Georg NüßleinCDU/CSU - Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Offenkundig gibt es in dieser Debatte wieder den nun schon eine Weile bekannten Streit über die Frage, wie groß der menschliche Anteil am unbestreitbaren Klimawandel ist. Auf der einen Seite gibt es die herrschende Meinung und auf der anderen Seite eine Mindermeinung. Es wird Sie vielleicht überraschen, dass ich glaube, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nie erfahren werden, wer recht hat.
(Karsten Hilse [AfD]: Aber erst mal Milliarden Euro ausgeben!)
Ich sage Ihnen aber auch: Darauf kommt es gar nicht an. Es kommt nämlich nicht auf die Motivation an, warum wir Ressourcen schonen und unsere Schöpfung bewahren, sondern entscheidend ist, dass wir es endlich tun, und dazu sind wir als Große Koalition entschlossen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich weiß, dass dieses Thema im nächsten Jahr ein zentrales Thema sein wird. Umso mehr freut es mich, dass wir in dieser Debatte auch andere Aspekte akzentuieren, zum Beispiel das Thema Plastikstrategie, mit dem die Ministerin ihre Rede dankenswerterweise begonnen hat. Das ist für uns ein wichtiges Thema – Stichwort „Kreislaufwirtschaft“. Ich bitte auch, hier nicht nur die Schwellen- und Entwicklungsländer im Blick zu haben. Schauen Sie nach Osteuropa, beispielsweise nach Rumänien. Dort sind noch riesige Defizite zu verzeichnen. Auch darüber sollte man aus meiner Sicht reden.
Der Kollege Gädechens hat daneben das Thema Gewässerschutz adressiert. Das halte ich für ganz entscheidend. Wir übersehen, was da momentan passiert. Durch den Eintrag von Oberflächenwasser haben wir in unseren Flüssen ein Riesenproblem. Es gibt einen massiven Rückgang von Lebewesen, von Fischen. Da sind wir an einem Punkt, an dem wir, jedenfalls aus meiner Sicht, einen hohen Handlungsdruck haben. Ich freue mich auch, dass wir das Thema Artenschutz bzw. Insektensterben im Haushalt entsprechend adressiert haben.
Nun treibt mich trotzdem das Thema Klimaschutz in einer besonderen Art und Weise um, weil ich weiß, wie schwierig das wird. Ich habe bei dem, was wir gesetzgeberisch tun müssen, die Hoffnung, dass sich die SPD als unser Koalitionspartner von dem leiten lässt, was die SPD ausmacht, nämlich eine soziale Partei und eine industriefreundliche Partei zu sein. Wenn das die Leitlinien sind, meine Damen und Herren, dann bin ich fest davon überzeugt, dass wir schnell zusammenkommen.
Allerdings – das will ich unterstreichen – muss man, wenn man über das Soziale spricht, Themen wie die Benzinkosten im Blick haben. Ich habe mich gewundert, Frau Ministerin, über den Vorstoß, wir sollten auf der einen Seite Treibstoffe verteuern und auf der anderen Seite Strom verbilligen. Da kann man abstrakt schon sagen: Das ist aus Sicht des Staates aufkommensneutral. Aber diejenigen, die das trifft, werden das anders sehen. Derjenige, der sich kein neues Auto leisten kann, soll in Zukunft mehr für Benzin zahlen und hat nichts davon, dass der Strom für den billiger wird, der sich einen Tesla kaufen kann.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Darüber denke ich schon nach.
Die Leute – mit Verlaub – sind bei uns „linke Tasche, rechte Tasche“ ja gewohnt, also dass wir ihnen auf der einen Seite etwas reinstecken und das auf der anderen Seite wieder rausziehen. Aber es ist für sie natürlich schon befremdlich, zu erleben, dass wir Klimaschutzpolitik so betreiben wollen, dass wir den einen auf der linken Seite etwas rausziehen, um es dann den anderen auf der rechten Seite reinzustecken. Deshalb kann ich vor solchen Vorschlägen nur warnen. Das Thema Aufkommensneutralität hat mit sozialer Politik nichts zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Deshalb lehnen wir als CDU/CSU-Fraktion nationale Alleingänge bei der Thematik CO 2 -Bepreisung strikt ab.
(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle anderen Länder haben schon was! Wir sind die Einzigen, die nichts haben!)
Wir haben die Möglichkeit, die Bepreisung entsprechend über den Emissionshandel zu machen. Ich rate uns, das europäisch auch zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es spricht nichts dagegen, auch andere Sektoren einzubeziehen.
Wir wollen Klimaschutz auf Basis von Anreizen machen. Da werden auch die Themen CO 2 -Gebäudesanierung und steuerliche Förderung wieder auf den Tisch kommen, weil wir sehen, dass das der einzige Weg ist, im Wärmebereich voranzukommen. Da rate ich den Grünen, an dieser Stelle ganz genau hinzuhören.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir immer! – Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Da erlebe ich ganz seltsame Dinge. Da gibt es zum Beispiel in Berlin-Pankow einen grünen stellvertretenden Bezirksbürgermeister, der eine Broschüre herausgibt und sagt: Milieuschutz geht nur, wenn man die CO 2 -Gebäudesanierung auf ein Minimum reduziert. – Eigentümlich!
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie nichts Stärkeres gegen uns?)
– Das ist so. Sie haben gesagt, Sie wollen das nicht.
