09.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 62 / Tagesordnungspunkt 29

Marc JongenAfD - Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals

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Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Liebe Bürgerinnen und Bürger hier im Saal und zu Hause an den Monitoren! Heute Morgen in der Gedenkstunde ist das Wort schon gefallen: Der 9. November ist ein Schicksalstag für Deutschland – im Guten wie leider auch im Bösen. Das letzte Mal geschah Schicksalhaftes im großen Maßstab am 9. November 1989, als die friedliche Revolution in der DDR die Mauer zu Fall brachte und der Weg zur deutschen Einheit frei wurde.

(Beifall bei der AfD)

Ein intensives Gefühl der Freude versetzte Ost- und Westdeutsche damals für einige Tage und Wochen in einen euphorischen Gleichklang und schweißte sie emotional zusammen – die Wiedergeburt der Nation aus dem Geist der Euphorie sozusagen.

(Beifall bei der AfD)

Wenn heute im prosaischen Alltag die Klage über Besserwessis oder Jammerossis manchmal überhandzunehmen droht, empfehle ich, dieses euphorische Einheitsgefühl – für die Ostdeutschen ja auch ganz stark Freiheitsgefühl – in sich zu reaktivieren, das ja in uns allen noch nachglimmt, sozusagen als schwache Hintergrundstrahlung des Urknalls der deutschen Einheit.

(Beifall bei der AfD)

Dies vorausgeschickt, ist es gut und richtig, an dieses freudige Ereignis mit einem Freiheits- und Einheitsdenkmal zu erinnern,

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Genau!)

ganz im Sinne des demokratischen Patriotismus übrigens, den unser Bundespräsident heute Morgen hier beschworen hat. Wir haben so viele Mahnmale, die an die dunklen Zeiten unserer Geschichte erinnern – auch sie sind wichtig –; aber wenn wir wirklich Ernst machen wollen mit dem Sowohl-als-auch, von dem Herr Steinmeier heute sprach, wenn das kein Lippenbekenntnis bleiben soll, dann brauchen wir zum Ausgleich dringend auch eine helle, eine freudige Seite der Erinnerungskultur, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Das Freiheits- und Einheitsdenkmal „Bürger in Bewegung“ aber – jetzt kommt leider das Aber –, das neben dem rekonstruierten Berliner Stadtschloss errichtet werden soll – im Volksmund „Bundesbanane“, „Bundeswippe“ oder „Obstschale“ genannt –, wird dem Anspruch eines würdigen Erinnerns an die deutsche Wiedervereinigung überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei der AfD – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer bewertet das denn?)

Ich möchte es in den Worten des Abgeordnetenkollegen Arnold Vaatz von der CDU sagen: Hier wird das wohl bedeutendste Ereignis der deutschen Geschichte auf Kindergeburtstagsniveau verzwergt. – Wie wahr!

(Beifall bei der AfD)

Die Künstler Milla und Waltz haben zwar bei der wichtigen emotionalen Komponente angesetzt, aber es hätte wohl des Formats eines Schillers oder Beethovens bedurft, um das in einen würdigen Entwurf zu übertragen. Von der überschwänglichen Einheitsfreude, der ja auch ein tiefer historischer Ernst zugrunde lag, bleibt hier nur der billige Spaß übrig, der durch das Neigen einer Wippe nach rechts oder nach links entsteht. Das politische Prinzip der Bürgerbewegung wird auf die blanke physikalische Kinetik reduziert.

(Beifall bei der AfD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Falsch!)

Die zweistellige Millionenzahl an Menschenleben, die Herr Vaatz angesprochen hat, die der Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung seit 1917 gekostet hat, bleibt völlig ausgeblendet. Um diesen Ernst einzufangen, wird man sicher nicht nur auf der emotionalen Ebene ansetzen dürfen, sondern man wird konzeptionell tiefer bohren müssen. Dieser Entwurf ist also inhaltlich misslungen. Allein deshalb muss er gestoppt und der Wettbewerb neu ausgeschrieben werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei Wettbewerbe! Internationale Jury! Das wischen Sie alles weg! Unerträglich!)

– Hören Sie mal zu.

Es kommen aber noch andere, sehr wichtige Argumente hinzu. In aller Kürze: Das Denkmal steht an der falschen Stelle; es gibt an der Berliner Schlossfreiheit kaum Bezüge zur deutschen Einheit.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man Preußen wiedererrichten will, dann steht es an der falschen Stelle! Da haben Sie recht!)

Viel eher sollten hier die historischen Kolonnaden wiedererrichtet werden.

Der Bau würde die noch vorhandene und teuer restaurierte historische Bausubstanz am Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals zerstören. Sieben dicke Betonpfeiler würden durch die unterirdischen Gewölbe gerammt – ein Irrsinn, wie ein Gutachten des Berliner Denkmalamts feststellt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Dasselbe Gutachten spricht auch von einer „wackeligen Schale auf schwabbeligem Grund“. Das heißt, es ist unklar, ob der Baugrund die Bewegungen dieses tonnenschweren Konstrukts überhaupt aushalten würde.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Reichstag wiegt auch Tonnen!)

Auch die Kosten laufen aus dem Ruder: Statt anfänglich kalkulierter 10 Millionen Euro sind wir jetzt bei 17 Millionen Euro, bei jährlichen 150 000 Euro Betriebskosten.

Ein Argument noch für die Grünen, die das alles nicht überzeugt: Die seltene Fledermausart „Pipistrellus“ würde grausam aus den unterirdischen Gewölben vertrieben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Das Wichtigste aber: Die Bürger in Berlin und in ganz Deutschland lehnen diesen albernen Entwurf mit großer Mehrheit ab. 60 Prozent sind nach einer Umfrage dagegen.

Liebe Abgeordnete der anderen Parteien, ich weiß, auch viele von Ihnen sind gegen dieses misslungene Denkmal, über die Parteigrenzen hinweg. Sie nennen sich ja oftmals „die demokratischen Parteien“. Werden Sie doch heute mal diesem Anspruch gerecht. Setzen Sie sich über Fraktionszwang und Parteitaktik hinweg. Stimmen Sie mit der AfD

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Never!)

und mit Ihrem Gewissen für den Stopp dieser überdimensionierten Rummelplatzattraktion und für einen neuen Wettbewerb, sowohl was den Entwurf als auch was den Standort betrifft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Elisabeth Motschmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289881
Wahlperiode 19
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals
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