22.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 65 / Tagesordnungspunkt I.13

Karl LauterbachSPD - Gesundheit

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an das anknüpfen, was der Kollege Klein gesagt hat. Zunächst einmal ist es – erstens – ganz klar richtig: Wir retten Menschen in Afrika und in anderen Teilen der Welt nicht deshalb, weil sie ihre Krankheiten sonst zu uns bringen würden, sondern wir wollen, dass diese Menschen überleben und dass ihnen die Qualen der Krankheit erspart bleiben. Das ist unsere humanitäre Aufgabe, dafür kämpfen wir, und dafür stellen wir dieses Geld zur Verfügung. Es sind die Menschenrechte, die wir hier verteidigen, nicht die Reisefreiheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens will ich darauf hinweisen – Sie haben es gesagt –: Im 14. Jahrhundert ist jeder Dritte an der Pest gestorben. Das war aber auch gleichzeitig der Beginn des Antisemitismus, der Judenhetze in Europa; denn damals ist die Verbreitung der Pest den Juden in die Schuhe geschoben worden.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Und die AfD war dabei, oder was?)

Das ist genau die Art und Weise, wie Sie Ihre schmutzige Kampagne gegen die Flüchtlinge führen. Das ist der neue Antisemitismus.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD)

– Doch, genau so hat der Antisemitismus angefangen. Die Juden sind beschuldigt worden,

(Frank Pasemann [AfD]: Empörend!)

sie würden die Pest verbreiten. Genau das Gleiche machen Sie heute mit den Flüchtlingen.

(Frank Pasemann [AfD]: Das ist Hetze! Das ist pure Hetze, die Sie da treiben!)

– Sie müssen mir nicht erklären, was pure Hetze ist. Das erleben wir bei Ihnen jeden Tag.

(Beifall bei der SPD – Frank Pasemann [AfD]: Was Sie machen, ist pure Hetze gegen eine demokratisch gewählte Partei! Sie sollten sich schämen!)

– Auch wenn man demokratisch gewählt ist, berechtigt das nicht, hier Lügen und Hetze zu verbreiten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN – Beifall bei der AfD)

In der Haushaltsdebatte müssen wir immer auch Bilanz ziehen.

(Frank Pasemann [AfD]: Das ist der erste vernünftige Satz!)

Was haben wir uns vorgenommen in dieser Großen Koalition? Wir haben uns drei Bereiche vorgenommen. Wir wollten zum Ersten die Finanzierung unseres Gesundheitssystems auf ein solideres Fundament stellen. Zum Zweiten wollten wir einen Neustart bei der Pflege. Zum Dritten – das war uns besonders wichtig – wollten wir einen Abbau der Zweiklassenmedizin. Wenn man auf das Erreichte zurückblickt, dann muss man sagen: Wir haben in den wenigen Monaten, die wir störungsfrei regieren konnten,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD und der FDP)

