prozent, Zinsen geschuldet werden, war im normalen Zinsumfeld angemessen. In der EZB-Zinswelt stellt sie eine verfassungswidrige Belastung des Steuerbürgers dar. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits 2015 in Urteilsbegründungen in dieser Richtung geäußert. Die FDP stellt daher – in der Sache völlig zu Recht – einen Zusatzantrag, die jetzige Regelung durch eine Ankoppelung an den Basiszinssatz des § 247 BGB zu ersetzen. Als der Gerechtigkeit verpflichtete Fraktion werden wir dem zustimmen.

Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die AfD eine nahezu gleichartige Regelung in Form eines Gesetzentwurfs unter Drucksache 19/5491 bereits vor längerer Zeit eingebracht hatte, die heute in den Finanzausschuss verwiesen wurde. Wohl in Kenntnis dieses Vorgangs hat die FDP einen früheren allgemeinen Antrag vor wenigen Stunden ebenfalls in einen Gesetzentwurf umgewandelt. Wir haben diese Fraktionsdienstleistung für die FDP gerne erbracht, zumal sie der Gerechtigkeitsfindung dient.

(Beifall bei der AfD)

Das gesamte Gesetzgebungsverfahren bleibt höchst unbefriedigend. Viele weitere Punkte der Novellierung sind öffentlich überhaupt nicht diskutierbar, weil die Zeit nicht reicht – in fünf Minuten schon gar nicht. Es bleibt daher festzustellen: Die Sumerer konnten es besser.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächstes hat das Wort der Kollege Uwe Feiler, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289622
Wahlperiode 19
Sitzung 61
Tagesordnungspunkt Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen
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