Sascha RaabeSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für das Parlament und für die ärmsten Menschen dieser Erde. Erinnern Sie sich an den 12. September zurück, als wir den eingebrachten Haushalt hier in erster Lesung debattiert haben. Da waren wir zu Recht zornig, aber nicht mutlos, sondern kämpferisch, und haben gesagt: Das, was die Regierung vorgelegt hat, muss noch entscheidend verbessert werden. In den mittlerweile 16 Jahren, die ich diesem Parlament angehöre – ich bin seit 2002 im Entwicklungsausschuss und damit der dienstälteste Entwicklungspolitiker –, gab es noch nie eine so umfangreiche positive Veränderung eines Regierungsentwurfes bis zur zweiten Lesung. Auf diese 700 Millionen Euro, die wir jetzt für die ärmsten Menschen dieser Erde herausgeholt haben, können wir stolz sein, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
2002 – wenn ich das einmal Revue passieren lassen darf – hatten wir, Herr Minister, im Haushalt Ihres Hauses 3,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Die ODA-Quote lag bei 0,27 Prozent.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Da war noch Heidemarie!)
Heute liegt die ODA-Quote doppelt so hoch, bei 0,51 Prozent, und die Mittel wurden verdreifacht. Wir durchbrechen erstmals die 10 Milliarden Euro. Das ist wirklich etwas, auf das wir nicht nur stolz sein können, sondern was auch die Verpflichtung für uns, für das Ministerium, für uns Parlamentarier im Fachausschuss, mit sich bringt, diese Mittel auch gut und effizient einzusetzen.
Es muss uns, glaube ich, klar sein – das möchte ich noch sagen, bevor ich zu den Schwerpunkten komme, die wir uns da vornehmen sollten –, dass es jedes Jahr wieder ein Kampf sein wird, die Mittel, die wir brauchen, auch im folgenden Jahr zu erhalten. Die Finanzplanung, die uns vorliegt, sieht für die Jahre 2020 und 2021 schon wieder deutliche Senkungen vor. Wir haben es aber in diesem Jahr und in den letzten Jahren immer wieder geschafft, das zu verhindern.
(Beifall des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU])
Ich sage aber an dieser Stelle: Das wird kein Selbstläufer sein. Ich weiß, der Minister ist da kämpferisch, und unsere Fraktion, unsere Fraktionsvorsitzende, unsere Haushälterin, unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende und unsere Sprecherin werden sicherlich alles tun, um das gemeinsam zu verhindern. Es ist aber klar: Es wird ein harter Kampf. Sie alle kennen mich hier im Haus: Ich werde ihn im Zweifel auch mit meinem Finanzminister führen
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Außenminister!)
und bin zuversichtlich, dass uns das auch wieder gelingen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es muss uns auch gelingen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil die Herausforderungen ja nicht kleiner werden. Wir haben zwar Erfolge vorzuweisen: Der Anteil der Hungernden und Armen an der Weltbevölkerung ist seit 1990 gesunken; da hat die Weltgemeinschaft ihre Ziele erreicht. Aber in absoluten Zahlen gibt es aufgrund des Bevölkerungswachstums noch unwahrscheinlich viel zu tun. Denken Sie an unseren Nachbarkontinent Afrika. Da haben wir jetzt 1,3 Milliarden Menschen. Deren Zahl wird sich bis zum Jahr 2050 auf 2,6 Milliarden verdoppeln. Bereits heute lebt der größte Teil der etwa 1 Milliarde Menschen, die in extremer Armut und in Hunger leben – die Zahl der Menschen, die hungern müssen, ist auf über 821 Millionen angestiegen –, in Subsahara-Afrika.
Viele von unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Entwicklungsausschuss und auch ich fahren mindestens einmal im Jahr dorthin und schauen uns an, was wir im Rahmen der Entwicklungsarbeit tun können, aber auch, wie die Lebensverhältnisse vor Ort sind. Wenn Sie dort durch die Straßen gehen, dann sehen Sie erst einmal einen anderen Altersaufbau, ganz viele Kinder, junge Menschen, und nicht wie bei uns in Deutschland vor allem ältere Menschen. Die Kinder, die heute 7 oder 8 Jahre alt sind, sind in 10 Jahren 17 oder 18 Jahre. Wenn wir es heute nicht schaffen, die Weichen so zu stellen, dass diese dann eine Arbeit haben, aufgrund derer sie eine menschenwürdige Perspektive in ihren Heimatländern haben, dann ist doch klar, dass sie eventuell sagen werden – das kann ihnen keiner verdenken; wir würden das wahrscheinlich genauso machen –: Dann versuche ich, dahin zu gehen, wo ich mir eine bessere Chance für meine Kinder erhoffe. – Das ist den Menschen gegenüber grausam, weil sie lieber in ihren Heimatländern bleiben würden, aber stellt auch andere Länder vor Probleme. Diese Probleme können wir logischerweise nicht alle hier lösen. Wir müssen deshalb schauen, dass wir vor Ort Perspektiven schaffen. Jeder Euro, für den wir hier im Parlament hart gekämpft haben, ist ein Euro zur Bekämpfung von Fluchtursachen, für menschenwürdiges Leben vor Ort. Darauf sollten wir stolz sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Natürlich sollten wir auch schauen, Herr Minister, dass wir diese Mittel wie bisher zielgerichtet einsetzen und noch mehr den ärmsten Entwicklungsländern zukommen lassen. Wir haben ein Ungleichgewicht in unserem Portfolio – in diesem Punkt werden wir vom Entwicklungsausschuss der OECD immer gerügt –: Wir geben zu viel in die Middle- und Upper-Income-Countries, also in die Länder mit mittlerem und höherem Pro-Kopf-Einkommen. Ich weiß, dass auch dort jedes Projekt berechtigt ist. Aber wenn Sie zum Beispiel in Ländern wie Madagaskar oder Haiti, wo wir gerade waren, gewesen sind, stellen Sie fest: Da ist die Armut so himmelschreiend; da fehlt es wirklich am Nötigsten. Wenn Sie dort in die Armenviertel gehen, wo es keinen Strom, kein Wasser gibt, wo bei Regen der ganze Urin, der ganze Kot unten durch die Hütten rauscht, weil es keine Toiletten, keine sanitäre Versorgung gibt, dann ist das so bitter und erschütternd. Dort kann man mit wenig Geld so viel Gutes tun. Deswegen, glaube ich, müssen wir darauf unseren Fokus legen.
Gleichzeitig müssen wir für faire Handelsbedingungen, für gute Regierungsführung sorgen. Dann bin ich zuversichtlich, dass wir mit dem, was wir heute für den Haushalt 2019 erreichen, das Leben ganz vieler Menschen verbessern können, ihnen eine Zukunft geben können. Lassen Sie uns daran alle gemeinsam mitwirken. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit im nächsten Jahr.
Danke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Raabe. – Als letzter Redner spricht zu uns der Kollege Johannes Selle, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7293495 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 64 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |