22.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 65 / Tagesordnungspunkt I.15

Reinhard HoubenFDP - Wirtschaft und Energie

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Herr Präsident! Herr Minister Altmaier, ich kann Sie nicht verstehen. Ich kann Sie wirklich nicht verstehen.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Können Sie nicht?)

Von der Kanzlerin haben wir vor einigen Jahren gehört: 1 Million Elektroautos. – Eine Hürde, unter der wir aufrecht herlaufen werden! Dann wurde im Mai verkündet: 1,5 Millionen Wohnungen, davon 100 000 Sozialwohnungen, bis 2021. – Jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen den Betroffenen in den Braunkohleregionen, es würden am Ende des Verfahrens mehr Arbeitsplätze in diesen Regionen vorhanden sein als im Moment. Das ist doch wirklich unfassbar.

(Beifall bei der FDP und der AfD)

Sie führen die Leute hinter die Fichte, und Sie nehmen die Probleme offensichtlich nicht ernst.

Wirklich, Herr Minister, ich kann es nicht verstehen. Sie wissen genau, dass es nicht nur die Arbeitsplätze in den Kraftwerken sind. Das ist das kleinste Problem; gut ausgebildete Leute bringt man unter. Wir haben zumindest da, wo abgebaut wird, eine ganze Menge Leute, wo es schon schwierig wird, und da ist die Zahl auch viel größer. Und, Herr Minister, Sie müssen natürlich auch im Auge haben, dass wir bestimmte Industrien in der Nähe der Braunkohleförderung haben, wie zum Beispiel Aluwerke in Grevenbroich, die Sie nicht einfach irgendwohin versetzen können, wo wir im Moment überhaupt noch nicht die Infrastruktur haben, um irgendeinen alternativen Strom zu erzeugen.

(Beifall bei der FDP)

Dann sich hierhinzustellen und zu sagen: „Fürchtet euch nicht; es wird alles wieder gut“, das ist wirklich keine seriöse Politik, Herr Altmaier.

Sie schließen da auch an eine Linie an, die Sie im letzten Jahr verfolgt haben: Charta der sozialen Marktwirtschaft – angekündigt, nichts passiert. Serviceministerium für die Wirtschaft – kann ich nicht erkennen. Frage nach dem dritten Staatssekretär bei Ihnen im Hause – inzwischen eher ein Running Gag. Nachfolgerin für die digitale Botschafterin – nicht gefunden. Investitionsfonds zum Schutz von Unternehmen vor ausländischen Übernahmen – glücklicherweise nur eine Seifenblase. Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes – noch immer nicht durchs Kabinett gebracht. Im Oktober wurde ein Entlastungspaket angekündigt – der Kollege Klein hat darauf hingewiesen –; ebenso ist es bei der Unternehmensteuer. Wir haben keinen Diskussionsbedarf in Ihrem Bereich, Herr Minister; wir haben Handlungsbedarf.

(Beifall bei der FDP)

Nach unserer Meinung sollten Sie die wirtschaftliche Entwicklung fördern und im Kabinett verhindern, dass zu große Belastungen auf die Wirtschaft zukommen, und Sie sollten für die deutschen Interessen gerade der Wirtschaft im Ausland eintreten. Dort sehen wir einen großen Mangel. Wo war Ihr Einsatz für die Interessen deutscher Unternehmen im Handelsstreit mit den USA? Ein Antrittsbesuch in Washington allein genügt aus unserer Sicht dafür nicht.

(Beifall bei der FDP)

Und wenn dann mal etwas angeschoben wird, meine Damen und Herren, dann mit vielen handwerklichen Schnitzern. Wie das Akkreditierungsstellengesetz und das Energiesammelgesetz im Schweinsgalopp durch den Bundestag gejagt werden, ist nicht besonders gut.

Wie sagte die Kanzlerin gestern? Deutschland müsse überall wieder Weltklasse werden. – Das gilt auch für die Regierungsbank.

(Beifall bei der FDP)

Auf die einzelnen Positionen im Haushaltsplan möchte ich jetzt nicht eingehen, weil mir die Zeit davonläuft. Aber wir müssen doch Folgendes fragen – das war der Beitrag, wo ich Ihnen noch am ehesten folgen kann –: Wie verläuft die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Monaten und Jahren? Die Prognosen zeigen nach unten. Es gibt am Arbeitsmarkt natürlich auch schon einige ungemütliche Anzeichen. 2 300 Stellen bei der ArianeGroup, 2 900 Stellen bei Siemens, 900 Stellen bei Enercon fallen weg. Ich bin gespannt, wie gut die deutsche Automobilindustrie die Delle der Elektromobilität durchhalten wird.

Sie haben – sprachlich auch wieder interessant –, obwohl Sie wissen, dass die DAX-Kurse fallen und die Wirtschaftsweisen und Forschungsinstitute sagen, es geht in eine schwierige Zeit, die Aussage umschifft, dass wir einen gewissen Schrumpfungsprozess haben, und es „Minuswachstum“ genannt.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist doch immer noch ein Wachstum, Herr Kollege!)

Schöne Formulierung; aber ich glaube, wir sollten mit solchen Spielereien nicht arbeiten.

Also: Ruhen Sie sich nicht aus, Herr Minister! Wir haben genug Aufgaben vor der Brust: Brexit, Industrie 4.0, Wagniskapital, Bürokratieabbau. Und ich erwarte eigentlich auch eine stärkere Rückendeckung für die deutsche Automobilindustrie, die ja anscheinend ins Weiße Haus mehr einbestellt als eingeladen worden ist. Ich hoffe, Sie sind da an der Seite der deutschen Automobilindustrie. Sie hatten bisher 253 Tage im Amt, Herr Altmaier; –

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

– viel Zeit mit 1 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Nutzen Sie das Potenzial Ihres Hauses. Fangen Sie an!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Houben. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Thomas Lutze, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7293982
Wahlperiode 19
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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