Hermann GröheCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Herr Präsident! Herr Bundesminister, lieber Gerd Müller! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für uns ist die Beratung und Beschlussfassung des Einzelplans 23 Anlass zur Freude. Erstmals wird im Jahr 2019 der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit die 10-Milliarden-Marke sprengen. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben – den Berichterstatterinnen und Berichterstattern fast aller Fraktionen –, für diesen gemeinsamen Einsatz. Ich denke an die lebhafte Debatte bei der ersten Lesung. Und ich lade den Bundesfinanzminister ein, sich noch freudiger in diese Allianz einzureihen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich glaube, dann werden wir den Weg auch gemeinsam entschlossen fortsetzen.
Es zeigt sich: Wir nehmen als Bundesrepublik Deutschland in Zeiten vielfältiger schwerer internationaler Krisen und zunehmender Auswirkungen des Klimawandels unsere internationale Verantwortung wahr und werden bei allen internationalen Anstrengungen, die der Erreichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung dienen, ein verlässlicher Partner sein.
Unser Engagement ist notwendig. Es entspricht der Wertordnung unserer Politik für Menschenrechte, für soziale und wirtschaftliche Entwicklung, gerade in den ärmsten Ländern der Welt. Ich sage sehr deutlich: Die Art und Weise, wie man sich vonseiten einer Fraktion über Frauen- und Arbeitnehmerrechte lächerlich macht, zeigt, wie weit Sie von den Wertentscheidungen unserer Verfassungsordnung entfernt sind.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Das heißt „Arbeitnehmerinnenrechte“!)
Wenn Sie sich ernsthaft – eigentlich unterstelle ich das nicht – mit dem Zusammenhang zwischen gleichberechtigtem Zugang von Mädchen und Frauen zu Ressourcen und Bildung sowie der Entwicklung eines Landes beschäftigen wollten,
(Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie etwas zu Gender!)
dann müssten Sie gar nicht die von Ihnen offenkundig gefürchteten Genderstudien lesen. Es reichen die Berichte der Weltbank. Da müsste Ihnen der Zugang leichter fallen. Die Autoren sind meistens männliche Banker. Aber diese verstehen im Gegensatz zu Ihnen etwas von diesen Themen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Schließlich liegt diese Arbeit in unserem eigenen Interesse. Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe können helfen, Konflikte zu entschärfen, zu vermeiden oder zu befrieden. Damit dient diese Arbeit einer umfassenden Friedens- und Sicherheitspolitik im Sinne eines erweiterten Sicherheitsbegriffs.
Unsere Hilfe ist notwendig, ich sage: bitter notwendig.
(Stephan Brandner [AfD]: Man darf nicht „Hilfe“ sagen! Es heißt „Zusammenarbeit“!)
Jeden Tag sterben in dieser Welt knapp 15 000 Kinder unter fünf Jahre – 5,4 Millionen im Jahr – an mangelnder Nachsorge unmittelbar nach der Geburt, an häufig leicht behandelbaren Infektionskrankheiten, an Mangel- und Unterernährung. Rund 800 Millionen Menschen müssen noch immer mit weniger als 2 Dollar pro Tag überleben. 64 Millionen Kinder besuchen keine Grundschule. Wahr ist aber auch: Internationale Anstrengungen haben in den letzten Jahren viel erreicht. Vor 25 Jahren war die globale Armut doppelt so hoch, starben pro Tag ungefähr 34 000 Kinder unter fünf Jahre, besuchten viel mehr Kinder – über 100 Millionen – keine Grundschule. Diese Erfolge können uns einerseits zuversichtlich stimmen. Sie nehmen uns andererseits in die Pflicht. Weil wir die bittere Armut besiegen können, würden wir moralisch versagen, wenn wir nicht alles täten, diese Aufgabe entschlossen anzugehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir leisten dazu in Deutschland einen wichtigen Beitrag mit den Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit, den Hilfswerken der Kirchen, zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und den unterschiedlichsten Freiwilligendiensten. Allen danke ich für diesen Dienst, bei dem die Beteiligten nicht selten erhebliche Risiken für die eigene Gesundheit auf sich nehmen. Herzlichen Dank! Sie sind mit ihrer Arbeit wahrlich ein Aushängeschild für unser Gemeinwesen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dieser Einsatz wirkt und sorgt vielfältig dafür, dass Menschen besseren Zugang zu Bildung, zu sauberem Trinkwasser und zu besserer Schulbildung erhalten.
Auf diesem Weg geht der Haushalt auch infolge der parlamentarischen Beratungen deutlich voran. Ich nenne als Beispiel aus dem Bildungsbereich die Mittel für die Globale Bildungspartnerschaft, die mit 19 Millionen Euro zusätzlich mehr als verdoppelt wurden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich nenne den Treuhandfonds „berufliche Bildung“ der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank mit 10 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren. Ich weiß aus Gesprächen mit Präsident Moreno, wie wichtig dieses Zeichen der Sichtbarkeit gerade in Lateinamerika genommen wird. Wir stärken damit die Chancen unseres Modells der dualen beruflichen Ausbildung auch in diesen Ländern – die Chancen, zu profitieren und zu lernen.
Deutlich gestärkt wurde schließlich der Bereich der globalen Gesundheit. Erst vor wenigen Tagen hat der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Dr. Tedros, darauf aufmerksam gemacht, dass wir im Jahr 2017 3,5 Millionen Malariafälle mehr zu verzeichnen hatten als im Jahr zuvor, dass wir im zweiten Jahr in Folge nicht im Plan sind im Hinblick auf das ehrgeizige Ziel, bis 2030 die Malaria zu besiegen. Deswegen ist es so wichtig, dass der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria gestärkt wird, wie das der Haushalt nun vorsieht. Ich will ausdrücklich unserem ehemaligen Bundestags- und Fraktionskollegen Norbert Hauser danken, der als Vorstandsvorsitzender des Globalen Fonds über Jahre entscheidend dazu beigetragen hat, die Effizienz dieses Instruments zu stärken. Ich nenne schließlich die 50 Millionen Euro, die zusätzlich der globalen Gesundheitsfazilität der Weltbank gerade für die Bekämpfung der Kinder- und Müttersterblichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die 6 Millionen Euro zur Bekämpfung von Polio wurden schon erwähnt. Wir haben hier die einmalige Chance – die letzten Meter sind häufig die anstrengendsten; da darf nicht vor der Zeit nachgelassen werden –, eine Geißel der Menschheit wie Polio dauerhaft zu besiegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Aber das setzt gerade in Afghanistan und Pakistan verstärkte gemeinsame Bemühungen voraus.
Weil verschiedentlich das Zusammenwirken von privatem Engagement und staatlicher Hilfe erwähnt wurde, will ich auch Rotary International nennen, eine Organisation, die in den Kampf gegen Polio in den letzten Jahren über 1 Milliarde Euro an privaten Spenden gesteckt hat – ein großartiges Zeichen zwischenmenschlicher Solidarität.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden diesen Weg weiter fortsetzen müssen, ja, wir werden noch mehr Mittel brauchen. Der Internationale Währungsfonds hat darauf hingewiesen, dass wir auch im Bereich öffentlicher Entwicklungshilfe noch mehr tun müssen. Ich hoffe, dass andere unserem Beispiel folgen. Erlauben Sie mir den Hinweis: Deutschland wendet an ODA-Mitteln mehr als 70 Prozent dessen auf, was die USA zur Verfügung stellen – ein Land mit fünffacher Wirtschaftskraft. Angesichts der Tweets, mit denen der amerikanische Botschafter unsere Haushaltsberatungen liebevoll begleitet, würde ich dem neuen amerikanischen Kongress gern zurufen: Make foreign aid great again! – Das wäre ein gutes Zeichen für die stärkste Demokratie der Welt, meine Damen und Herren.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Natürlich geht es um mehr als um Geld. Es geht um Investitionschancen. Glückwunsch zu drei weiteren Reformpartnerschaften, die auf den Weg gebracht worden sind! Es geht um fairen Welthandel. Das Investitionsprogramm für Afrika ist ein solcher Schritt. Gemeinsam etwas zu schaffen, damit es in der Welt gerechter zugeht – es ist moralisch geboten; es ist in unserem Interesse. Deswegen stimmen wir diesem Rekordhaushalt gern zu.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Gröhe. – Als Nächstes für die AfD-Fraktion der Kollege Dietmar Friedhoff.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7293492 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 64 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |