09.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 62 / Zusatzpunkt 19

Konstantin KuhleFDP - Brexit-Übergangsgesetz

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ende März 2019 wird das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen. Das ist eine dunkle Stunde für alle überzeugten Europäerinnen und Europäer. Gleichwohl gilt es, die souveräne Entscheidung des britischen Volkes zu respektieren. Dieser Schritt im März 2019 wird einen Gesetzgebungsbedarf für den nationalen Gesetzgeber auslösen. Heute liegt uns das sogenannte Brexit-Übergangsgesetz vor, mit dem ein Teil dieses nationalen Gesetzgebungsbedarfs erledigt werden soll. Dazu gehört unter anderem, dass es im Bereich der Staatsangehörigkeit für eine Übergangsphase von zwei Jahren auch weiterhin möglich sein soll, dass jemand mit britischem Pass die deutsche Staatsangehörigkeit weiterhin die britische behält. Meine Damen und Herren, das ist völlig richtig.

Ich will Ihnen an einem Beispiel mal erklären, was die chaotische Verhandlungsführung der britischen Regierung ganz konkret für Briten, die in Deutschland leben, bedeutet. Gucken wir uns einmal an, was das für Kommunalpolitiker bedeutet, die in Deutschland als Briten in die Kommunalparlamente gewählt worden sind und dort jetzt mit britischem Pass sitzen: Sie verlieren, wenn sie nicht eingebürgert werden, Ende März einfach ihr Mandat – einfach so –,

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Die hätten schon längst die Staatsbürgerschaft beantragen können!)

weil das verbunden ist mit der Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union. Deswegen ist es richtig, diesen Menschen die Einbürgerung zu erleichtern, damit sie parallel beide Pässe behalten können.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Norbert Kleinwächter [AfD]: Falsch!)

Das ist ein europäischer Schritt. Deswegen unterstützt die Fraktion der Freien Demokraten dieses Brexit-Übergangsgesetz. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Die doppelte Staatsbürgerschaft ist falsch! Falsch!)

Meine Damen und Herren, wenn einem der Entwurf eines Brexit-Übergangsgesetzes vorgelegt wird, dann denkt man: Das muss jetzt der große Wurf sein. In Ihrer Rede haben Sie, Herr Bundesaußenminister, leider nichts anderes zum nationalen Gesetzgebungsbedarf ausgeführt, als im Grunde genommen den Brief von Staatsminister Roth an die Abgeordneten noch einmal vorzulesen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Das war aber ein guter Brief!)

Dafür brauchen wir aber keine Debatte. Wir brauchen eine Debatte, um herauszufinden, was eigentlich die politische Priorität der Bundesregierung bei den Brexit-Verhandlungen ist.

Es ist absolut richtig, dass die Europäische Union sich darauf verständigt hat, dass Michel Barnier einheitlich für die EU verhandelt hat – er hat da einen guten Job gemacht –,

(Metin Hakverdi [SPD]: Genau!)

und es ist zu Recht verboten, dass bilaterale Verhandlungen stattfinden. Aber das Verbot bilateraler Verhandlungen, meine Damen und Herren,

(Metin Hakverdi [SPD]: Ist kein Verbot! Ist vernünftig!)

bedeutet für die Bundesregierung kein Verbot, eigene politische Akzente zu setzen. Über diese politischen Akzente muss auch im Parlament diskutiert werden. Wir könnten zum Beispiel einmal darüber sprechen, wie die Bundesregierung sich im Bereich Bildung gerade für die junge Generation im Vereinigten Königreich einsetzen könnte, die mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt hat. Wir könnten zum Beispiel darüber sprechen, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dass das Vereinigte Königreich nach dem Brexit Vollmitglied bei Erasmus bleibt.

(Beifall bei der FDP)

Ich will nicht, dass es nach dem Brexit keine britischen Erasmus-Studenten mehr in Deutschland gibt. Zugleich müssen wir auch ein Zeichen an die junge Generation im Vereinigten Königreich senden, damit beim nächsten Brexit-Referendum das ungeschehen gemacht werden kann und das Vereinigte Königreich, wenn einige Jahre vergangen sind, wieder zurückkehrt in den Kreis der Mitgliedstaaten.

(Beifall bei der FDP – Norbert Kleinwächter [AfD]: Das wird es nicht geben, Herr Kuhle! Man kann nicht so lange abstimmen, bis es passt!)

Meine Damen und Herren, ich will einen zweiten politisch prioritären Bereich nennen. Das ist der Bereich der inneren Sicherheit. Deswegen hat die Fraktion der Freien Demokraten einen eigenen Antrag zu diesem Tagesordnungspunkt eingebracht. Wir haben ein vitales Interesse daran, dass das Vereinigte Königreich und die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union auch nach dem Brexit miteinander für die öffentliche Sicherheit in Europa insgesamt sorgen. Gemeinsame Terrorismusabwehr und gemeinsame Kriminalitätsbekämpfung sind wichtig.

Aber auch wenn Daten europäischer Bürgerinnen und Bürger nach dem Brexit ins Vereinigte Königreich übertragen werden, müssen die europäischen Grundrechte weitergelten, und zwar die aus der Grundrechtecharta und die aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, und es muss auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gelten. Das Vereinigte Königreich muss im Zuge der Verhandlungen über diesen Sicherheits­pakt dazu aufgefordert werden, Urteile dieser Gerichte, die besagen, dass die Privatsphäre nicht hinreichend geschützt ist, tatsächlich umsetzen; denn der Brexit darf nicht zulasten der Bürgerinnen- und Bürgerrechte in Europa gehen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen werben wir dafür, heute nicht nur das Brexit-Übergangsgesetz in diesem Parlament in die nächste Runde zu schicken, sondern auch einen Antrag, der einen eigenen Ansatz dieses Parlaments und eine politische Priorität der Bundesrepublik Deutschland in den Vordergrund stellt, nämlich dass es eine Sicherheitskooperation mit den Briten unter Wahrung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger gibt.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuhle. – Als Nächstes spricht zu uns der Kollege Andrej Hunko, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289867
Wahlperiode 19
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Brexit-Übergangsgesetz
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