09.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 62 / Zusatzpunkt 16

Lothar MaierAfD - Humanitäre Katastrophe in Jemen und Rüstungsexport

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vier vorliegenden Anträge – zwei der Linken, zwei der Grünen – haben allesamt dasselbe Ziel, nämlich die Verunmöglichung weiterer Rüstungsexporte aus Deutschland,

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Gut so! – Beifall des Abg. Tobias Pflüger [DIE LINKE])

egal wohin. Als Beispiel wird in diesem Fall allerdings die Konfliktsituation auf der Arabischen Halbinsel verwendet.

Vor dem Hintergrund Ihrer bisherigen verteidigungspolitischen Intentionen muss man sich allerdings fragen: Wollen Sie – die Antragsteller dieser vier Anträge – eigentlich überhaupt ein verteidigungsfähiges Deutschland? Oder wollen Sie eines, das möglichst klein und hilflos ist, das sich auf soziale Verteidigung stützt, was sich dann nicht mit Streitkräften bewerkstelligen lässt, sondern vielleicht mit Sozialpsychologen und Sozialpädagogen?

(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schaut man sich an, was Sie in der Vergangenheit dazu gesagt haben, muss man wohl eher das Letztere annehmen.

Zugleich fordern Sie – zuletzt in den vergangenen Wochen – immer wieder moralisch begründete Interventionen auch der deutschen Streitkräfte in Ländern, in denen es kaum wirkliche deutsche Interessen gibt. Diesen Widerspruch werden Sie zunächst mal auflösen müssen, bevor Sie Rüstungsexporte verhindern können.

(Lachen des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ungeachtet Ihrer Politik und der Politik der Koalitionsparteien gibt es immer noch deutsche Streitkräfte – zumindest in Resten.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Wir reden gerade über die humanitäre Katastrophe im Jemen! Was reden Sie da?)

Für die Rüstungsindustrie gilt dasselbe. Das Gleiche kann sicherlich auch von den Streitkräften vieler unserer Nachbarländer gesagt werden, die unter der falschen Vorstellung einer Friedensdividende über Jahre und Jahrzehnte kaputtgespart worden sind.

Die Einsatzfähigkeit von Streitkräften hängt ganz allgemein von drei Dingen ab.

Erstens: von der Einsatzbereitschaft der Soldaten, der Motivation der Soldaten. Wir wollen die einmal als gegeben annehmen, auch wenn einige Parteien in diesem Haus wenig dafür tun, das zu erhalten.

Sie hängt zweitens ab von dem vorhandenen Material der Streitkräfte: an Waffen, an Ausrüstung, an Munition, an Sicherheitsausrüstung und allem anderen, was dazugehört.

Sie setzt sich drittens aus der Kapazität der Industrieproduktion zusammen, und das bestimmt die Durchhaltefähigkeit bei Konflikten, die nicht nur ein paar Tage dauern, sondern auf mittlere und lange Sicht durchzuhalten sind. Damit allerdings sieht es in Deutschland schlecht aus. Die deutsche Rüstungsindustrie beschäftigte im Jahr 1990 noch knapp 300 000 Menschen. Heute sind es 55 000, ein Bruchteil davon. Der gesamte Umsatz der deutschen Rüstungsindustrie betrug im Jahr 2016 – das ist die letzte verlässliche Zahl, die ich finden konnte – 13 Milliarden Euro; das ist weniger als der gesamte Umsatz des Sportartikelherstellers Adidas mit 21 Milliarden Euro. Nun tritt ein Mechanismus ein, den wir aus allen wirtschaftlichen Bereichen kennen: Fehlen Aufträge, vermindern Unternehmen die Produktionskapazitäten, und es geht noch weiter bergab. Sind die bestellten Stückzahlen minimal, dann steigen die Stückkosten; das ist ebenfalls ein wirtschaftliches Grundprinzip. Wenn Sie das verhindern wollen, bleibt nur der Export, der die Stückkosten auf einer Höhe hält, die vertretbar ist für die eigenen Streitkräfte und auch für die Exportkunden. Fällt der Export weg, dann steigen die Ausrüstungskosten für die eigenen Streitkräfte ins Unermessliche. Dann müssten Sie am Ende nicht 1,5 oder 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dafür aufwenden, sondern eher das Doppelte. Sie können ja schon mal überlegen, welche Sozialprojekte Sie dann streichen.

(Beifall bei der AfD)

Wir haben über die Jahrzehnte eine immer restriktivere deutsche Exportpolitik gehabt. Sie führt inzwischen zu Verrücktheiten wie German-free-Produktionen, also der Produktion von Rüstungsgütern, in denen garantiert kein Stück aus deutscher Produktion enthalten ist, damit der Kunde nicht befürchten muss, dass er auf dem Trockenen sitzt, wenn die Deutschen mal wieder sagen: Wir liefern nicht. – Wer Exportzusagen macht, der muss auch bereit sein, zu liefern, auch wenn sich die aktuelle Lage geändert hat.

Was bedeutet das nun für Exporte in Länder der Arabischen Halbinsel? Die dort andauernden Konflikte sind weitgehend Stellvertreterkriege. Dort überschneiden sich Interessen der USA, des Iran, der Türkei, Russlands, Israels, Saudi-Arabiens und anderer Mächte. Die direkt oder indirekt intervenierenden Mächte dort verfügen über alle erdenklichen Möglichkeiten, ihre jeweiligen Verbündeten zu jeder Zeit mit Waffen und Ausrüstung zu versorgen, egal was Deutschland macht. Auch die Art und Mentalität der dort agierenden Kämpfer, die zum Teil wirklich noch Stammeskrieger sind, und die Topographie des Geländes etwa im südlichen Arabien machen eine externe Rüstungskontrolle praktisch unmöglich – eine Erfahrung, die auch schon die Ägypter in den 1960er-Jahren machen mussten, als sie dort intervenierten.

Das häufigste Interesse Deutschlands an anderen Ländern ist, dass dort Stabilität herrscht, weshalb die regionalen Ordnungsmächte unterstützt werden. Allerdings sollten diese mit dem Ziel eingreifen, die Konflikte zu beenden und sie nicht eskalieren zu lassen und ins Endlose zu steigern. Jemandem Waffen zu liefern, der damit dauerhaft erfolglos ist, liegt nicht im deutschen Interesse. Vor diesem Hintergrund allerdings kann auch die Belieferung Saudi-Arabiens durchaus diskutiert werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Maier. – Als Nächster spricht zu uns der Kollege Bernhard Loos, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289845
Wahlperiode 19
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Humanitäre Katastrophe in Jemen und Rüstungsexport
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