Volker UllrichCDU/CSU - Deutsch-Französische Zusammenarbeit
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben besonders am heutigen Tag die Verpflichtung, aus der Geschichte zu lernen. Die Ereignisse der letzten 100 Jahre zeigen, dass diese Erkenntnis nicht zu jedem Teil der deutschen Geschichte gegenwärtig war. Das politische Klima nach dem Ersten Weltkrieg war nicht von Versöhnung und Zusammenarbeit geprägt, sondern vom Gedanken des Stärkeren und des Misstrauens. Es stand nicht Zusammenarbeit im Vordergrund, sondern die Frage: Wie kann ich selbst alleine stark bleiben? Die Geschichte hat gezeigt, dass dieser Weg falsch war.
Wir müssen aber auch daran erinnern, dass bereits nach dem Ersten Weltkrieg die ersten Pflanzen der Aussöhnung und der Friedensarbeit zwischen Deutschland und Frankreich entstanden sind, nicht nur durch Aristide Briand und Gustav Stresemann, die 1926 dafür mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden sind, sondern übrigens auch durch Ferdinand Buisson und Ludwig Quidde, die 1927 den Friedensnobelpreis bekommen haben. Diese Bemühungen waren – das ist bitter für unsere Geschichte – am Ende ohne Erfolg.
Wie sehr müssen wir uns das Glück vor Augen führen, dass es gelungen ist, nach einem weiteren, noch viel grausameren Krieg die deutsch-französische Aussöhnung zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Was hat das denn auf die Franzosen für einen Eindruck gemacht, dass sie sich mit Deutschland auseinanderzusetzen haben – einem Land, das den Nachbarn zweimal überfallen hat und durch das furchtbare Geschehnisse aufgetreten sind wie das Massaker von Oradour-sur-Glane, das wir niemals vergessen dürfen?
Es waren de Gaulle und Adenauer, zwei Staatsmänner, die beide jeweils den Ersten und Zweiten Weltkrieg erleben mussten, die diese Aussöhnung auf den Weg gebracht haben. Aber diese Aussöhnung wäre nicht möglich gewesen ohne das französische Volk. Es wäre nicht möglich gewesen ohne viele Menschen, die bereit waren, zu sagen: Plus jamais la guerre. – Und es wäre nicht möglich gewesen ohne die vielen Initiativen, die in den letzten 50, 60 Jahren entstanden sind, durch Städtepartnerschaften und Schüleraustausche. Ich selbst bin Anfang der 90er-Jahre in Frankreich von meiner damaligen Gastfamilie sehr herzlich empfangen worden. Und das war nur 80 Kilometer von Oradour-sur-Glane entfernt. Mit dem gesamten historischen Wissen kann ich sagen, was es eigentlich für eine Gnade ist, dass wir das alles erleben dürfen. Deswegen sage ich heute ganz bewusst: Es ist ein Teil des glücklichen Umstandes unserer Geschichte, dass die deutsch-französische Freundschaft lebt und diese Aussöhnung gelungen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und ja, wir haben daraus die Verpflichtung, diese Freundschaft weiter zu vertiefen. Das beginnt mit der Sprache, damit, dass wir wieder stärker bereit sein müssen, die Sprache des Nachbarn zu lernen und zu sprechen – auf beiden Seiten des Rheins. Es beginnt damit, dass wir dafür sorgen müssen, dass in den Schulen noch stärker aufeinander zugegangen wird. Es beginnt damit, dass wir Städtepartnerschaften weiter pflegen. Es beginnt aber auch damit, dass sich die gewählten Parlamentarier in dieses Projekt noch stärker einbringen, die direkt vom Volk gewählten Vertreter Deutschlands und Frankreichs, und zwar nicht indem wir die anderen in Europa ausschließen, sondern indem wir ein gutes Beispiel abgeben, dass Europa, dass Freiheit, dass Frieden und Sicherheit nur gemeinsam entstehen können.
Es geht nicht mehr um ein „Die einen gegen die anderen“, sondern die Frage ist einzig und allein: Wie können wir es gemeinsam besser machen für Frieden und für Freiheit in Europa? Das ist die wichtige Botschaft am heutigen Tag. Deswegen bin ich froh, dass wir nächstes Jahr dieses Parlamentsabkommen beraten und beschließen werden.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289812 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 62 |
Tagesordnungspunkt | Deutsch-Französische Zusammenarbeit |