21.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt I.9

Gitta ConnemannCDU/CSU - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kennen Sie Weener oder Börger? Das sind zwei wunderbare Gemeinden in meiner Heimat, völlig unterschiedlich. Aber eines verbindet sie: die Königin der Instrumente. Denn in beiden Orten stehen wunderbar historische Orgeln, deren Klang die Menschen seit Generationen begleitet, von der Taufe bis zur Trauerfeier.

Diese Orgeln sind in die Jahre gekommen – wie viele ihrer Geschwister. Beide Kirchengemeinden wären mit der Sanierung heillos überfordert. Woher nehmen wir bloß die Mittel? Diese Frage bereitete den Ehrenamtlichen in Weener und Börger schlaflose Nächte. Bereitete; denn jetzt hilft der Bund, der Steuerzahler mit einer Finanzspritze. Die Hälfte der Kosten sind gedeckt – aus Mitteln des Denkmalschutz-Sonderprogramms.

Meine Damen und Herren, dies und mehr beschließen wir heute in dieser Haushaltsdebatte; wir, der Deutsche Bundestag. Es ist die Stunde des Parlaments; denn am Ende entscheiden wir, die Abgeordneten, wofür Steuergelder ausgegeben werden. Dafür stehen wir in der Verantwortung, vorneweg unsere Haushälterinnen und Haushälter. Unsere Frau für die Kultur ist Patricia Lips. Sie hat für uns diese Mammutaufgabe geschultert. Dafür ein Riesendank an dich, liebe Patricia!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Am Ende steht ein Rekordhaushalt. So viel wurde auf Bundesebene noch nie für die Kultur ausgegeben. Das ist auch das Verdienst unserer Kulturstaatsministerin, liebe Monika Grütters. 1,9 Milliarden Euro, 1 900 Millionen Euro – und das für Kultur? Brauchen wir das wirklich? Unsere Antwort für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lautet: Ja. Denn was wäre das Leben ohne Musik, ohne Kunst, Tanz, Film, Geschichte, Sprache? Es wäre grau, kalt und stumm.

Für uns ist Kultur ein Lebensmittel wie Wasser oder Brot. Deshalb stärken wir die Kultur im ganzen Land, übrigens nicht nur in der Hauptstadt, sondern eben auch in Weener und Börger oder aber Rostock und Bochum.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Rostock ist gut!)

Wir wissen: Wer Kultur für alle fordert, der muss auch Kultur von allen fördern. Dabei gehen wir nicht mit der Gießkanne durch das Land, sondern unser Maßstab ist die „nationale Bedeutsamkeit“. Aber kulturelle Spitzenleistungen sind eben keine Frage der Größe eines Ortes. Deshalb ist uns, der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, das Thema der Kultur in ländlichen Regionen so wichtig. Liebe Elisabeth Motschmann, dies ist dir, es ist uns ein Leidenschaftsthema.

Ohne Frage: Es gibt bereits Ansätze, wie eben das Denkmalschutz-Sonderprogramm, das Sanierung und Restaurierung in der Fläche ermöglicht. Oder aber die Kulturstiftung des Bundes: Sie hat die Bedeutung der kulturellen Infrastruktur in ländlichen Räumen längst erkannt und fördert zum Beispiel mit dem Programm ­TRAFO in entsprechenden Modellregionen, vom Harz bis zur Schwäbischen Alb.

Oder aber die LandKULTUR des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Damit werden innovative Kulturprojekte in ländlichen Räumen gefördert. So entsteht zum Beispiel in Niedersachsen ein Orff-Zentrum, aber eben nicht in den Ballungszentren, sondern in Steenfelde in Ostfriesland; denn dort gibt es die Instrumente, das Know-how und die Leidenschaft. Wir wünschen uns den Mut zur Dezentralität. Wieso soll ein Museum der Moderne zum Beispiel nicht auch in Bochum stehen können? Eine Frage, die man sich stellen sollte.

(Beifall des Abg. Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU])

Aber das ist nicht genug. Deswegen sind Teile der Landmilliarde für die Kultur in ländlichen Regionen eingeplant. Ab dem kommenden Jahr stehen dafür 10 Millionen Euro zur Verfügung. Wir erwarten dafür neue Ideen. Ganz klar: Alte Programme dürfen dafür nicht einfach umlackiert werden.

Für diesen Aufbruch steht übrigens auch das neue „Zukunftsprogramm Kino“. Der deutsche Film hat international wieder hohes Ansehen, übrigens auch dank unserer Filmförderung, die noch einmal erhöht wurde. Aber der Film braucht das Kino, und gerade die kleinen Kinos kämpfen um ihre Existenz. Bezahldienste und Videoplattformen im Netz lassen grüßen.

Wir wollen diese Kinos erhalten und stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Denn sie sind nicht nur Wirtschafts-, Begegnungs- oder Kulturorte; für uns sind sie Sehnsuchtsorte. Deshalb haben wir zusammen mit den Kollegen von der SPD dafür gesorgt, dass eine vorgezogene Premiere dieses Programms stattfinden wird – ein Jahr früher als geplant.

Für uns ist das ein erster Schritt. Der nächste muss folgen. Wir erwarten, dass dieses Programm im nächsten Haushaltsentwurf eine tragende Rolle spielen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Doch nicht nur der Kinofilm ist erfolgreich. Deutsche Serien sind zum Exportschlager geworden. Mit dem German Motion Picture Fund fördern wir gezielt diese filmische Ausdrucksform. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich dazu. Deshalb freuen wir uns auch über die Zusage unserer Kulturstaatsministerin, die Mittel der unterschiedlichen Filmfonds flexibel zu bewirtschaften. Denn die Erfolge von „Babylon Berlin“, „Charité“ oder „Ku’damm 56“ sprechen für sich. Diese Serien liefern uns eine neue Erzählsprache für Geschichte. Geschichten erzählen Geschichte, wie zum Beispiel auch die Serie „Weissensee“. Sie macht den Alltag in der DDR genauso erlebbar wie das Unrecht des SED-Regimes – auch für diejenigen, die es damals nicht erlebten.

Diese Erinnerung ist wichtig, meine Damen und Herren. In den nächsten beiden Jahren feiern wir zwei Ereignisse, die unsere Geschichte maßgeblich verändert haben: 30 Jahre Mauerfall und die deutsche Einheit.

Bei aller Freude dürfen wir nicht vergessen: Für viele Menschen in der DDR führte die Wende auch zu einem Bruch ihrer Biografie. Sie mussten von Grund auf neu anfangen. Von heute auf morgen wurden auch Lebensentwürfe entwertet. Aber das Ende der SED-Diktatur war vor allem eine Befreiung, insbesondere für die Opfer des SED-Unrechts. Allerdings wurde vielen das Ausmaß ihrer Entrechtung erst nach der Wende klar, übrigens durch den Blick in die Stasiakten.

Deshalb müssen diese Akten erhalten und wiederhergestellt werden, soweit es möglich ist. Das ist für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unverhandelbar. Denn es geht um Gerechtigkeit für die Opfer.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie brauchen den Zugang dazu. Deshalb gibt es Stellen, um die Dokumente online zu stellen. So wird ein digitales Schaufenster in das Archiv geschaffen, und wir schlagen damit eine Brücke in die nächste Generation.

Darum ist es uns übrigens auch so wichtig, die Opferverbände zu fördern. Gerade sie leisten einen unschätzbaren Beitrag. Deshalb wollen wir ihren Stimmen mit dem Zeitzeugenportal „Glaube-Mut-Freiheit“ eine Plattform gegen das Vergessen geben.

Denn am Ende geht es bei diesem Haushalt nicht allein um Geld; es geht auch nicht nur um Signale. Es geht am Ende um das Fundament, auf dem wir stehen, und das ist unsere Kultur.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Hartmut Ebbing für die FDP.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7293038
Wahlperiode 19
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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