Katja LeikertCDU/CSU - Brexit-Übergangsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über Europa reden, und zwar über eines der traurigsten Kapitel, den Brexit, dann reden wir auch darüber, was Europa für uns alle meint. Denn nichts führt uns mehr als dieses bedauerliche Ereignis vor Augen, was passiert, wenn ein Land diese wunderbare Gemeinschaft verlässt. Wir hier, zumindest die meisten von uns – Sie dort auf der rechten Seite nicht; das haben wir ja eben wieder gehört –, empfinden es so, dass Europa unsere täglich gelebte Vision von Frieden und Freiheit ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dass die Europäische Union nicht perfekt ist, das wissen auch wir. Dass sie das Beste ist, was 28 Staaten in einer Nachbarschaft auf die Beine stellen können, das wissen wir aber auch, und das ist weltweit einmalig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Und für dieses Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen, lohnt es sich zu kämpfen, gerade in Zeiten von Brexit und Populismus.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Konstantin Kuhle [FDP] und Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir wissen, wenn wir in Europa zusammenstehen, unsere wirtschaftliche Stärke bündeln, noch enger in den Bereichen Sicherheit, Umwelt und Forschung zusammenarbeiten, dann können wir noch stärker sein. Das ist ein Europa, das ich möchte, für meine Familie, für meine Kinder, für meine Eltern, für uns alle hier, ein Europa, das uns eine Heimat gibt, persönliche Entwicklungschancen fördert, Wohlstand und Sicherheit bietet. Umso tragischer ist es – deswegen verstehe ich die Töne auf der rechten Seite dieses Hauses nicht –, dass gerade einer unserer engsten Nachbarn, Großbritannien, entschieden hat, nicht mehr Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Da geht es mir wie dem Minister: Ich bedaure das sehr, und ich halte es auch nicht für besonders klug.
(Beifall des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])
Das ist nämlich ungefähr so, als würde man das Internet verlassen. Auch das ist nicht besonders sinnvoll.
(Abg. Norbert Kleinwächter [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Man kann daran arbeiten, die Inhalte zu verändern, aber rauszugehen, ist nicht der beste Weg. Es wurde jedoch anders entschieden.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein, danke, besonders nicht von Herrn Kleinwächter.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Den habe ich nämlich heute Morgen schon hören dürfen.
(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Müssen!)
– Genau, müssen.
Genau deshalb müssen wir handeln. Gerade weil wir die Briten nach wie vor als enge Freunde betrachten, ist es wichtig, dass wir gut vorbereitet sind. Und wir sind gut vorbereitet. Der Entwurf des Brexit-Übergangsgesetzes steht heute zur Beratung an. Wir brauchen dieses Gesetz – und es muss nicht 20 Millionen Seiten dick sein –, um eine Übergangsphase auf den Weg zu bringen und zu regulieren. Das ist so eine Art softe Landung zwischen dem Austritt Großbritanniens
(Unruhe bei der FDP)
– vielleicht hören Sie zu, damit Sie das dann auch verstehen – und einer neuen, noch zu vereinbarenden Zukunft zwischen Großbritannien und Deutschland. Die Übergangsphase ist derzeit vereinbart, kommt aber nur zustande, wenn das Austrittsabkommen zustande kommt. Es ist richtig: Hier hakt es auf europäischer Ebene noch. Für uns ist es aber grundsätzlich wichtig, dass wir mit den Briten hier eine gute Lösung finden.
Wir bleiben dabei: Es muss einen Unterschied machen – auch das hat der Minister eben gesagt –, ob ein Staat Mitgliedsland ist oder eben nicht. Die Europäische Union mit ihren vier Freiheiten besteht nun einmal aus vier Freiheiten und nicht nur aus einer.
Uns als CDU/CSU-Fraktion ist es aber wichtig, die 45 Jahre britischer EU-Mitgliedschaft weiterhin als ein hohes Gut zu betrachten.
Der Brexit macht noch eins deutlich. Er macht deutlich, was die ganzen Lügen, was Populisten Schlimmes bewirken können. Wenn wir uns in Europa umschauen, dann sehen wir in Frankreich eine Marine Le Pen. Wir sehen in Italien einen Matteo Salvini. Wir sehen, wie sie versuchen, ein Land gegen das andere auszuspielen oder, wie Boris Johnson und Nigel Farage es gemacht haben,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Reflektieren Sie doch mal über die Ursachen!)
den Menschen einzureden – das haben Sie hier eben auch wieder getan –,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Reflektieren Sie doch einmal über die Ursachen!)
dass die Europäische Union nur Geld kostet und nichts bringt.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Nachdenken!)
Nigel Farage und Boris Johnson sind mit Bussen durch London gefahren, auf denen stand, die Europäische Union würde in der Woche 350 Millionen Pfund kosten und davon könne man jede Woche ein Krankenhaus bauen.
(Zuruf von der SPD: Die haben gelogen, dass sich die Balken gebogen haben!)
Alles Blödsinn!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Konstantin Kuhle [FDP]: Peinlich! – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Was wir jedenfalls nicht brauchen, sehr verehrte Damen und Herren, sind Hetzer. Was wir nicht brauchen, sind Spalter. Wir wollen keinen nationalen Egoismus. Wir lassen uns dieses Europa mit unseren gemeinsamen Werten und Überzeugungen nicht kaputtmachen, und wir lassen uns von diesen Populisten unsere tiefe Freundschaft zu Großbritannien nicht ruinieren. Deshalb sorgen wir für einen guten Übergang.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Hoffentlich!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Konstantin Kuhle [FDP] – Norbert Kleinwächter [AfD]: Reflexion!)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Konstantin Kuhle, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7289866 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 62 |
Tagesordnungspunkt | Brexit-Übergangsgesetz |