09.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 62 / Zusatzpunkt 12

Susanne MittagSPD - Änderung des Tierschutzgesetzes

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Fünf Jahre, 10 000 Betriebe, 20 Millionen männliche Ferkel – darüber reden wir heute. Das ist keine Kleinigkeit. Seit fünf Jahren gibt es das wirklich sehr gute Gesetz – das wollen wir einmal festhalten –, und ab dem 1. Januar 2019 ist die betäubungslose Kastration von bis zu acht Tage alten Ferkeln verboten. Und nein, sie sind nicht eine Woche lang nach ihrer Geburt schmerzunempfindlich. Das ist jetzt wissenschaftlich bewiesen. Es tut ihnen weh.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt 10 000 Sauenhalter in Deutschland, größtenteils kleine und mittelständische Betriebe – das muss man auch akzeptieren –, und rund 40 Millionen Ferkel insgesamt deutschlandweit. Dazu kommen 10 Millionen, die aus den Niederlanden und Dänemark importiert werden. Ich sage das, damit man die Größenordnung vor Augen hat.

Wo ist das Problem? Leider ist das Problem die mangelnde Tatkraft im Landwirtschaftsministerium. Das tut mir jetzt ein bisschen leid; aber das müssen wir einmal benennen. Ab dem 1. Januar 2019 sollten Ferkel nur noch schmerzfrei kastriert werden. Das ist ein wichtiger Schritt; denn in unseren Nachbarländern reicht das Wort „schmerzlindernd“ aus. Da darf das ruhig ein bisschen weh tun, und zwar auch noch in den nächsten Jahren. Ich weiß nicht, was sich Landwirtschaftsministerium und die vielen Verbände – das möchte ich ganz deutlich sagen – bei der Vorbereitung der Umsetzung dieses Gesetzes, das es schon fünf Jahre gibt, gedacht haben. Wahrscheinlich nicht so viel. Sie haben wahrscheinlich gedacht: „Das wird schon irgendwie klappen“, oder: „Wir warten einfach auf einen vierten Weg“; dazu gibt es ja wieder so einen merkwürdigen Antrag. Letztendlich ist der Ferkelzüchter in der ganzen Diskussion vor Ort alleingelassen worden. Er muss gucken, wie er damit umgeht.

Aber was bringt es nun, über vergossene Milch zu reden, wie man in der Landwirtschaft sagt? Es gibt ja drei Möglichkeiten:

Ebermast. Das Wort ist wohl selbsterklärend. Am Ferkel bleibt alles dran, aber ein geringer Marktanteil.

Eberimpfung. Das ist in Belgien und Australien zum Beispiel ein völlig gängiges und unproblematisches Modell. Das Ferkelchen bleibt komplett, der Mäster muss impfen. Und nein, das ist kein Hormon, was immer wieder verbreitet wird.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Marktanteil ist auch gering, weil der Verbraucher das angeblich nicht will. Wer sagt das eigentlich? – Die Schlachtindustrie, die sich organisatorisch umstellen müsste und in der Mitte der Wertschöpfungskette eine enorme Marktmacht entwickelt hat. Das gilt zumindest für die großen Unternehmen. Darüber wird auch noch zu reden sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die dritte Möglichkeit ist – gängig ausgedrückt – die kleine Ferkelmaske, die Isoflurannarkose. Eine kurze Betäubung – nein, das Ferkel liegt nicht stundenlang irgendwo rum; es handelt sich um Minuten –

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 80 Sekunden!)

und eine Wundbehandlung. Das wird seit zehn Jahren in der Schweiz erfolgreich praktiziert. Das gibt es in Deutschland beim Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes und im Biobereich. Auch hier ist der Marktanteil immer noch sehr gering. Das wird sich jedoch ändern, da wir diese letzte Methode endlich praxisreifer machen und die Anwendungsbreite erheblich verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Das Ministerium wird erstmals verpflichtet, per Verordnung zu regeln, dass diese Narkose durch den Landwirt durchgeführt werden kann. Da sind wir uns einig. Das ist ein Riesenschritt. Leider gibt es nämlich nicht genügend Tierärzte für 80 Prozent der Ferkel. Zusätzlich gibt es Geld für Geräte – das ist schon gesagt worden –, damit die Alternative innerhalb der Frist komplett umgesetzt werden kann.

