09.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 62 / Zusatzpunkt 9

Robby SchlundAfD - Pflegepersonalstärkungsgesetz

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Frau Präsidentin! Herr Spahn! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Gäste auf den Rängen! Gerechtigkeit kann demokratisch nur erreicht werden, wenn die besten Vorschläge zum Maßstab des Handelns gemacht werden. Das gilt insbesondere für die soziale Gerechtigkeit. Obgleich eine erhebliche Ungerechtigkeit in der Kostenübernahme von Pflegeaufwendungen zwischen häuslicher und vollstationärer Pflege besteht, verschließen Sie die Augen vor dem Vorschlag unserer AfD-Fraktion, diese Ungerechtigkeit zu beenden, und lehnten diesen fraktionsübergreifend im Gesundheitsausschuss ab.

Für pflegebedürftige Menschen, die zu Hause leben, werden die Pflegeleistungen von den Krankenkassen komplett finanziert. Bei Heimbewohnern allerdings übernimmt die Krankenkasse nur die Kosten, wenn über sechs Monate ein besonders hoher Versorgungsbedarf besteht und nachgewiesen wurde. Ansonsten gilt die Regelung, dass die Kosten mit den pauschalisierten Beiträgen der Pflegekasse abgegolten sind. Aber diese Pauschalen beinhalten maximal die Kosten für die Grundpflege. Die Behandlungspflege muss also über den Eigenanteil an den Pflegekosten selbst getragen werden. Für den Pflegebedürftigen sind das monatlich circa 300 Euro. Oft besteht bereits eine dramatische Altersarmut. Das, liebe Kollegen, ist unsozial und ungerecht. Dennoch haben Sie unseren Vorschlag fraktionsübergreifend abgelehnt.

(Beifall bei der AfD)

Wissen Sie, Menschlichkeit zeigt sich eben nicht nur in blumigen Worten – „Wir sind die Guten!“ –, sondern vor allem in den konkreten Handlungen.

(Lachen bei der SPD)

– Ich weiß nicht, was Sie da lachen. – Hier, bei unserem Antrag, hätten Sie in der Tat die Möglichkeit gehabt, zu zeigen, dass Sie Demokratie und Gerechtigkeit tatsächlich leben. Hier geht es nämlich nicht um rechts, links und geradeaus, sondern einzig und allein

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Vorwärts!)

um die einfachen Menschen in unserem Land, nämlich die, die pflegebedürftig sind.

Pflege kann nur gut gehen, wenn es den Pflegenden selbst gut geht.

Das ist ein Zitat von Heike Jansen. Dem kann ich nur zustimmen.

(Beifall bei der AfD)

Täglich müssen pflegende Angehörige und angestellte Pflegekräfte einen Balanceakt zwischen Fürsorge und Selbstsorge leisten. Die Pflegestatistik 2017 zeigt, dass knapp 2,9 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sind. Davon waren 83 Prozent älter als 65 Jahre, 37 Prozent davon 85 Jahre und älter. 73 Prozent werden zu Hause versorgt, das sind knapp Dreiviertel aller Pflegebedürftigen. Es wird den stationären Pflegeeinrichtungen eine hohe Anzahl an Patienten durch häusliche Pflege erspart. Gott sei Dank!

Den Aktiven unter euch, die diese häusliche Pflege erbringen, möchte ich meinen Dank für die unschätzbaren Leistungen aussprechen, die ihr für unser Land, für unsere Heimat tagtäglich erbringt –

(Beifall bei der AfD)

wider allen politischen, organisatorischen und finanziellen Unzulänglichkeiten, die natürlich an der Gesundheit der Aktiven nagen.

Die demografische Entwicklung, auch international, lässt den Bedarf an Pflegepersonal in der Kranken- und Altenpflege wieder ansteigen und führt zu erheblichen Problemen, nicht nur für Deutschland. So wird der Ferne Osten, wie zum Beispiel China, selbst zum größten Konkurrenten um den Pool der Pflegefachkräfte weltweit. Das ist eine tatsächliche Herausforderung. Hier, Herr Spahn, werden Sie sich mehr einfallen lassen müssen.

(Beifall bei der AfD)

Noch einmal: Gerechtigkeit wäre ein guter Ansatz, die Probleme anzugehen. Bereits jetzt arbeiten mehr als ein Viertel der 5,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gesundheitswesen. Gerade im Verdienst finden sich massive Unterschiede; das wissen Sie sicherlich. Beschäftigte im Osten verdienen im Schnitt 23 Prozent weniger als die Kollegen im Westen. Das ist unsozial, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Eine Fachkraft der Altenpflege im Osten erhält circa 2 211 Euro brutto, eine Pflegehelferin im Schnitt 1 662 Euro. Wollen Sie auf die Angebote aus China warten, die die Frustration im Osten dieses Landes neutralisieren werden, meine Damen und Herren? Da, liebe Regierungskoalition, ist Kreativität, Gerechtigkeit und Umdenken im Management gefragt. Das vermissen wir bei Ihrem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz.

(Beifall bei der AfD)

Wir vermissen auch die Berücksichtigung des Pflegeaufwands der Rehakliniken nach blutiger Verlegung. Wir vermissen ebenso die Berücksichtigung der Leistungen von stationären Physio- und Ergotherapeuten und Logopäden durch das Gesetz. Genauso ist es mit der prekären Situation der Hebammen in den Krankenhäusern, um nur einiges anzuführen.

Unverständlich ist auch die im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz angegebene Förderung zum Abbau der Betten oder gar Schließung der Krankenhäuser. In der Drucksache 19/4729, Gegenäußerung der Bundesregierung, geben Sie Folgendes an – Zitat –:

Mit der Schließung eines nicht mehr bedarfsgerechten Krankenhauses oder eines nicht mehr bedarfsgerechten Krankenhausstandorts kann ein weiterreichender Beitrag zur Strukturverbesserung geleistet werden als mit einer Stilllegung nur einzelner Krankenhausbetten. ... Daher solle eine Konzentration des Leistungsangebots auf weniger Standorte vorangetrieben werden.

Im Jahr 2017 gab es 1 942 Krankenhäuser bei einer Gesamtpatientenzahl von 19,4 Millionen. Im Jahr 2000 waren es 2 242 Krankenhäuser, die Gesamtpatientenzahl lag bei nur 17,2 Millionen. Das entspricht einem Rückgang der Standorte um sage und schreibe 13 Prozent bei einer Fallzunahme von 13 Prozent. Meine Damen und Herren, was sehen wir an diesem Beispiel? Es nützt nichts, die Augen vor der unausweichlichen Realität zu verschließen. Soziale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen kann nur als gemeinsamer, fraktionsübergreifender Kraftakt gelingen.

Seit einem Jahr sitze ich nun im Bundestag und erlebe, dass persönliche Interessen oft wichtiger sind als die gravierenden Probleme, die angegangen werden müssen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Ihrer Fraktion? Sie erleben das in Ihrer Fraktion, oder wie?)

Kommen Sie bitte zum Ende. Sie sind weit über Ihre Redezeit.

Das macht mich ein bisschen traurig und desillusioniert mich ein wenig.

Wir brauchen hier einen großen Wurf.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Wir fordern eine effiziente, fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, einen Neustart im Gesundheitswesen und die Abschaffung des ineffizienten DRG-Systems. Wir fordern auch, die Sorgen und Nöte der Menschen in Deutschland wieder ernst zu nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich darf Sie auf Folgendes hinweisen: Wenn es vorne rot blinkt, dann ist die Redezeit zu Ende. Das gilt für alle. Aber Sie haben deutlich überzogen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wird den anderen abgezogen! Ist doch ganz einfach!)

Nächster Redner: Dr. Karl Lauterbach für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289780
Wahlperiode 19
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Pflegepersonalstärkungsgesetz
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