Renata AltFDP - Humanitäre Katastrophe in Jemen und Rüstungsexport
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Am 23. Februar stand ich hier zum ersten Mal und durfte in diesem Hohen Haus meine erste Rede halten. Damals ging es auch um das Thema Jemen und um den Antrag der Kollegen der Grünen und der Linken. Schon damals betonte und appellierte ich an die Bundesregierung, wie wichtig es ist, alles Mögliche zu unternehmen, um die humanitäre Katastrophe im Jemen zu verhindern bzw. zu stoppen.
Wo stehen wir heute, neun Monate später? Die Situation ist noch dramatischer als damals. Der Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die regionale Vormacht wird weiterhin auf dem Rücken der jemenitischen Bevölkerung ausgetragen. Die humanitäre Lage bleibt katastrophal. Die Blockade von Häfen und Flughäfen betrifft regelmäßig auch humanitäre Hilfslieferungen. Die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren ist chronisch mangelernährt. Drei Viertel der Bevölkerung bleibt auf Hilfe angewiesen. Friedensgespräche scheitern regelmäßig, zuletzt im September.
Seit Dienstag dieser Woche eskaliert die Situation im Jemen zusehends. Die Bundesregierung muss deshalb gemeinsam mit europäischen Verbündeten und den USA auf ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen drängen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es muss jetzt vorrangig darum gehen, die Zivilisten zu befreien, die zwischen den Fronten eingesperrt sind, zum Beispiel in der Hafenstadt al-Hudaida. Ihr kommt eine entscheidende Rolle bei der Versorgung der Bevölkerung zu. Ohne eine ausreichend große Verlade- und Transportkapazität in den wenigen verbliebenen Häfen des Landes können die 22 Millionen Menschen, die heute Not leiden, nicht versorgt werden. Wir können auch nicht akzeptieren, dass das international agierende Rote Kreuz in den Hauptstädten der Kriegsparteien um Erlaubnis bitten muss, um vor Ort helfen zu dürfen.
(Beifall bei der FDP)
Es darf nicht sein, dass es weiterhin nur Lippenbekenntnisse gibt. Das beziehe ich auch ausdrücklich auf die Bundesregierung.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dass die Umsetzung des Koalitionsvertrages Sie herausfordert, ist allgemein bekannt. Doch wie unverblümt Sie Ihre eigenen Absprachen brechen, ist schon bemerkenswert. Seit dem groß angekündigten Stopp von Rüstungsexporten haben Sie Ausfuhren im Wert von über 250 Millionen Euro an Saudi-Arabien genehmigt.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
Noch dazu stehen einige dieser Exporte im Verdacht, für die Seeblockade gegen den Jemen eingesetzt zu werden.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Es ist wirklich beschämend, Herr Loos – wo ist er? –,
(Bijan Djir-Sarai [FDP]: Der ist schon weg! Der ist schon gegangen!)
dass es erst des abscheulichen Mordes an Jamal Khashoggi bedurfte, damit diese Bundesregierung endlich verkündete, keine neuen Genehmigungen mehr zu erteilen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie Ihren Worten auch Taten folgen! Waffenlieferungen in Krisengebiete darf es nicht geben.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Doch eine Diskussion über ein nationales Rüstungsexportgesetz, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen und Linken, es fordern, ist der falsche Weg.
(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Heiterkeit bei der FDP – Otto Fricke [FDP]: Ihr macht es euch zu leicht! – Gegenruf der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es lief so gut!)
Damit werden wir die Exportpraxis weder in Deutschland noch in Europa effektiv ändern können. Das zeigen heute schon Projekte wie Eurofighter und das Radarsystem COBRA. Hier hilft kein nationaler Alleingang. Außen- und Sicherheitspolitik sind schon längst europäisiert. Lassen Sie uns deshalb bitte eine andere Strategie wählen! Wir brauchen einen anderen Ansatz. Wir brauchen eine europäisierte Rüstungskontrolle.
(Beifall bei der FDP – Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Meine Rede!)
Es wird ein harter Weg; ich bin mir dessen bewusst. Aber lassen Sie uns die Gespräche beginnen! Die Regierung ist jetzt am Zug. Ich bitte Sie: Beginnen Sie dringend diese Gespräche! Fangen Sie an, mit den Kooperationspartnern in Europa zu sprechen, damit wir endlich zu einer europäischen Lösung der Rüstungskontrolle kommen.
Kommen Sie bitte zu Ihrem letzten Satz.
Setzen Sie sich bitte noch aktiver für den Frieden im Jemen ein, als Sie es bis jetzt getan haben!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Otto Fricke [FDP]: So macht man das!)
Herzlichen Dank. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke die Kollegin Sevim Dağdelen.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289850 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 62 |
Tagesordnungspunkt | Humanitäre Katastrophe in Jemen und Rüstungsexport |