Stefan LiebichDIE LINKE - Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Willkürliche Verhaftungen, Waterboarding, Schlafentzug, Isolationshaft, Kontaktverbot zur Familie, so etwas darf es nirgends auf der Welt geben. Wir haben Berichte von Human Rights Watch erhalten – wir haben hier darüber gesprochen –, nach denen genau so was 1 Million Menschen in einer chinesischen Provinz, in Xinjiang, angetan wird. Das ist natürlich etwas, was wir nicht akzeptieren können. Vor allem die hohe Zahl der Eingesperrten ist hierbei verstörend. Ich muss sagen: Wir müssen vielleicht mit der Bundesregierung noch mal über die Zahlen sprechen; denn die Bundesregierung hat im August noch von 100 000 Inhaftierten gesprochen, und wenige Wochen später sprach Human Rights Watch von 1 Million.
Am Ende gilt aber: Jeder Einzelne – Frau Bause hat einige erwähnt, Herr Schwabe hat einen erwähnt –, der zu Unrecht oder unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt ist, ist einer zu viel.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])
Die aktuelle Debatte, die wir hier über Menschenrechtsverletzungen in China führen, ist nicht die erste, und es wird wahrscheinlich auch nicht die letzte sein. Ich will deshalb einmal zurückschauen; denn es gab da in den letzten Jahren schon eine gewisse Veränderung. Ich bin im Jahr 2009 in den Bundestag gewählt worden. Da habe ich mir hier noch die Debatten über die Nachwirkungen der Olympischen Spiele in Peking angehört. Wenn man sich heute, zehn Jahre später, anschaut, wie über Menschenrechtsverletzungen in China geredet wird, dann erkennt man, dass die Welt nun eine andere ist. Damals haben viele von oben herab auf die Volksrepublik geschaut. Heute hat man manchmal das Gefühl, dass es umgekehrt ist.
Das hat auch Hintergründe: China ist inzwischen das Land mit den meisten Milliardären weltweit – 609 sind es. Es ist auch ein Land, das nicht nur die Oberschicht, sondern auch die Mittelschicht aus der Armut geholt hat. Viele Menschen, die vorher in bitterer Armut gelebt haben, leben jetzt dort besser. Es gibt in China einen riesigen Wirtschaftsaufschwung. All das darf uns aber nicht dazu verführen, auf diesem Auge blind zu sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD] und Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Unsere gemeinsame Kritik an den Entwicklungen in der Volksrepublik China ist allerdings nur glaubwürdig, wenn wir mit einem Maß messen. Ich weiß, dass der Menschenrechtsausschuss das tut. Aber ich will an der Stelle noch mal sagen: Wenn vermeintliche Islamisten in Guantánamo eingesperrt und gefoltert werden, wenn Sinti und Roma in Mitgliedstaaten der Europäischen Union verfolgt werden, wenn Schwule in Russland verfolgt werden, dann ist das genauso schlimm wie die Verfolgung von Muslimen und anderen in der Volksrepublik China; denn der Kampf für Menschenrechte ist unteilbar.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun weiß ich – viele von Ihnen, die schon mal in China waren, wissen es vielleicht auch –, dass die Angst vor Instabilität und Chaos in China real ist. Das ist nicht einfach Propaganda der Regierung. Es sind tatsächlich Dinge auch geschehen, über die wir auch sprechen müssen: Es sind Hunderte Menschen umgebracht worden von Terroristen mit zum Teil islamistischem Hintergrund auf einem Bauernmarkt, in Polizeistationen, und es sind Tausende von Islamisten aus dieser Region auch an der Seite des IS im Mittleren und Nahen Osten unterwegs. Das sind alles schreckliche Entwicklungen, über die wir hier nicht schweigen dürfen. Und trotzdem: Alles das rechtfertigt keine flächendeckende Überwachung, Bespitzelung, Lager und Folter. Verbrechen und auch Terrorismus müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun haben die Grünen hier einen Antrag gestellt. Vieles finde ich im Grundsatz richtig – wir müssen darüber im Ausschuss reden, und ich freue mich auch auf die Debatten –, aber es gibt auch Punkte, die ich nicht teile – die will ich hier kurz benennen –: Ich nenne den Hinweis, „alle … Hafteinrichtungen“ in Xinjiang „zu schließen“ und alle „inhaftierten Personen sofort und bedingungslos freizulassen“; darüber müssen wir vielleicht noch mal reden. Ich teile auch nicht die Forderung, dass wir uns nun an der Seite von Kasachstan und der Türkei gegenüber China für den Schutz von Minderheitenrechten einsetzen sollten. Also, ausgerechnet an der Seite der Türkei und der kasachischen Autokratie, das finde ich nun wirklich absurd.
(Beifall bei der LINKEN)
Trotz dieser Kritik: Ich finde, der Antrag ist eine gute Grundlage für die Debatte, auf die ich mich sehr freue. Ich bin mir sicher, dass alle in diesem Haus – außer der AfD – der Auffassung sind, dass Menschenrechte universell sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Sebastian Brehm das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289642 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang |