Gero Clemens HockerFDP - Ernährung und Landwirtschaft
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man wirft Landwirten manchmal vor, dass sie in guten Zeiten gerne von Subventionen leben und in schlechten Zeiten, wenn es zu trocken oder zu nass ist, die Hand nach zusätzlichen staatlichen Subventionen aufhalten. Herr Staatssekretär, wissen Sie, was die einhellige Meinung der Betriebe gewesen ist, die ich in den letzten Wochen besucht habe und mit denen ich über die Dürrehilfe gesprochen habe? Erstens. Diejenigen Betriebe, die in der Vergangenheit kluge, weitreichende unternehmerische Entscheidungen getroffen haben, fühlen sich durch das komplexe Verfahren, das Sie auf den Weg gebracht haben, benachteiligt gegenüber denjenigen, die nicht so weitgehende und richtige unternehmerische Entscheidungen getroffen haben, die zum Beispiel nicht in Beregnungsanlagen investiert haben. Ich sage Ihnen: Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie glauben, hier Probleme mit Geld zukleistern zu können.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Zweitens. Die Landwirte in Deutschland sind es schlichtweg leid, permanent nur als Subventionsempfänger dazustehen und sozusagen – wie das Kaninchen auf die Schlange – auf die Politik starren zu müssen, ob sie den Daumen für irgendwelche Subventionen hebt oder ob sie ihn senkt. Unsere Landwirte in Deutschland möchten gerne unternehmerisch handeln. Das heißt, dass sie sowohl für das Positive als auch für die Risiken gerne selber geradestehen möchten. Richtig und wichtig für unternehmerische Landwirtschaft in Deutschland wäre es, dass von Ihrer Seite endlich die Zustimmung zu einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage kommt, wie wir sie fordern, damit Landwirte nicht immer vom Wohlwollen der Politik abhängig sind.
(Beifall bei der FDP)
In den letzten Wochen hat sich wieder einmal ein Konflikt zwischen Umweltministerium und Landwirtschaftsministerium bei der Frage nach der Zulassung und der künftigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zugespitzt. Ich behaupte, dass nirgendwo auf der Welt Pflanzenschutzmittel zur Anwendung kommen, die besser erprobt, besser getestet, umweltverträglicher und wirkungsvoller sind. Wenn man sich von solchen Technologien tatsächlich trennen möchte, dann muss man den Landwirten auch sagen, wie Unkrautbekämpfung in Zukunft erfolgen soll. Da reicht es eben nicht aus, zu sagen: Pflügt doch einfach den Acker um. – Denn das befördert schlichtweg die Erosion, und es ist ökologisch höchst problematisch, allein auf diesem Wege Unkrautbekämpfung zu betreiben. Gleichzeitig sind bei den Genehmigungsbehörden über 500 Anträge für innovative und neue Pflanzenschutzmittel anhängig, und die werden nicht abgearbeitet.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Landwirtschaft in Deutschland tatsächlich innovativ machen wollen, dann sorgen Sie dafür, dass den Landwirten auch die Technologien an die Hand gegeben werden, die sie brauchen, um die Herausforderungen tatsächlich bewältigen zu können, die ihnen von Gesellschaft und Politik übergestülpt werden, und sorgen Sie dafür, dass die Genehmigungsbehörden endlich so ausgestattet werden, dass sie den Antragsstau abarbeiten können.
(Beifall bei der FDP – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr Pestizide sind Ihre Lösung, oder was?)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Verstöße gegen fast sämtliche Tierschutzgesetzgebungen in den Betrieben und in den Schlachthöfen, wie wir sie in den letzten Wochen gesehen haben, in Bad Iburg, in Oldenburg und anderswo, sind unerträglich gewesen – ich sage es ganz ausdrücklich –, übrigens auch für die Nutztierhalter in Deutschland. Denn niemand, der selber Tiere hält, will akzeptieren, dass Tiere so geschlachtet werden, wie das auf diesen Aufnahmen zu sehen war, und niemand, gerade aus der Landwirtschaft, will hinnehmen, dass Nutztiere überhaupt so gehalten werden. Ich behaupte, dass die überwiegende Mehrzahl der Betriebe sämtliche Auflagen akribisch einhält. Kein verantwortungsvoller Fleischerzeuger möchte das hinnehmen.
Aber daraus sozusagen die Rechtfertigung abzuleiten, dass es legitim ist, dass privatwirtschaftliche Organisationen in Ställe eindringen, vielleicht Landfriedensbruch oder Sachbeschädigung begehen, das ist der falsche Weg. Ich sage Ihnen: Recht darf nicht privatisiert werden, auch nicht in diesem Bereich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich behaupte, dass niemand in diesem Hause es rechtfertigen würde, wenn sogenannte Bürgerwehren behaupten würden, dass die Polizei nicht in der Lage sei, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, um sich dann entsprechend aufzumachen. Niemand in diesem Hause fände es richtig, wenn dann privatwirtschaftliche Organisationen, in diesem Fall private Bürgerwehren, glaubten, Recht sprechen oder Kriminalität verhindern zu können. Das ist allein Aufgabe des Staates; das muss Aufgabe des Staates sein. Das gilt übrigens auch für die Einhaltung von Tierwohlstandards und Tierschutzkriterien.
Wir brauchen keine privatwirtschaftlichen Organisationen, sondern wir müssen endlich die Veterinärbehörden in die Lage versetzen, möglichst viele dieser Missstände – 100 Prozent wird man nie schaffen – aufdecken zu können. Dafür müssen sie effizienter werden. Dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen. Das wird Geld kosten. Uns ist es das wert. Deswegen werden wir einen entsprechenden Antrag zu diesem Thema einbringen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Danke. – Nächste Rednerin ist Dr. Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7292773 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |