Rainer SpieringSPD - Ernährung und Landwirtschaft
Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorab, Herr Haase: Mir hat Ihre Rede sehr gut gefallen. Sie war differenziert und ausgewogen, eine abgewogene Darstellung des Haushaltes. Den Hinweis darauf, dass wir Ökolandbau und konventionellen Landbau gemeinsam und nicht gegeneinander betrachten, fand ich sehr wohltuend.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Da Herr Haase den Haushalt in seinen Zahlen sehr gut dargestellt hat, lassen Sie mich einen etwas anderen Blick auf die Landwirtschaft werfen. Es gab letzte Woche den Bericht von „top agrar“ zur Gewinnausstattung der Landwirtschaft 2017. Wir haben eine Gewinnsteigerung von 12,4 Prozent. „ top agrar“ hat dazu geschrieben, dass es überproportional zu anderen Gewerken und anderen Sektoren gewesen ist. Ich finde, darüber darf und sollte man nachdenken. Die Landwirtschaft als Sektor, der erheblich subventioniert ist, exportorientiert ist, starke Auswirkungen auf Natur und Landschaft, vor allen Dingen auf die Qualität von Luft, Wasser und Boden hat, muss meiner Ansicht nach in Bewegung kommen. Ich glaube, das geschieht auch. Die Zahlen zeigen: Die landwirtschaftlichen Unternehmen – landwirtschaftliche Betriebe will ich auf jeden Fall sehr wohl als Unternehmen betrachten – sind kapitalstark, leistungsfähig, robust und belastbar.
Wir haben Problemstellungen. Wir werden vermutlich von der EU eine Rüge bekommen, und zwar im Zusammenhang mit der Nitratrichtlinie. Sie wird uns darauf hinweisen, dass wir die Grenzwerte für Nitrat nicht einhalten. Wir werden daraufhin die Düngeverordnung vermutlich neu überdenken müssen. Die Belastung von Boden, Luft und Wasser ist – zumindest in der Wahrnehmung von außen – zu hoch. Wir müssen auch feststellen, dass die Landwirtschaft zu den Hauptemittenten von Ammoniak und Methan gehört. Ich glaube, daraus ergeben sich Aufgaben, die aber sehr wohl lösbar sind.
Der Haushalt zeigt da Wege auf, die wir gehen können. Ich möchte mit der Forschung anfangen. Wir haben sehr starke, forschungsintensive, eigene Institute. Sehr stark in diesem Bereich sind etwa die Leibniz-Institute. Aber wenn man mal schaut, was die Ergebnisse dieser Forschungen sind, und versucht, Handlungsorientierungen zu bekommen, dann wird es schwierig. Das heißt, wir haben beim BMEL bzw. bei der BLE einen Bottleneck, durch den zu wenig Informationen gelangen, die uns helfen könnten, Handreichungen zu bekommen und entsprechend zu agieren.
Ich habe gesehen, wie viele Mittel aus dem Haushalt zur Leibniz-Gemeinschaft fließen. Wir haben uns mit der Leibniz-Gemeinschaft auseinandergesetzt und erstaunliche Informationen bekommen. Auch da ist die Zahl der Handlungsempfehlungen relativ niedrig. Deswegen ist meine Forderung, im Personalbereich, Herr Staatssekretär, die Befristung der Verträge aufzuheben – das Problem ist aber bekannt –, damit wir Personalsicherheit haben, als Entscheidungsträger bessere Informationen bekommen und vor allen Dingen wissenschaftliche Ergebnisse – so, wie wir es uns immer vornehmen – als Entscheidungsgrundlage nutzen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Landwirtschaft kann und muss Innovationstreiber nachhaltiger, moderner, zukunftsorientierter ländlicher Regionen sein. Nur die Landwirtschaft mit ihren Betrieben kann das leisten.
Ich finde es immer wieder faszinierend: Es gibt kaum einen Wirtschaftssektor in Deutschland, in dem Sozietät, Wirtschaft, Umweltbedingungen und die Frage des Umgangs mit Boden, Luft und Wasser so eng miteinander verknüpft sind wie in der Landwirtschaft; ich kenne eigentlich keinen. Die Einflussfaktoren sind sehr variabel und die damit verbundenen Herausforderungen groß. Sie kennen diese Faktoren: Sonne, Wind, Regen, Hochs und Tiefs, Boden, Klimaveränderungen.
Parallel dazu gibt es abgehängte Gemeinden, eine Unterversorgung mit IT – das ist hier angesprochen worden –, einen Abbau der Krankenversorgung und – leider – Boden als Spekulationsobjekt seelenloser Kapitalgesellschaften und Hedgefonds. Da müssen wir dringend rangehen. Ich weiß nicht, ob ich allen Glauben schenken soll, die einer kleinteiligen und familiengeführten Landwirtschaft das Wort reden. Wir müssen den Worten auch Taten folgen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Gleichzeitig ist die ländliche Region Erzeugerin von Wind-, Bio- und Solarenergie. Es kommt zum Einsatz von Drohnen und Selbstfahrern. Autonomes Fahren und Big Data sind hier wesentlich stärker verankert als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen.
Ich komme zu den Antworten. Angesprochen von Herrn Haase wurde die Ackerbaustrategie. Wir müssen sie jetzt umsetzen und mit Leben füllen. Wir brauchen auch eine Nutztierstrategie – weg von der Masse, hin zu bezahlbarer Klasse. Dazu brauchen wir natürlich ein staatliches Tierwohllabel.
(Beifall bei der SPD – Susanne Mittag [SPD]: Verpflichtend!)
Wir müssen raus aus der Abhängigkeit von Lebensmitteleinzelhandel, Molkereien, Großschlachtereien. Wir brauchen Vielfalt und Regionalität statt Monopole.
(Karlheinz Busen [FDP]: Machen, machen! Ihr seid an der Regierung!)
– Ganz ruhig bleiben.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Organisationen wie Solawi können hilfreich sein. Warum fördern wir nicht IT-Start-ups, die sich um regionale Vermarktung kümmern? Warum geben wir ihnen keine Haushaltsmittel, um Regionalität von Staatsseite zu fördern? Warum gehen wir nicht raus aus der eindimensionalen Vermarktungsstrategie, die unser Land so prägt? Nicht Ernährungssicherheit ist das Gebot der Stunde, sondern Ernährungssouveränität.
Ich sehe eine große Gefahr für die deutsche Landwirtschaft.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Die SPD! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Ein Land, das Atomkraftwerke von der Bildfläche hat verschwinden lassen, ein Land, das seine eigene Automobilindustrie sehr kritisch hinterfragt, hinterfragt auch seine Landwirtschaft sehr kritisch, und dem werden wir uns stellen müssen. Umweltschützer, Tierschützer, junge Menschen haben große Bedenken gegenüber der Form von Landwirtschaft, die wir derzeit betreiben. Ich denke, denen schulden wir eine Antwort. Wir können über Mittel des Bundeshaushalts entsprechend finanzieren; aber nur wenig. Wir können vor allem über die Mittel der GAP finanzieren. Das werde ich jetzt allerdings außen vor lassen, weil ich noch etwas zur IT-Plattform sagen muss.
Nee, nee!
(Heiterkeit)
Im Haushalt stehen dafür 15 Millionen Euro zur Verfügung. Wir müssen sicherstellen, dass die IT-Plattform nicht Monopolisten wie SAP, Google, Microsoft oder John Deere überlassen wird, sondern dass sie der Souveränität unseres Staates, unserer Zivilgesellschaft anheimgeführt wird. Wir müssen Datensicherheit für die Bauern schaffen. Wir müssen die Zugänge zur IT-Plattform klar regeln. Das müssen wir dieses Jahr auf den Weg bringen. Und das ist mein Plädoyer: Die IT-Plattform kann und muss Antworten geben auf die großen Fragen der Nachhaltigkeit und der Zukunftsorientierung und auf die Frage: Wie schützen wir Boden, Luft und Wasser? Ich glaube, das kann sie.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Rainer Spiering. – Nächste Rednerin: Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7292590 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |