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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt noch ausgesprochen schöne Termine in der Politik, und die Beratung dieses Einzelplanes 06 ist ein solcher schöner Augenblick.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Kein Sarkasmus!)
Es ist nämlich zuallererst einmal ein sehr runder, wunderbarer,
(Stephan Brandner [AfD]: Wundersamer Haushalt!)
in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaliger Haushalt für den Bundesinnenminister: 15,8 Milliarden Euro. Das sind 1,7 Milliarden Euro oder 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Außerdem beinhaltet er 5 000 neue Stellen für das Bundesinnenministerium und die 17 wichtigen nachgeordneten Behörden. Das heißt, für die Menschen aus den Zahlen übersetzt: Mehr Sicherheit für unser Land, mehr soziale Unterstützung für die Menschen und mehr Ordnung in der Zuwanderungsfrage.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dass zu diesen Zahlen noch hinzukommt, dass Herr Perli heute erwartungsgemäß wieder einen Rücktritt gefordert hat, dass auch Herr Lindner einen Rücktritt gefordert hat, das ehrt mich. Allmählich erreichen wir die Zahl 50. Es ist jeder Tag schön, wo Sie das wiederholen. Schauen Sie darauf – mir haben schon viele das Ende prophezeit, schon seit 38 Jahren –, dass Sie nicht nur nach mir geboren sind, sondern möglicherweise nicht auch vor mir aus der Politik wieder gehen.
(Heiterkeit – Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das war aber eine Drohung jetzt! – Sören Bartol [SPD]: Das gibt eine Sonderfraktionssitzung!)
Seien Sie da mal ganz vorsichtig.
Herr Ruppert, ich stimme Ihnen ja zu, dass wir ganz gute Gespräche führen, wenn Fernsehkameras nicht dabei sind. Das gilt übrigens für alle, die im Haushaltsausschuss sitzen. Ich sage ausdrücklich: Das gilt auch für alle Fraktionen. Man kann gar nicht glauben, wie sachlich es wird, wie problemorientiert, wie lösungsorientiert die Dinge laufen, wenn man unter sich ist. Dass Sie mich aber heute vor aller Öffentlichkeit als klug und ernsthaft einstufen, dass Sie, vorsichtiger ausgedrückt, sagen, es bestehe die Möglichkeit, dass ich klug und ernsthaft sein könnte, das habe ich in 40 Jahren noch von keinem FDP-Politiker gehört, und dafür bedanke ich mich ausdrücklich.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht kommen wir jetzt mal zur Sache!)
Sie können mir glauben, dass ich sofort nach München gekabelt habe, was Sie über mich gesagt haben.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drei Minuten sind schon rum!)
Nun zum Haushalt. Ein paar Dinge muss man einfach an dem messen, was in den letzten Monaten geschehen ist.
Erstens: Sicherheit. Herr Hess, ich verstecke mich jetzt nicht hinter Zahlen, aber ich möchte doch ganz klar festhalten: Die allgemeine Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland – das zeigt die Kontinuität der Politik auch vor meiner Zeit – ist so gut wie noch nie seit 30 Jahren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Abg. Martin Hess [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Minister?
Nein. – Wir bauen die Sicherheitsbehörden weiter auf, in allen Bereichen, nicht nur mit zusätzlichen Planstellen, sondern auch in der Ausrüstung, in der Qualität der Ausrüstung; das alles ist hier schon gesagt worden. Wir rüsten die Polizei, auch unsere Sicherheitsbehörden insgesamt, für das Zeitalter der Digitalisierung. Wir helfen sogar den Ländern bei der technischen Ausstattung der Bereitschaftspolizeien. Meine Damen und Herren, was das Allerwichtigste ist – ich habe es hier vor dem Parlament oft gesagt –, ist, dass wir null Toleranz gegenüber Rechtsbruch in der Bundesrepublik Deutschland dulden – das ist unsere Linie –, dass sich alle Sicherheitsbehörden, insbesondere die Polizei, darauf verlassen können, dass wir uneingeschränkt hinter ihrem Tun stehen, und dass wir dankbar sind für das, was die Sicherheitsbehörden und die Polizei im Besonderen für unsere Sicherheit tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das ist mehr Sicherheit. Die Sicherheitslage ist gut. Trotzdem bleiben wir aufmerksam und versuchen, das, was gut ist, noch ein Stückchen besser zu machen.
