Christine Aschenberg-DugnusFDP - Gesundheit
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Jens Spahn, in den letzten Wochen haben Sie sich über die FDP-Fraktion beschwert, wir würden Sie zu wenig für Ihre Gesetze loben.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wäre aber nur angemessen!)
Dazu muss ich Ihnen aber sagen: Als Opposition sind wir nicht dazu da, den Herrn Minister zu loben, meine Damen und Herren;
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Auch!)
unsere Aufgabe als Opposition ist es, den Finger in die Wunde zu legen, aufzuzeigen, wo es hakt.
(Beifall bei der FDP – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Irgendeiner muss den schon mal loben!)
Nur durch konstruktive Oppositionsarbeit, die wir hier leisten, kann das Gesundheitssystem für alle Patientinnen und Patienten, für alle Menschen verbessert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb ist es geradezu unsere Pflicht, aufzuzeigen, wo wir Verbesserungen sehen und wo wir mehr Tempo haben wollen.
Apropos mehr Tempo und Verbesserungen: Ja, das wollen wir ganz besonders im Bereich der Digitalisierung erreichen. Meine Damen und Herren, wenn wir privat oder geschäftlich/beruflich kommunizieren, dann sind E‑Mails oder Messengernachrichten für uns das Mittel der Wahl – ganz normal. Aber ganz anders sieht es im Gesundheitswesen aus. Was wurde mit dem E‑Health-Gesetz von 2016 erreicht? Der elektronische Entlassbrief – na, herzlichen Dank. Uns reicht das nicht aus. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie es derzeit um die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen bestellt ist. Ich möchte fast sagen: Wir befinden uns in Deutschland in der digitalen Steinzeit, während um uns herum in Europa digitale Hochkulturen aufgebaut werden. Das müssen wir ändern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Sehr geehrter Herr Minister Spahn, Digitalisierung, Telemedizin, Big Data, künstliche Intelligenz – das alles sind Themen, die wir endlich umfassend angehen müssen. Da reicht es nicht aus, etwas nur zu wollen. Man muss eine Gesamtstrategie haben, und die fehlt uns bei Ihnen.
(Beifall bei der FDP)
Kleine Trippelschritte verhindern doch geradezu eine Gesamtstrategie, und das ist das, was wir Ihnen vorwerfen.
Sie haben in Ihrem Ministerium und auch im Haushaltsplan Stellen für die Digitalisierung geschaffen. Wir warten jetzt alle mit großer Spannung auf das angekündigte E‑Health-Gesetz II. Also gehen Sie das Problem bitte endlich an!
(Beifall bei der FDP)
Denn Digitalisierung ist ja kein Wert an sich, sondern ist ein Mittel, um die Versorgung der Menschen zu verbessern: durch Vernetzung, insbesondere intersektorale Vernetzung, durch Nachhaltigkeit und vor allem durch Zeitersparnis. Diese ersparte Zeit soll dann den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen; das ist doch das Ziel bei der ganzen Sache.
(Beifall bei der FDP)
Und, meine Damen und Herren, es gibt ja auch unglaubliche Entwicklungen in diesem Bereich. Es gibt Augenuntersuchungen über eine Smartphonekamera. Es gibt intelligente Pillendosen, die die Medikamenteneinnahme überwachen und steuern. Es gibt eine „Sonografie to go“, und Robotik ist aus dem OP-Saal überhaupt nicht mehr wegzudenken. Das alles ist nur ein Bruchteil von dem, was möglich ist. Aber wir müssen es dann auch möglich machen, Herr Minister, und die Gesetze anpassen. Im Moment überholt uns die Zukunft.
(Beifall bei der FDP)
Digitalisierung heißt auch bessere Vernetzung. Ärzte und Patienten haben das längst erkannt. In Schleswig-Holstein gibt es niedergelassene Diabetologen, die mit ihren Patienten über eine App kommunizieren. Alle sind zufrieden; Arzt und Patient sind in ständigem Austausch. Das hilft den Patienten, meine Damen und Herren.
Und: Digitalisierung bedeutet auch Entbürokratisierung – für uns Freie Demokraten ein großes Thema. Es wird weniger Papier beschriftet, und die Beteiligten können schneller agieren.
(Beifall bei der FDP)
Ja, Sie haben schon einiges auf den Weg gebracht; Stichwort: Patientenakte, E‑Rezept. Aber das reicht uns eben nicht aus, Herr Minister. Wir brauchen eine umfassende Strategie. Vor allem hoffen wir, dass Sie im kommenden E‑Health-Gesetz kein Datenchaos produzieren oder weitere Bürokratie schaffen, wie es bei Ihren Gesetzen ja üblich ist. Ich sage als Stichwort nur TSVG.
Ein weiterer Punkt: Die Digitalisierung hilft auch der Forschung und der Wissensgenerierung, Stichwort: Big Data. Aus mehrfach anonymisierten Daten können so neue Erkenntnisse für andere Erkrankte gewonnen werden. Aber ohne Standards und ohne Interoperabilität funktioniert das eben nicht, Herr Minister.
Da wir gerade beim Haushalt sind: Digitalisierung bietet auch finanzielle Chancen. Nach einem Gutachten können bis zu 34 Milliarden Euro jährlich eingespart werden.
Also fangen Sie endlich damit an, die technischen Standards zu definieren, Herr Spahn, und zwar nicht auf Basis des § 291a SGB V, sondern so, dass auch Dynamik entstehen kann, dass die Gesetze nicht immer den Neuerungen hinterherrennen, sondern durch die Gesetze auch Neuerungen ermöglicht werden können. Und fangen Sie endlich damit an, die Interoperabilität herzustellen, damit wir in Deutschland nicht weiter den Neuerungen hinterherhinken.
(Beifall bei der FDP)
Wo ist also Ihre umfassende Digitalisierungsstrategie, Herr Spahn? Darauf warten wir schon lange. Aber wir sind gerne – ich sage das immer wieder – als konstruktive Opposition bereit, Sie dabei zu begleiten und auch wichtige Impulse zu geben. Als applaudierende Claqueure allerdings stehen wir nicht zur Verfügung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Pia Zimmermann, Fraktion Die Linke, ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der LINKEN)
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Electoral Period | 19 |
Session | 65 |
Agenda Item | Gesundheit |