09.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 62 / Zusatzpunkt 16

Florian PostSPD - Humanitäre Katastrophe in Jemen und Rüstungsexport

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund des brutalen Mordes an dem Journalisten Khashoggi war es richtig, dass die Bundesregierung die weitere Auslieferung der zur Auslieferung stehenden Patrouillenboote an Saudi-Arabien gestoppt hat. Nichtsdestotrotz bleibt es uns nicht erspart, die Folgen zu bedenken – sie wurden heute auch im „Tagesspiegel“ angesprochen –: Große Teile der 300 Mitarbeiter, die sich in der entsprechenden Werft mit dem Bootsbau befasst haben, sind in Kurzarbeit geschickt worden. 35 Boote waren bestellt, 15 sind bereits ausgeliefert. Mit der Produktion 8 weiterer Boote wurde begonnen, 2 bereits fertiggestellte Boote liegen nun auf Halde.

Die Krux ist, dass die Genehmigung für den Bau der Boote vor fünf Jahren erteilt wurde. Jetzt haben sich die politischen Rahmenbedingungen geändert, was zu der Entscheidung geführt hat, dass wir nicht mehr ausliefern. Das muss möglich sein. Wir haben immer argumentiert – zumindest ist das die Auffassung der SPD-Fraktion –, dass gerade bei Rüstungsexporten das Arbeitsplatz- und Industrieargument keine überragende Rolle in der Argumentation spielen darf. Nichtsdestotrotz tragen wir aber die politische Verantwortung, die sich daraus ergebenden Konsequenzen abzufedern. Es kann nämlich nicht sein, dass die Belegschaft und die Unternehmen, die im guten Glauben des Bestehens einer Genehmigung gehandelt haben, die Zeche zahlen müssen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das mit Kosten für den Bundeshaushalt verbunden ist. Man könnte über eine Fondslösung nachdenken und Entschädigungen zahlen.

Der Kollege Loos ist leider nicht mehr anwesend. Ich muss schon sagen, dass es zum Anstand in einer Debatte gehört, nicht unmittelbar nach seiner Rede aufzustehen und den Saal zu verlassen.

(Beifall der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Johann Saathoff [SPD])

Das möchte ich dem geschätzten Wahlkreiskollegen Loos – ich mag ihn eigentlich ganz gern – klarmachen. Es heißt ja „Debatte“ und nicht „Monolog“. Es wäre schön, wenn er noch da wäre. Dann könnte ich ihm die Reihenfolge bei der Entscheidung über Rüstungsexporte klarmachen.

Es gibt das Außenwirtschaftsgesetz, es gibt das Kriegswaffenkontrollgesetz und es gibt die gemeinsamen Grundsätze der Bundesregierung, die jeder Einzelfallentscheidung über einen Rüstungsexport zugrunde liegen. Diese gemeinsamen Grundsätze kommen aus dem von ihm zitierten Jahr 2000. Damals hat noch Rot-Grün regiert, aber auch von der Union wurden diese Grundsätze übernommen. Die Regel ist, dass wir grundsätzlich keine Rüstungsexporte genehmigen. Aber von diesem Grundsatz kann es begründete Ausnahmen geben, und diesen Ausnahmen liegen diese Grundsätze zugrunde. Das ist die Reihenfolge, die einzuhalten ist.

Die SPD arbeitet daran, die Grundsätze zu überarbeiten. Wir wollen die Exekutivverantwortung nicht komplett ins Parlament verlagern.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Warum eigentlich nicht?)

Natürlich entscheidet der Bundessicherheitsrat. Es ist eine Exekutiventscheidung, welche Rüstungsexporte genehmigt werden und welche nicht. Die Aufgabe des Parlaments und der Fraktionen ist es, die Politischen Grundsätze, nach denen sich die Regierung zu richten hat, zu definieren.

Ich möchte dem Kollegen Loos auch in einem Punkt deutlich widersprechen. Selbstverständlich brauchen wir auch künftig eine wirksame Rüstungsexportkontrolle. Die jetzige Rüstungsexportkontrolle zeigt ja auch Wirkung.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Nicht wirklich!)

Neben der Tatsache, dass im ersten Halbjahr 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Rüstungsexporte um 1 Milliarde Euro zurückgegangen sind, haben wir im Koalitionsvertrag mit der Union vereinbart, dass grundsätzlich keine Exporte von Kleinwaffen mehr an Drittstaaten genehmigt werden. Wir setzen uns selbstverständlich dafür ein, dass in Europa eine ganz enge Abstimmung in der Rüstungsexportkooperation stattfinden muss. Es bringt nämlich nichts, wenn mit unterschiedlichen Maßstäben gearbeitet wird und die Rüstungsgüter dann doch in problematischen Gebieten landen.

Wir begrüßen es, dass Österreich, das derzeit den Vorsitz im Europäischen Rat innehat, einen Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien begrüßt und sich eindeutig gegen weitere Exporte ausgesprochen hat.

Wir als SPD-Fraktion werden den Prozess der Erarbeitung weiterer Grundsätze und weiterer Transparenzmaßnahmen hier im Parlament konstruktiv begleiten. Ich hoffe, dass wir auf unseren Koalitionspartner zählen dürfen. Ich lade Sie recht herzlich zur Zusammenarbeit ein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Post. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Thorsten Frei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289857
Wahlperiode 19
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Humanitäre Katastrophe in Jemen und Rüstungsexport
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