20.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt I.7

Stefan RuppertFDP - Inneres, Datenschutz und Informationsfreiheit

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich las neulich die Analyse eines Politikwissenschaftlers, der empirisch ermittelt hat, dass kein deutscher Minister im letzten Jahr die Debatte so dominiert hat wie Horst Seehofer.

(Benjamin Strasser [FDP]: Leider!)

Als man dann analysierte, um was es dabei ging, war der Befund klar: Es ging nie um Innenpolitik, sondern es ging immer oder fast immer nur um den Streit der Großen Koalition – insofern ein verlorenes Jahr für wichtige Debatten in der deutschen Innenpolitik.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Solche Rekorde zeigen, dass die politische Diskussion in Deutschland verstopft ist, weil die deutsche Innenpolitik es nicht vermag, die drängenden Fragen in diesem Land zu ordnen. Weder liegt uns heute ein Einwanderungsgesetz vor, noch haben wir eine klare Linie bei der Frage, wie wir abschieben, noch können wir gewährleisten, dass Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert sind, bei uns bleiben können. Insofern ist der soziale Frieden nach wie vor nicht wiederhergestellt, weil CDU, CSU, SPD und Grüne es mit ihrer Verweigerung im Bundesrat nicht geschafft haben, dieses wichtige Thema in Deutschland zu ordnen.

(Beifall bei der FDP)

Als ich neu in diesen Bundestag kam, dachte ich: Wenn man mal was richtig Schlechtes über einen Christsozialen hören will, dann muss man einen Linken fragen. – Ich wurde belehrt: Im letzten Jahr musste man meist einen Christdemokraten fragen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Mit der Diskussion über Herrn Maaßen haben Sie den Kreis dann um Sozialdemokraten erweitert. Leider ist das Hickhack der Großen Koalition keine Grundlage für eine gelungene deutsche Innenpolitik.

Wir hätten so viele Fragen, über die wir reden müssten: Wie leben Migranten hier? Wie werden sie integriert? Welche Aufstiegschancen haben türkische Unternehmer in diesem Land? Welche Chancen bieten sich für eine Islamkonferenz, die seit einem Jahr stillgelegt ist und an der das Parlament nicht beteiligt ist? – Auch hier gibt es für die Menschen, die zu uns gekommen sind und bei uns leben, keine Perspektive, und das ist schlicht zu wenig.

(Beifall bei der FDP)

Ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir gerade über die Fragen von Heimat – vielleicht nicht so, wie Sie sie verstehen – im Sinne eines gesellschaftlichen Zusammenhalts und darüber reden könnten, wie unsere Gesellschaft politische Diskurse wieder modellhaft ausführen kann, um Gemeinsamkeiten zu ermitteln, auch Streitpunkte zu identifizieren, um einen Aufbruch zu markieren. Aber leider gibt es auch dazu bisher keine einzige Initiative aus diesem großen Bereich, und auch das ist natürlich zu wenig; denn es wäre dringend nötig, mehr über den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu reden.

(Beifall bei der FDP – Benjamin Strasser [FDP]: Das ist Arbeitsverweigerung!)

Ein wenig war ich in den Haushaltsberatungen auch von den Linken enttäuscht.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ach! – Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Ui!)

Früher waren Sie unbestreitbar die Nummer eins, wenn es darum ging, mehr Geld in diesem Land auszugeben.

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Jetzt nicht mehr?)

Sie konnten immer noch eins draufsetzen, Sie hatten immer noch einen Euro mehr, der ausgegeben werden musste.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir hatten gute Vorschläge!)

In manchen Jahren haben Sie es geschafft, Haushalte gleichsam zu verdoppeln.

Auch in diesem wichtigen Punkt haben Sie sich mittlerweile von den Grünen auf den zweiten Platz verweisen lassen. Die Grünen geben mit Habecks 30 Milliarden Euro und den 20 Milliarden Euro, die sie mit diesem Haushalt mehr ausgeben wollen, mittlerweile mehr Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler als Sie aus. Insofern scheint mir haushaltspolitisch die Partei der Grünen die neue Linke zu sein. Darüber sollten Sie genauso wie die Grünen vielleicht einmal nachdenken.

(Beifall bei der FDP – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mir kommen die Tränen!)

Am Ende muss man sagen: ein Rekordhaushalt. Noch nie wurde so viel Geld ausgegeben. Und noch immer setzen die Parteien auf der linken Seite dieses Hauses kräftig etwas drauf! Man fragt sich manchmal, wo das alles herkommen soll, wenn weniger Geld zur Verfügung steht.

Zum Schluss aber auch einige versöhnliche Punkte. Wir teilen die Punkte zum Pakt für den Rechtsstaat. Wir sind zufrieden damit, dass Sie mehr in den Sport investieren. Wir glauben vor allem, dass es unglaublich wichtig ist, den Antisemitismus in diesem Land zu bekämpfen. Hier hatten wir Sie in vielen Gesprächen – auch guten Gesprächen – an unserer Seite.

(Beifall bei der FDP)

Überhaupt habe ich zwei Horst Seehofers kennengelernt. Da ist zum einen derjenige, der in der Öffentlichkeit poltert, sich an der Kanzlerin abarbeitet und innenpolitische Debatten nicht inhaltlich, sondern personell führt. Zum anderen ist da der Horst Seehofer, der in sachlichen, klugen und auch nachdenkenswerten Gesprächen viele wichtige Punkte der deutschen Innenpolitik behandelt und sich Zeit für Haushaltsberatungen und ernsthafte Gespräche nimmt. Deshalb wünsche ich Ihnen für Ihre persönliche Zukunft alles Gute.

(Beifall bei der FDP – Benjamin Strasser [FDP]: Für den Ruhestand!)

Das Wort hat Martin Gerster für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD – Victor Perli [DIE LINKE]: Ist Seehofer schon zurückgetreten?)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7292549
Wahlperiode 19
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Inneres, Datenschutz und Informationsfreiheit
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