im Bereich Gesundheit besonders viel erreicht. In kaum einem anderen Bereich haben wir so viel in so kurzer Zeit umsetzen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Zum ersten Punkt. Wir haben die Parität zum 1. Januar 2019 wieder eingeführt. Das heißt, die Finanzierbarkeit des deutschen Gesundheitssystems bleibt gewährleistet. Hätten wir das nicht gemacht, wäre der Arbeitnehmerbeitrag immer weiter gestiegen. Es wäre zu einer schleichenden Privatisierung unseres Gesundheitssystems gekommen. Das haben wir abgewendet. Somit ist das eine der wichtigsten Maßnahmen zur Stabilisierung unseres gesamten Sozialsystems. Dafür möchte ich mich bei allen, die hier mitgearbeitet haben, bedanken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum zweiten Punkt. Wir haben dafür gesorgt, dass es den Neustart in der Pflege wirklich gibt. Um es klarzustellen: Wir haben sichergestellt, dass jede neue Stelle in der Krankenpflege und jede vorhandene Stelle zu 100 Prozent refinanziert wird, und zwar zu Tariflöhnen – zu 100 Prozent! Das heißt, wir haben die Pflege als ersten Bereich im Gesundheitssystem ganz aus der zunehmenden Ökonomisierung unseres Gesundheitssystems herausgenommen. Hier gilt das Kostendeckungsprinzip. Mit der Pflege können keine Verluste mehr gemacht werden. Das wird den Pflegeberuf langfristig viel attraktiver machen, als er derzeit ist, auch für junge Leute. Damit lösen wir das Arbeits- und Nachwuchsproblem in der Pflege in einer Art und Weise, dass der Begriff „echter Neustart“ gerechtfertigt ist. Auch dafür möchte ich mich bedanken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben auch in der Altenpflege viel erreicht. Wir sorgen dafür, dass 13 000 Fachpflegekräfte eingestellt werden. Aber klar ist: Das ist ein Anfang, aber nicht das Ende. Wir werden weitere Fachpflegekräfte ausbilden. Wir haben dafür entsprechende Anreize gesetzt. Wir modernisieren das gesamte Ausbildungssystem in der Pflege. Wir werden durch das Ausbildungssystem erreichen, dass in der Altenpflege und in der Krankenpflege langfristig die gleichen Löhne gezahlt werden. Somit werden beide Bereiche der Pflege deutlich attraktiver werden. Das heißt, wir reden nicht über den Pflegemangel, wir lösen den Pflegemangel. Dafür haben wir die wichtigsten Schritte bereits in den ersten 100 Tagen unserer gemeinsamen Gesundheitspolitik eingeleitet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme zu unserem dritten Versprechen, dem Abbau der Zweiklassenmedizin. Auch hier haben wir etwas erreicht. Wir arbeiten derzeit an einem Gesetzentwurf, der regeln soll, dass man sich 24 Stunden pro Tag an sieben Tagen pro Woche online für einen Facharztbesuch anmelden kann.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Das heißt, wir werden dafür sorgen, dass in Zukunft auch gesetzlich Versicherten zeitnah Facharzttermine zur Verfügung stehen. Sie lachen darüber, aber dafür stellen wir auch zusätzliches Geld zur Verfügung.

(Frank Pasemann [AfD]: Sie nicht, die Steuerzahler!)

Wir wollen nicht, dass die Fachärzte gratis arbeiten. Wir wollen nicht, dass mehr gearbeitet wird, aber kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt wird. Daher wird dieser Bereich nicht über das Budget, sondern zusätzlich zum Budget abgerechnet. Wir werden den Engpass beseitigen, dass man jahrelang in die gesetzliche Krankenkasse einzahlt, aber dann monatelang auf einen Facharzttermin wartet. Das ist ein wichtiger Schritt zum Abbau der Folgen der Zweiklassenmedizin.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben eine weitere Form der Zweiklassenmedizin, die von vielen in diesem Haus zu Recht beklagt wird, und zwar die Zweiklassenmedizin zwischen Stadt und Land. Auch bei diesem Thema werden wir wichtige Schritte unternehmen. Wir werden bei Landärzten und Ärzten in unterversorgten Gebieten die Zulassungsbeschränkungen komplett wegnehmen, wir werden für diese Bereiche Zuschläge vereinbaren – das hat insbesondere der Kollege Nüßlein, der hier sitzt, im Koalitionsvertrag mitverhandelt –, und wir werden die medizinische Versorgung auf dem Land über die Angebote Telemedizin und elektronisches Rezept auf elektronischem Wege machbar machen, sodass Arzt und Patient nicht für jeden Nachsorgetermin weite Strecken zurücklegen müssen. Das ist eine wichtige praktische Maßnahme zum Abbau der Zweiklassenmedizin zwischen Stadt und Land.

Somit gehen wir die drei Probleme – dabei geht es um die Finanzierung, den Neustart in der Pflege und einen wesentlichen Abbau der Zweiklassemedizin – an. Ich möchte mich auch beim Gesundheitsminister herzlich dafür bedanken. Ich muss einmal Folgendes sagen: Er ist mit der Arbeit im Gesundheitsbereich voll ausgelastet. Das, was er hier macht, überzeugt wesentlich mehr als seine Vorschläge zum UN-Migrationspakt.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich gehe daher davon aus und hoffe, dass er uns mit voller Arbeitszeit für diese Funktion erhalten bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU])

Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke, ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7293725
Wahlperiode 19
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Gesundheit
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