Jürgen HardtCDU/CSU - Deutsch-Französische Zusammenarbeit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir von der CDU/CSU-Fraktion finden es gut und richtig, dass wir heute hier über diesen Antrag beraten – wir werden ihn dann im Ausschuss weiter bearbeiten –, weil es uns am Herzen liegt, uns zwei Tage vor dem 100. Jahrestag des Waffenstillstands von Compiègne der Frage zuzuwenden, warum es eigentlich mit diesem Projekt der Friedensstiftung nach dem Ersten Weltkrieg, in dem ja auf allen Seiten enorme Traumatisierungen stattgefunden haben und die Friedenssehnsucht der Menschen enorm groß war, dennoch nicht gelungen ist, einen dauerhaften Frieden zu etablieren, und was wir daraus für die heutige Zeit lernen können. Ich glaube, der Sinn und Nutzen einer Debatte heute, 100 Jahre danach, ist die Erkenntnis, dass wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen dürfen.
Ich glaube, einer der wesentlichen Fehler in der Situation zwischen November 1918 und Juni 1919, als der Versailler Vertrag geschlossen wurde, war, dass zum einen auf der Seite der Besiegten zu wenig Akzeptanz von Schuld und zu wenig Erkenntnis von Verantwortung, die daraus erwächst, vorhanden war und dass man zu leicht und zu gerne den Legenden, der Dolchstoßlegende oder der Legende vom verstümmelten Sieg, angehangen hat, anstatt zu erkennen, dass es natürlich eine ganz maßgebliche Verantwortung auf der Seite Deutschlands gab. Zum anderen hat man auf der Seite der Sieger zu wenig beachtet, dass natürlich auch der Unterlegene Würde hat, dass auch die zukünftige Generation des unterlegenen Volkes ein Recht auf Zukunft hat.
Beides ist nicht beachtet worden. Man hat sich in gegenseitige Demütigungen verstrickt. Das ging ja so weit, dass Adolf Hitler nach dem vorläufigen Sieg über Frankreich im Juni 1940 den Eisenbahnwaggon aus dem Pariser Museum in den Foret de Compiègne hat stellen lassen, um die französische Seite zu demütigen, indem er den französischen Generalstab zwang, den Waffenstillstand nach dem Westfeldzug am gleichen Ort wie 1918 zu unterzeichnen. Das ist eine Demütigung gewesen, die natürlich ein enormes Problem darstellte und der Versöhnung entgegenstand.
Daraus haben wir für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gelernt. Wir haben gelernt, dass man auch nach einem solch schrecklichen Krieg die Würde des anderen akzeptieren und Schuld und Verantwortung anerkennen muss und dass diese beiden Voraussetzungen Versöhnung eben erst möglich machen.
Die deutsch-französische Aussöhnung ist eines der großen Wunder, eines der großen Geschenke der Geschichte. Ich selbst bin als Austauschschüler in Compiègne gewesen und habe den Großvater meiner Gastfamilie besucht. Dieser alte, vom Krieg traumatisierte Mann sagte immer zu mir: Ne jamais la guerre! – Niemals wieder Krieg. Ich als 15-jähriger Deutscher konnte gar nicht verstehen, warum dieser Opa in Frankreich mir das sagen musste; aber er war eben noch unter dem Eindruck des Krieges. Und es ist wunderbar, dass es uns gelungen ist, das zu überwinden.
Ich freue mich sehr darauf, dass wir im kommenden Januar an das anknüpfen, was wir bereits in diesem Jahr im Januar mit Blick auf die Weiterentwicklung der deutsch-französischen Freundschaft begonnen haben – regierungsseitig durch die Erneuerung des Élysée-Vertrags, parlamentsseitig durch die Erneuerung eines entsprechenden Parlamentsabkommens, an dem ja alle Fraktionen gut und maßgeblich arbeiten.
Ich freue mich darauf, dass wir auch für die Zukunft die richtigen Lehren ziehen und Deutschland bei den Vereinten Nationen, im UN-Sicherheitsrat, einen Beitrag dazu leisten kann, das geordnete und geregelte System von Konfliktbewältigung weiterzuentwickeln; denn dieses System ist Stress ausgesetzt: Russland bricht bestehende europäische Verträge – die Charta von Paris – durch den Einmarsch auf der Krim und seinen Einfluss in der Ostukraine. Amerikanische Präsidenten kündigen Verträge auf, von denen wir eigentlich geglaubt haben, dass sie ein Stück weit Fundament der gemeinsamen regelbasierten Ordnung darstellen. In Europa ist die multilaterale europäische Struktur durch den Austritt der Briten aus der EU, aber eben auch durch die Skepsis in anderen Mitgliedstaaten gefordert.
Wir müssen den Multilateralismus stärken. Wir müssen die Lehre ziehen, dass Konflikte in multilateralen Strukturen friedlich beigelegt werden müssen, dass der – von mir aus nächtelange – Dialog der Weg ist, wie wir unsere Konflikte bewältigen, und eben nicht mehr die Konfrontation. Lasst uns die Win-win-Situation für die Menschen in der Welt stärken! Deutschland soll dazu einen Beitrag leisten. Das ist für mich die Lehre aus dem heutigen Gedenktag.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vielen Dank, Jürgen Hardt. – Nächster Redner: Armin-Paulus Hampel für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289797 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 62 |
Tagesordnungspunkt | Deutsch-Französische Zusammenarbeit |