Ich habe das auch seinerzeit in den Sondierungsgesprächen erlebt. Ich habe mit den Grünen über das Thema verhandelt. Da kam von Ihrer Seite die Reaktion: Die Gebäudesanierung wollen wir nur für das selbstgenutzte Eigenheim.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Aha!)
Meine Replik: Aha, ein Programm für die Villen Ihrer Klientel!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr interessant!)
Diese Replik wurde am nächsten Tag damit beantwortet, dass ein Papier auf den Tisch kam, in dem stand: Wir brauchen 20 Milliarden Euro Steuermittel für das Thema soziale Wärme. – Ich habe erst gemeint, das sei irgendein Sozialprogramm. Nein, die Idee war gewesen: Wir wollen das staatlich finanzieren. – Jeder muss natürlich wissen, dass die CO 2 -Gebäudesanierung am Schluss eine Auswirkung auf die Mieten haben wird. Deshalb, meine Damen und Herren, predige ich: Wir müssen uns sehr genau überlegen, was wir an dieser Stelle beim Klimaschutz tun; denn die Leute werden diese Maßnahmen in Zukunft bezahlen müssen.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, wir tun mal was! – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn, Herr Nüßlein? Sie machen nichts!)
– Hören Sie gut zu. Sie können an dieser Stelle etwas lernen. – Deshalb ist das Thema Kosteneffizienz und Grenzkostenbetrachtung etwas ganz Entscheidendes.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen sollen Sie!)
Unsere Aufgabe als Politiker wird es sein, uns bei allen Maßnahmen sehr genau zu überlegen: Was bringt der zusätzlich eingesetzte Euro – in Klammern: der Steuerzahler – tatsächlich an CO 2 -Reduktion? Darauf kommt es an. Das ist die Leitlinie für die CDU/CSU.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Dann gibt es daneben noch eine andere Leitlinie. Sie heißt Technologieoffenheit. Wir, meine Damen und Herren, werden nicht entscheiden, wie die Mobilität der Zukunft aussieht. Ich wünsche mir übrigens, dass die Leitlinie im Bereich der Mobilität heißt: Wir wollen sie für alle in Stadt und Land umweltfreundlich und bezahlbar gewährleisten. Das muss doch die Maßgabe sein: Mobilität für alle in der gewohnten Form zu erhalten.
Dann kann man die Frage stellen, welche Leitplanken wir an der Stelle einziehen und wie das technologisch, ökonomisch, aber auch im Interesse der Betroffenen entsprechend auszufüllen ist. Wir können doch nicht festsetzen, wie es hier schon gefordert wurde, dass der Verbrennungsmotor im Jahr 2030 erledigt ist. Das werden wir nicht tun können. Das müssen schon die geschätzten Bürgerinnen und Bürger entscheiden, wo und mit was sie sich in Zukunft fortbewegen wollen.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was für Geräte und Autos wir zulassen in Deutschland, entscheidet der Deutsche Bundestag, Herr Nüßlein!)
– Ja, genau das ist Ihr Ansatz: zulassen. „ Zulassen“ heißt im Duktus der Grünen: „was wir verhindern wollen“.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
– Hören Sie zu! –
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir lassen sogar Autos zu!)
Der Maßstab ist, dass sich gerade im ländlichen Raum die Mobilität erhält, die wir hier gewohnt sind und die dort auch notwendig ist. Dann werden sich die Menschen schon selber entscheiden, wenn das Elektromobil geeignet ist, diese Mobilität zu gewährleisten, und dies vielleicht auch noch kostengünstiger und umweltschonender als andere Alternativen. Dann entscheiden sich die Menschen doch selber. Es ist unsere Verantwortung, das entsprechend zu organisieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Augenblick lassen Sie die Menschen beim Diesel draußen im Regen stehen! Das ist die Politik der CDU! So sieht es aus!)
Ich will noch etwas zum Thema Kohle sagen; dazu wollen Sie wahrscheinlich nichts hören. Auch da sage ich Ihnen: Wir wollen in der Kohlekommission, die die Große Koalition mit Bedacht eingesetzt hat, sinnvolle Lösungen auch unter sozialen Abwägungen finden. Wir wollen uns nicht wegen einer Klimakonferenz in Kattowitz zeitlich unter Druck setzen lassen. Meine Damen und Herren, wenn man in Kattowitz über Kohle diskutieren will, dann sollte man sinnvollerweise nicht über den deutschen, sondern über den polnischen Anteil der Kohle an der Verstromung diskutieren: 80 Prozent, meine Damen und Herren, sind es in Polen.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal vor der eigenen Tür kehren!)
Deshalb dürfen wir uns an der Stelle nicht unter Druck setzen lassen.
Ich bin der Überzeugung, dass wir im Bereich der Energiepolitik ein ganzes Stück vorankommen werden und dass wir erneuerbare Energien voranbringen können. Auch da würde ich mir wünschen, dass wir bei dem Thema zusammenfinden: mehr regenerativer Strom, aber so, dass er am Ende auch eingespeist und tatsächlich genutzt werden kann. Nur theoretisch hilft das nämlich niemandem.
Ich wünsche mir eine Klimapolitik, die nicht nur auf die nationale Bilanz ausgerichtet ist, sondern die letztlich auch wirkt. Das ist eine internationale Klimapolitik, und deshalb hat das für uns erste Priorität.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Magerer Beifall!)
Das Wort hat die Kollegin Judith Skudelny für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7292527 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |