Sonja SteffenSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! In der Politik und besonders im Haushaltsausschuss wird viel über Quoten geredet: Geschlechterquote, Verteidigungsquote, Wissenschaftsquote und ODA-Quote. Es werden immer wieder Stimmen laut, die den Sinn der ODA-Quote anzweifeln, auch im Haushaltsausschuss. Ich möchte meine Redezeit dazu nutzen, Sie alle von der Wichtigkeit und der Bedeutung der ODA-Quote zu überzeugen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Tatsächlich hat sich Deutschland 1972 international verpflichtet, den Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen auf 0,7 Prozent zu steigern. Ich habe Ihnen – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident – heute ein Schaubild mitgebracht, auf dem die Entwicklung der ODA-Quote abbildet ist.
(Die Rednerin hält ein Schaubild hoch)
Sie sehen: Es beginnt 1975. Sehr erstaunlich ist, dass die ODA-Quote bis 1982 ansteigt. Das war die Zeit, in der Deutschland von der SPD regiert wurde.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ab 1982 – Minister Müller ist leider nicht anwesend; er würde das gar nicht gern hören – sinkt die ODA-Quote kontinuierlich ab, und zwar bis 1998. Wissen Sie, was 1998 geschah?
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Da ging es mit Deutschland bergab!)
Die SPD kam wieder an die Regierung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Seitdem – man sieht es hier – geht es mit der ODA-Quote wieder fast kontinuierlich bergauf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Zeit zwischen 1998 und heute wurde unterbrochen, zunächst einmal von der Bankenkrise – das ist verständlich –, aber dann auch von der sogenannten Niebel-Delle
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
in der Zeit der schwarz-gelben Regierung, die man auch deutlich erkennen kann. Hören Sie gut zu, liebe Kollegen und Kolleginnen von der FDP; Sie haben sich in der Zeit entwicklungspolitisch wirklich nicht mit Ruhm bekleckert.
(Beifall bei der SPD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wieso geht es mit der SPD jetzt abwärts?)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2016 haben wir es sogar geschafft, die ODA-Quote auf fast 0,7 Prozent zu erhöhen; aber dies war auch dem Umstand zu verdanken – und das sollte man an dieser Stelle auch sagen –, dass wir die Flüchtlingskosten im Inland zur ODA-Quote hinzugerechnet haben. Das war zwar keine Schönfärberei – das war ein legaler Vorgang –; aber es ist eben so: Die Mittel für die Flüchtlinge im Inland tragen nicht dazu bei, dass wir Fluchtursachen bekämpfen und zur Entwicklung in armen Ländern beitragen. Deshalb rechnen wir jetzt, im Haushalt 2019, die Flüchtlingskosten im Inland nicht mehr zur ODA-Quote hinzu.
Wir sind im September in die Haushaltsberatungen gegangen mit einem Etat für die Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von 9,725 Milliarden Euro. Das ist nicht wenig. Aber all diejenigen, die sich eben auch Sorgen gemacht haben darum, dass die ODA-Quote wieder sinkt – sie haben sich an dieser Stelle große Sorgen gemacht –, haben in der Debatte bei der Einbringung schon gesagt, dass sie versuchen wollen, die ODA-Quote im Laufe der Haushaltsberatungen zu erhöhen. Das Ergebnis der Beratungen kann sich tatsächlich sehen lassen.
Frau Kollegin Steffen, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.
Wir haben dafür gesorgt, dass die Talfahrt der ODA-Quote aufgehalten werden konnte; sie liegt aktuell bei 0,51 Prozent. Schon die Bereinigungsvorlage sah eine Erhöhung von 350 Millionen Euro vor. Der Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Andrea Nahles, ist es dann gelungen, quasi auf den letzten Metern vor der abschließenden Beratung des Haushalts 2019, noch einmal 350 Millionen Euro für die ODA-Quote mit unserem Koalitionspartner herauszuverhandeln.
(Ulli Nissen [SPD]: 350 Millionen! So viel!)
Vielen Dank an dieser Stelle!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Mittel, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir im parlamentarischen Verfahren verteilt, nicht mit der Gießkanne, sondern mit Verstand.
(Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Zum Abschluss möchte ich noch einmal die Frage stellen: Ist die ODA-Quote wichtig? Ja, sie ist wichtig.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Selbstverständlich!)
Ohne die Einhaltung der ODA-Quote läuft die Politik schnell Gefahr, zu vergessen, dass wir neben den vielen anderen wichtigen Aufgaben auch bei uns im Land eine internationale Verantwortung haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan Thomae [FDP]: Wichtig ist, wie man reagiert, nicht, wie viel!)
Aber es ist nicht nur das. Wenn wir verhindern wollen, dass die Menschen in den ärmsten Ländern der Welt sich auf einen schweren
(Karsten Hilse [AfD]: Und teuren!)
und oft tödlichen Weg machen, nach Europa, dann ist es nur vernünftig, sie in ihrer Heimat zu unterstützen – abgesehen davon, dass es unsere ethische Pflicht ist, Hilfe zu leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Herr Gauland, wenn jeder nur an sich denkt – Sie haben das Bild vom Fenster und von der Heizung erwähnt, was ich wirklich erschreckend fand –, ersticken wir im Nationalismus.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die ODA-Quote ist also eine Art Mahnmal für uns, sie ist mitunter anstrengend, sie hält uns einen Spiegel vors Gesicht, erst recht, wenn wir uns von unserem Ziel entfernen. Die ODA-Quote ist eine Art Notarztwagen, ein Notarztwagen für mehr Gerechtigkeit und vor allem zur Rettung vieler Menschenleben. Im Haushaltsentwurf war der Motor ins Stocken geraten. Wir haben das wieder aufgefangen. Ich freue mich, dass die ODA-Quote wieder Fahrt aufnimmt,
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das sind immer noch unter 0,5 Prozent!)
und hoffe darauf, dass sie auf die 0,7-Prozent-Marke zusteuert.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Für eine Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Dr. Weyel von der AfD gemeldet.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7293034 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 64 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt |