22.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 65 / Tagesordnungspunkt I.14

Fabian JacobiAfD - Justiz und Verbraucherschutz

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jüngst aus der Ferne die Wahl eines neuen Verfassungsrichters in den Vereinigten Staaten von Amerika mitverfolgen können. Die dortige sensationalistische Berichterstattung konnte für deutsche Zuschauer befremdlich wirken. Kultureller Hochmut mag die dortigen Verhältnisse damit abtun: So seien sie halt, die Amerikaner, die auch aus Staatsgeschäften noch ein Hollywoodspektakel machten.

Tatsächlich dürfte etwas Ernsteres eine Rolle spielen, müssen doch Verfassungsgerichte ihrer Natur nach oftmals auf einem schmalen Grat wandern zwischen der Auslegung der Verfassung und einem Hineinlegen neuer Inhalte in die Verfassung. Diese Problematik wird in der politischen Öffentlichkeit Amerikas bewusster gesehen und auch kritischer diskutiert als in Deutschland. Das mag viel eher erklären, warum dort auch eine breitere Öffentlichkeit der Ernennung neuer Verfassungsrichter mit großer Aufmerksamkeit folgt. In Deutschland ist das bislang nicht im gleichen Ausmaß der Fall; das mag sich in Zukunft ändern.

(Beifall bei der AfD)

Ein Beispiel: Die Mehrheit dieses Hauses spekuliert recht deutlich darauf, dass das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung aufgeben wird, wonach der Ehebegriff des Grundgesetzes die Verbindung eines Mannes mit einer Frau meint, und ganz ohne Änderung der Verfassung dieser einfach einen neuen Inhalt beilegen wird.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie alles wissen!)

Ob ein Verfassungsgericht der Versuchung nachgibt, statt bewahrend und erklärend auch rechtsschöpferisch tätig zu werden, das hängt nicht zuletzt von den konkreten Personen ab, die das Gericht bilden.

Wie werden in Deutschland diese Personen bestimmt? Die Theorie steht in Artikel 94 Grundgesetz: Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat – mit Zweidrittelmehrheit – gewählt.

Wie die Praxis aussieht, war in diesem Jahr zu erleben. Bereits in der ersten Jahreshälfte war ein Richter durch den Bundesrat neu zu bestimmen. Dort erhob zunächst die Partei Die Grünen den Anspruch, diesen Richterstuhl zu besetzen oder, vornehmer ausgedrückt, den Personalvorschlag zu machen, der dann zu wählen sei. Und warum? Es hatten CDU, SPD und Grüne eine Verabredung getroffen, nach der die Grünen nun halt an der Reihe gewesen wären. Daraus wurde nichts, weil – so war der Presse zu entnehmen – die CDU die Verteilung der Richterstellen auf die Parteien neu verhandeln wollte. Das war auch naheliegend; denn hier im Bundestag erreichen CDU/CSU, SPD und Grüne gemeinsam keine Zweidrittelmehrheit mehr. Da muss man schon den Herrn Lindner ins Boot holen.

(Beifall bei der AfD)

Es sollten also die Senate des Gerichts neu aufgeteilt werden: drei Richterstellen für die CDU/CSU, drei für die SPD und je eine für die Grünen und die FDP. Konkret würden danach beide in diesem Jahr neu zu bestimmenden Richter von der CDU benannt;

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das alles mit dem Haushalt zu tun?)

die Grünen kommen dann halt später dran.

Offenbar ist diese neue Verabredung auch zustande gekommen; denn kurze Zeit später konnte man lesen – Zitat –:

Wenn Angela Merkel aus ihrem Urlaub … zurückkehrt, wartet auf die Kanzlerin … eine Entscheidung von enormer Bedeutung … Wer wird der nächste Präsident des Bundesverfassungsgerichts?

Ja, das entscheidet dann die Kanzlerin.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Jetzt mal was zum Haushalt!)

Am Ende hieß es dann, es hätten sich die Fraktionsführungen von Union, SPD, Grünen und FDP geeinigt. Von dem laut Grundgesetz für die Wahl zuständigen Bundestag war bei alledem eher weniger die Rede.

(Sarah Ryglewski [SPD]: Darüber stimmen wir doch ab!)

Um seine Aufgabe erfüllen zu können, benötigt ein Verfassungsgericht, mehr noch als andere Verfassungsorgane, das Vertrauen des Volkes.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Sie wissen schon, was wir nachher machen, ja?)

Umfragen bestätigen seit vielen Jahren regelmäßig, dass das deutsche Verfassungsgericht dieses Vertrauen bisher genießt. Diesen für die Stabilität der Republik förderlichen Zustand zu erhalten, sollte das Bestreben dieses ganzen Hauses sein.

(Beifall bei der AfD – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Sie sollen zum Haushalt reden!)

– Halten Sie mal die Klappe! – Abträglich wäre dagegen der Eindruck, es gebe ein Kartell von Parteien, die das Verfassungsgericht als unter sich aufzuteilenden Erbhof betrachten.

(Beifall bei der AfD)

Bedauerlicherweise ist nach dem öffentlich gewordenen Verfahren genau das der Fall.

Die an diesem Kartell beteiligten Parteien werden heute wohl das tun, wozu sie sich verabredet haben.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Über den Haushalt reden!)

Für die Zukunft droht durch dieses Verhalten allerdings durchaus eine Beschädigung des Gerichts. Die anderen Fraktionen des Hauses sollten sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden.

Die Fraktion der AfD steht für eine konstruktive Diskussion bereit,

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das war aber keine konstruktive Rede!)

wobei die Zielrichtung allerdings nicht bloß eine Ausdehnung des bisher praktizierten Kartells auf weitere Parteien sein sollte,

(Lachen der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sondern eine grundlegende Entpolitisierung der Justiz.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Herr Kollege Jacobi, die Formulierung „Halten Sie die Klappe“ ist nicht üblich in diesem Hause. Ich bitte, sie auch nicht weiter zu verwenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Fabian Jacobi [AfD]: Ich bitte um Entschuldigung und die Kollegen, nicht immer so sehr zu unterbrechen!)

Die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7293762
Wahlperiode 19
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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