Zweitens: Wohnen. Das ist die soziale Unterstützung für die Menschen. Der beste Mieterschutz ist immer noch ausreichender Wohnraum, bezahlbarer Wohnraum. Hier haben wir das größte Wohnungsbauprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; das ist ohne Zweifel. Das geht vom sozialen Wohnungsbau bis hin zur steuerlichen Abschreibung beim freifinanzierten Wohnungsbau, von der Städtebauförderung bis hin zu Smart City – viele Dinge, die den Kommunen helfen. Es ist, wie gesagt, das größte Wohnungsbauprogramm. Allein 5 Milliarden Euro in dieser Legislatur für den sozialen Wohnungsbau! Das gab es auch noch nie in der Geschichte. Das nur als Antwort auf die Bemerkung, das Ministerium sei so groß, dass ein Minister nicht mehr dazu komme, sich um die wichtigen Aufgaben zu kümmern. Auch die Erledigung dieser zweiten Aufgabe ist total im Zeitplan des Koalitionsvertrags. Das ist eine gute Botschaft für die Menschen. Das Wichtigste ist: nach vielen, vielen Jahren wieder die Ermöglichung der Eigentumsbildung. Es gibt das Baukindergeld gerade mal zwei Monate,
(Zuruf des Abg. Victor Perli [DIE LINKE])
und wir haben nach zwei Monaten 35 000 Anträge mit einer Mittelbindung von über 700 Millionen Euro. Das ist ein großer Erfolg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sören Bartol [SPD])
Der dritte Punkt, der mich freut, weil ich mich dafür besonders eingesetzt habe, ist die Sportförderung, eine Sportförderung, wie wir sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auch noch nie hatten.
(Beifall des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])
Es tut mir leid, wenn ich immer im Superlativ reden muss. – Wir haben hier deutlich erhöht, und zwar nicht nur für den Spitzensport, sondern auch für die Athletinnen und Athleten; das ist sehr wichtig. Was mich besonders freut – man darf sich ja auch mal über sich selbst freuen –, ist, dass wir alle Bundesstützpunkte in der Bundesrepublik Deutschland weiter erhalten und fördern. Auch das ist wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dazu haben übrigens die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD ganz wesentlich beigetragen.
Ich kann nur darauf hinweisen, dass auch der gesellschaftliche Zusammenhalt stark unterstützt wird: allein für die Integrationskurse 720 Millionen Euro.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 900 wären notwendig!)
Ich möchte jetzt doch noch zu zwei wichtigen Dingen Stellung nehmen:
Wir haben uns für die Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung viele Punkte vorgenommen, und ich muss Ihnen sagen: Wir haben noch nicht alles ganz perfekt,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das kann man wohl sagen!)
aber wir haben die Ziele weitgehend erreicht. Wir haben jetzt – Stand Ende Oktober – eine Zahl von 140 000 Asylerstanträgen. Wir sind also weit entfernt von dieser von mir gesetzten 200 000er-Obergrenze.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die ist eh zu hoch!)
Ich habe jetzt nicht die 20 000 bis 40 000 gegengerechnet, die in der gleichen Zeit freiwillig zurückgekehrt sind bzw. abgeschoben wurden. Aber ich stelle fest, dass unsere Zuwanderungspolitik auf drei Säulen fußt: erstens Humanität bei der Behandlung der Menschen – deshalb keine Hassparolen, keinen Antisemitismus und keine Ausländerhetze –,
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit Bauen und Wohnen? Ein paar Fakten!)
zweitens eine menschliche Behandlung gerade für jene, die hier schutzberechtigt sind. Wir werden aber die Integration der Zuwanderung nur gut leisten können, wenn wir drittens die Zahl der Zuwanderer begrenzen und steuern.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich sage doch: Das Ministerium ist zu groß!)
Und das ist uns in den letzten Monaten ganz hervorragend gelungen. 140 000 bis Ende Oktober!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Weil uns all das in sieben Monaten gelungen ist, sind wir jetzt in der Lage, ein neues Kapitel in der bundesdeutschen Geschichte aufzuschlagen,
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Keine Drohungen! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen auf dem Teppich bleiben!)
nämlich ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte zu erlassen. Es war jahrelang umstritten. Ich kann Ihnen sagen: In diesen Stunden haben wir die Ressortanhörung innerhalb der Bundesregierung eingeleitet. Wir sind uns einig in der Koalition; dafür bedanke ich mich.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Übermut tut selten gut!)
Wir werden noch vor Weihnachten den Entwurf des Fachkräftezuwanderungsgesetzes im Kabinett beschließen können. Auch das ist ein großer Erfolg;
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
denn, meine Damen und Herren, wir bekommen damit nicht nur die Menschen, die wir hier für die Wirtschaft brauchen – es ist ja alles gekoppelt an die Qualifikation, an die Sicherung des Lebensunterhalts –, sondern durch die Eröffnung einer legalen Zuwanderungsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt wird natürlich auch die Zahl der illegalen Migranten gesenkt. Auch das ist ein guter Beitrag für unsere Politik von Humanität, Steuerung und Begrenzung.
Ich möchte einen Satz zum Migrationspakt sagen. Ich gehöre ja zu den wenigen, die in den letzten Jahren für Begrenzung und Steuerung eingetreten sind. Ich werde auch immer weiter dafür eintreten, weil ich glaube, dass die Begrenzung Voraussetzung für das Gelingen der Integration ist. Davon bin ich einfach überzeugt, auch aufgrund meiner früheren Tätigkeit im Freistaat Bayern. Der UN-Migrationspakt hat einige Punkte. Ich möchte nur drei nennen, die so wichtig sind, dass ich uns empfehlen würde, diese wichtigen Punkte anzunehmen und nicht abzulehnen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was ist mit den anderen Punkten?)
Darin ist zunächst von der internationalen Staatengemeinschaft der ganz wichtige Punkt verankert, die Schleuserbanden international zu bekämpfen und es nicht nur einzelnen Staaten zu überlassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zurufe von der AfD)
Der zweite wichtige Punkt ist, dass die Herkunftsstaaten und die Transitstaaten in die Pflicht genommen werden.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Meine Damen und Herren, durch diesen Pakt werden sie mehr von der Bundesrepublik Deutschland in die Pflicht genommen werden können, als das immer behauptet wird.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Wo steht das denn?)
Das Dritte ist die Rückkehrverpflichtung – sie ist ausdrücklich dort genannt –, also dass die Staaten, aus denen die Zuwanderer, die Migranten kommen, eine Verpflichtung haben, diese Migranten wieder zurückzunehmen. Nachdem ich täglich erfahre, wie schwer es ist, Menschen wieder in ihre Heimat zurückzuführen, wenn sie sich mal auf den Weg gemacht haben, können Sie mir glauben: Diese Festlegung, die politische Verständigung im Migrationspakt, dass die Herkunftsstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden müssen, die Leute, die aus ihren Ländern kommen, auch wieder zurückzunehmen bzw. durch eine richtige Politik zu behalten, ist für mich so wertvoll, dass ich heute schon an dieses Haus appellieren möchte, diese Dinge für uns nicht zu gefährden und Ja zum Migrationspakt zu sagen. Das ist meine Überzeugung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der AfD)
Ich bin heute ein zufriedener Innenminister, weil es ein wunderschöner Haushalt ist. Wir haben im Bereich Cybersicherheit etwas getan. Wir haben ein Bürgerportal eröffnet. Wir haben Ende des Monats die Islamkonferenz, Herr Ruppert, eine andere Islamkonferenz als in der Vergangenheit. Wir beschäftigen uns in dieser Islamkonferenz nicht mit abstrakten religiösen Diskussionen, sondern ganz konkret mit dem Lebensalltag im Verein, im Dorf, am Arbeitsplatz im Dialog zwischen den Religionen.
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Aber ohne Parlament!)
Ich glaube, es bringt uns allen, den Beteiligten, mehr, wenn wir uns an der Praxis, an der Lebensrealität orientieren, als wenn wir abstrakt theoretisch diskutieren.
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Ohne den Bundestag!)
– Herr Ruppert, ich warte immer noch darauf – damit wir nicht zu harmonisch in das Weihnachtsfest gehen; aber da habe ich bei Ihnen sowieso keine Sorge –, dass Sie hier über den Stand Ihres Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum BAMF berichten.
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie müssen da drüben werben! – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Den blockieren Ihre Leute!)
Der ist irgendwo ganz leise versickert. Wissen Sie, es ist immer das Gleiche in der FDP: Sie stehen hier, machen starke Aussagen, und wenn man nach einigen Monaten die Frage stellt: „Was ist eigentlich daraus geworden?“,
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wir können den jederzeit beschließen!)
dann muss man feststellen, so vermute ich hier mal, dass Sie den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einem fröhlichen Staatsbegräbnis anheimgegeben haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Wenn Sie zustimmen, sind wir dabei, Herr Seehofer!)
– Nein, Sie haben es einfach nicht gemacht.
Herr Seehofer?
Ich bin gleich fertig.
Ich wollte nur sagen: Ihre Fraktion wird langsam nervös.
Ich möchte nur noch den Obleuten der Koalition Dank aussprechen, Herrn Rehberg und Herrn Kahrs. Ich bin ja lange in verschiedenen Ministerien tätig gewesen.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja, lange genug!)
Mittlerweile gehört der Haushaltsausschuss zu meinen Lieblingsaufenthaltsorten.
Ich habe mich auch zu bedanken bei den beiden Kapitänen der Koalition, Martin Gerster und Klaus-Dieter Gröhler, die das wirklich gut machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich will auch ein Lob!)
Das heißt jetzt nicht, dass sie uns nicht auf die Finger schauen würden, aber sie haben einfach das Format, zu erkennen: Was ist wichtig? Was muss mit Prioritäten ausgestattet werden? – Das können die beiden ganz hervorragend.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Herr Seehofer, das geht nicht auf die Redezeit der Opposition, was Sie hier machen!)
Ich stehe auch nicht an, sowohl dem Bundesfinanzminister als auch den Staatssekretären zu danken, weil sie auf das Innenministerium immer ein barmherziges, fürsorgliches und großzügiges Auge geworfen haben.
Also, ich bin zufrieden. Ich sage Danke für diesen Haushalt, den Einzelplan 06.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Seehofer. – Wir gehen jetzt in die Verhandlungen über die restlichen Redezeiten.
Vorher hat aber Kollegin Akbulut das Wort zu einer Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7292555 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Inneres, Datenschutz und Informationsfreiheit |