09.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 62 / Zusatzpunkt 9

Nicole WestigFDP - Pflegepersonalstärkungsgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der vorgelegte Entwurf reicht allerdings nicht aus, um Pflegende wirklich zu stärken.

(Beifall bei der FDP)

Wir begrüßen, dass sich der Gesetzentwurf im Lauf der parlamentarischen Beratungen leicht verbessert hat. Dazu gehören die Anerkennung der Wirtschaftlichkeit von Tariflöhnen in der ambulanten Pflege und die Erleichterungen für pflegende Angehörige in der Reha. Dennoch täuschen diese Nachbesserungen nicht darüber hinweg, dass das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz in erster Linie das Personal in der Krankenpflege stärkt.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ist es!)

Auf der Strecke bleibt insbesondere die ambulante Altenpflege.

(Beifall bei der FDP – Dr. Edgar Franke [SPD]: Haben Sie das Gesetz nicht gelesen, oder was?)

Schon jetzt müssen Pflegedienste Pflegebedürftige aus Personalnot abweisen. Besonders hart trifft dies den größten Pflegedienst, den unser Land hat: die pflegenden Angehörigen, die sich um mehr als 70 Prozent der Pflegebedürftigen kümmern. Eine gestern veröffentlichte Studie zeigt, dass viele von ihnen am Limit sind. Sie brauchen mehr professionelle Unterstützung, gezielte Beratung und Angebote zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Axel Gehrke [AfD])

Den pflegenden Angehörigen bietet das Gesetz Verbesserungen für die Rehabilitation. Was aber bitte schön tun Sie, um vorzusorgen, dass es erst gar nicht so weit kommt?

Wieder einmal herabgesetzt wird die Ausbildung in der Altenpflege. Das nehmen wir nicht hin. Deshalb legen wir als Freie Demokraten einen Entschließungsantrag vor, der gleiche Chancen in der Ausbildung für die Kranken- und die Altenpflege schafft.

(Beifall bei der FDP)

Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz will Auszubildende in der Krankenpflege in ihrem ersten Ausbildungsjahr nicht mehr auf den Personalschlüssel anrechnen. Das ist gut und richtig so. Auszubildende sind Lernende und keine beliebig einsetzbaren vollwertigen Arbeitskräfte.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb fordern wir, dass das, was für Azubis in der Krankenpflege gilt, auch für diejenigen in der Altenpflege gilt. Auszubildende haben eine Schlüsselfunktion für das Bild des Pflegeberufs. Wenn wir den Beruf wirklich attraktiver machen wollen und mehr Menschen für die Pflege begeistern wollen, dann müssen wir hier ansetzen. Hier liegt die zentrale Schwäche des Gesetzes.

Personal, das gestärkt werden soll, muss erst einmal vorhanden sein. Was aber fehlt, ist ein umfassendes Konzept zur Gewinnung von mehr Pflegekräften. Die Besetzung der zu Recht finanzierten Stellen ist fraglich. Die Abwanderung von Pflegekräften aus der Altenpflege in die Krankenhäuser ist vorprogrammiert. Noch verschärft wird der Konkurrenzkampf um die Fachkräfte durch die Personaluntergrenzen. Wenn Krankenhäuser diese nicht erreichen, drohen Sanktionen. Es fehlt doch nicht am Willen, Pflegekräfte einzustellen, sondern schlicht an der Verfügbarkeit. Honorarkürzungen oder Stationsschließungen stärken niemanden. Sie gehen zulasten der Patientinnen und Patienten. Deshalb, Herr Minister: Legen Sie baldmöglichst ein Konzept für mehr Pflegekräfte vor!

(Beifall bei der FDP)

Tun Sie es mit derselben Entschlossenheit, mit der Sie sich um den CDU-Vorsitz bewerben!

(Beifall bei der FDP – Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das war aber billig!)

Das Herauslösen der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System setzt ebenso Fehlanreize. So gehen Kliniken die Anreize verloren, sich um effizientere Arbeitsmethoden zu bemühen, um Prozesse etwa durch Digitalisierung zu optimieren. Wirtschaftliches Arbeiten und Wettbewerb sind nichts Falsches. Sie haben erheblich zur aktuellen Qualität in deutschen Krankenhäusern beigetragen. Jetzt fordern auch andere Berufsgruppen, aus den Fallpauschalen herausgelöst zu werden. So sind wir auf dem besten Weg zurück zur Selbstkostendeckung.

(Beifall des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Das halten wir für grundfalsch.

Für ein echtes Umsteuern braucht es mehr, nämlich eine grundlegende Struktur- und Finanzreform für die Krankenhäuser. Herr Minister, Sie behaupten, die Marktwirtschaft nicht verlernt zu haben. Aber das, was Sie hier vorlegen, ist Planwirtschaft

(Widerspruch bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– mein Vorredner hat ja ein klares Bekenntnis zur Planwirtschaft abgegeben –, noch dazu mit erheblichem bürokratischem Aufwand. Nur zu digitalisieren, ist noch keine Entbürokratisierung. Das ist der falsche Weg.

Wie eingangs gesagt, begrüßen wir prinzipiell das Ansinnen, das Pflegepersonal zu stärken. Deswegen hätten wir dem Gesetzentwurf gerne zugestimmt. Aber dieses Gesetz trägt seinen Titel zu Unrecht; denn es ist nicht geeignet, das Pflegepersonal nachhaltig zu stärken. Deswegen lehnen wir Freien Demokraten den Entwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollegin Westig. – Nächste Rednerin: Pia Zimmermann für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289782
Wahlperiode 19
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Pflegepersonalstärkungsgesetz
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