Klaus MindrupSPD - Fortentwicklung des europäischen Emissionshandels
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe zwei Zuschauer auf der Tribüne, um 0.24 Uhr noch hier zu sein, ist schon echt toll.
Wir reden heute erneut zum Thema Klimaschutz. Das ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Wer nach dem aktuellen Bericht des IPCC noch die Notwendigkeit von Klimaschutz anzweifelt, muss sich fragen lassen, ob er bewusst bösartig handelt oder einfach nur ignorant ist.
(Beifall bei der SPD)
Heute geht es konkret um die Neuregelung des europäischen Emissionshandelssystems in der Emissionshandelsperiode bis 2030. Skizzieren möchte ich nun kurz die Entwicklung des Emissionshandels und wo wir heute stehen. Von 2005 bis 2016 haben sich in der EU insgesamt die Emissionen in den Emissionshandelssektoren bereits um 26 Prozent verringert. Wir haben das EU-Ziel für 2020 also bereits jetzt erreicht. Aber gerade hinter dieser an sich erfreulichen Zahl verbirgt sich der große Schwachpunkt des europäischen Emissionshandels. In der Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir einen enormen Überschuss aufgebaut, den wir immer noch mitschleppen. Zu Recht zweifeln Nichtregierungsorganisationen und Klimaexperten anderer Länder, die unser System genau beobachten, ob die erreichten Emissionsminderungen tatsächlich durch den Emissionshandel bewirkt wurden.
Es ist nicht schlimm und es ist unvermeidbar, Fehler zu machen. Aber es wäre schlimm, wenn man daraus keine Konsequenzen ziehen würde. Das jedoch haben wir getan. Die jüngste Novelle der Emissionshandelsrichtlinie hat das System wieder fit gemacht für die vierte Handelsperiode, der Emissionshandel kann bald wieder seine Funktion als Motor des europäischen Klimaschutzes wahrnehmen.
Der bestehende Zertifikateüberschuss wird deutlich schneller und nachhaltiger vom Markt genommen, als dies bislang durch die Regelung zur Marktstabilitätsreserve vorgesehen war. Seit letztem Jahr hat sich der Zertifikationspreis mehr als verdoppelt. Das Vertrauen in die Wirksamkeit des Instruments kehrt zurück.
Doch bei aller Freude über diese Entwicklung muss man gleichzeitig anmerken, dass wir uns mit dem aktuellen Preis gerade wieder erst dem Bereich annähern, in dem der Emissionshandel dazu führen kann, dass Stromerzeuger von Steinkohle zu Erdgas wechseln. Wir sind also auf dem richtigen Weg, aber noch lange nicht in dem Bereich, in dem wir sein müssten, um Investitionen in den Klimaschutz ausreichend anzureizen. Mit der Marktstabilitätsreserve sorgen wir auch dafür, dass ein Nachfragerückgang durch zusätzliche nationale Klimaschutzmaßnahmen abgefedert wird.
Weiterhin schaffen wir mit der Reform des europäischen Emissionshandels und diesem Gesetz eine sinnvolle Grundlage für den Ausstieg aus der Kohle. Mit der Stilllegung eines Kraftwerkes können damit die entsprechenden, freiwerdenden Berechtigungen für Emissionen gelöscht werden. Der sogenannte Wasserbetteffekt wird beendet, sodass freiwerdende Kapazitäten in Deutschland nicht mehr an anderer Stelle in Europa für die Emission von Kohlendioxid genutzt werden. Das ist ein Meilenstein für den Klimaschutz.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Mit der Umsetzung der EU-Regelung schaffen wir in Deutschland die Voraussetzungen für den angestrebten Konsens in der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“; den sollten wir alle gemeinsam anstreben.
Wir, die Koalition, haben auf die Notwendigkeit einer zügigen Umsetzung des Gesetzentwurfes hingewiesen, da insbesondere die energieintensive Industrie im Jahr 2019 für das Verfahren der Zuteilung die erforderlichen Anträge stellen muss. Die Industrie benötigt Verlässlichkeit. Im Gegenzug erwarten wir von der Industrie natürlich, dass sie entsprechende Anstrengungen zum Klimaschutz unternimmt. Aber ich glaube, da sind wir auch auf einem guten Weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben im Gesetzgebungsverfahren festgestellt, dass in der Vergangenheit Rechtsstreitigkeiten dazu geführt haben, dass es Schwierigkeiten gab, Zuteilungsansprüche in einer weiteren Handelsperiode zu sichern. Wir, die Koalition, halten es für angebracht, dass die Anlagenbetreiber auch dann die ihnen zustehenden kostenlosen Zuteilungen erhalten, wenn die Handelsperiode bereits abgelaufen ist, sich die Entscheidung durch ein Gerichtsurteil aber verzögert hat. Dies können wir jedoch nicht national regeln. Daher haben wir in einem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, das europäisch anzugehen. Wir sind optimistisch, dass das funktionieren wird.
Ein weiterer Punkt betrifft die Kleinemittenten. Hier wollen wir durch eine Verordnungsermächtigung mehr Flexibilität für mittelständische Betriebe erreichen. Dies betrifft zum einen die Erleichterung bei der Emissionsberichterstattung für kleine Anlagen, zum anderen die Möglichkeit eines Opt-out. Die mittelständischen Unternehmen haben das Problem, dass sie sich nach dem ursprünglichen Entwurf hätten entscheiden müssen, ob sie am Emissionshandel für die gesamte Periode teilnehmen. Wir geben jetzt die Möglichkeit, das flexibel zu machen und sich an zwei Zeitpunkten zu entscheiden. Das ist etwas, was sehr wichtig ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich denke, das ist ein guter, mittelstandsfreundlicher Schritt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Tagen gab es auch Vorwürfe aus der Luftfahrtindustrie, dass wir mit unserem Gesetzentwurf den Luftverkehr stärker regulieren als von der EU vorgegeben. Das ist natürlich Unsinn, da es für den Emissionshandel im Luftverkehr nur noch EU-Regelungen gibt und wir das in unserem Gesetzentwurf gar nicht abweichend regeln können. Offensichtlich haben aber sogar Teile der Opposition diese Behauptung ungeprüft übernommen.
Um was es tatsächlich geht, ist die Tatsache, dass wir für den Bereich des Luftverkehrs zukünftig zwei CO 2 -Instrumente haben werden: die globalmarktbasierte Maßnahme auf ICAO-Ebene – Internationale Zivilluftfahrt-Organisation – und den EU-Emissionshandel. Hier werden wir auf EU-Ebene entscheiden müssen, wie man die beiden Instrumente vernünftig miteinander verzahnen kann. Das ist aber nicht Gegenstand dieses Gesetzentwurfes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der heutige Gesetzentwurf wird einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz leisten, und ich hoffe, dass wir eine breite Unterstützung kriegen. Morgen geht die Arbeit aber schon weiter; denn mit der Umsetzung der Ergebnisse der Strukturwandelkommission und ganz besonders im Nichtemissionshandelsbereich – Stichwort „Effort Sharing“ – wo wir noch vieles zu tun haben, müssen wir weiter für den Klimaschutz arbeiten. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der nächste Redner ist der Kollege Karsten Hilse, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289725 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Fortentwicklung des europäischen Emissionshandels |