Das hätte alles schon durch Frau Klöckners Vorgänger – das muss man gerechtigkeitshalber sagen – erledigt werden können, ist es aber nicht. Darum holen wir das jetzt nach, und zwar mit einem verbindlichen Handlungskatalog für das Ministerium, mit Fristen – das ist auch schon erwähnt worden – für die erforderliche Verordnung, für die Beschulung der Tierhalter, Beratung für Betriebe und für eine öffentliche Kampagne zur Aufklärung darüber, dass diese drei Methoden sehr wohl gut anwendbar sind. Das ist, wie schon gesagt, die allerletzte Frist, ohne Aussicht auf nochmalige Verlängerung. Das muss jetzt endlich umgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir tun das, damit die Ferkelzüchter eine Perspektive haben und der Markt nicht mit unter Schmerzen kastrierten Ferkeln aus dem Ausland aufgefüllt wird. Diese Entscheidung fällt mir überhaupt nicht leicht, und schon gar nicht als Tierschutzbeauftragte.

Damit sich die Versäumnisse nicht wiederholen, werden wir diesem Änderungsgesetz einen Entschließungsantrag anfügen, der das Ministerium auch in weiteren seit langem offenen Tierschutzfragen ein bisschen antreiben soll – sagen wir mal so –, damit es beschleunigt vorangeht.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: „Ein bisschen“ reicht aber nicht!)

Dazu zählt zum Beispiel der TÜV für Tierschutzställe. Eckpunkte dafür liegen im Ministerium schon vor.

Es geht um Wege zum Ausstieg aus dem Enthornen von Rindern und dem Abschneiden von Ringelschwänzen von Schweinen, was per EU-Richtlinie von 1994 eigentlich schon längst verboten ist. Es droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Frau Klöckner hatte das schon einmal mitgeteilt. Da muss jetzt mal langsam ein bisschen Dampf rein.

(Beifall bei der SPD)

Hinsichtlich des Verhinderns des Tötens von Eintagsküken ist das Landwirtschaftsministerium mit Verbrauchern, zum Beispiel der REWE-Gruppe, auf einem guten Weg. Auch da gibt es mittelfristig offenbar eine Lösung. Das habe ich mit Begeisterung gehört.

Wir brauchen einen Sachkundenachweis für Tierhalter. Wieso kann in Deutschland eigentlich jeder alles halten? Das geht doch nicht.

Bezüglich der Tiertransporte im In- und Ausland hat sogar die Agrarministerkonferenz zum Handeln aufgefordert, und zwar auf EU-Ebene, aber auch auf nationaler Ebene. Der Export von Schlachttieren aus Deutschland kann verboten werden. Das ist überhaupt kein Problem. Das kann kurzfristig organisiert werden.

Es geht auch um den Handel mit Exoten und Welpen über Tierbörsen und das Internet. Das ist eine Art der organisierten Kriminalität, die es schon lange zu regeln gilt. Auch da ist es wichtig, dass wir jetzt endlich eine Frist festschreiben.

(Beifall bei der SPD)

Hier können wir vergleichsweise leicht und kurzfristig einiges regeln. Wir können die Anonymität der Verkäufer verbieten. Es gibt schon eine Studie über Handlungsmöglichkeiten. Die muss nur umgesetzt werden. Wir wollen nicht, dass man weiterhin untätig bleibt. Wir diskutieren darüber eigentlich schon viel zu lange.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Ohne Fristen, klare Handlungskataloge und eine enge parlamentarische Begleitung scheint das nicht zu schaffen zu sein. Wir stellen mit der Gesetzesänderung und dem kommenden Entschließungsantrag sicher, dass wir in übersichtlicher Frist mehr für Tierschutz tun können. Das Tier soll nicht länger nur unseren Vorgaben angepasst werden, sondern der Mensch muss sich irgendwann auch einmal den Bedürfnissen der Tiere anpassen, diese akzeptieren und entsprechend handeln. Ich hoffe, dass wir das in der Koalition gut hinbekommen, und zwar innerhalb dieser Frist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

Die Kollegin Carina Konrad hat das Wort für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289817
Wahlperiode 19
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Änderung des Tierschutzgesetzes
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