22.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 65 / Tagesordnungspunkt I.16

Marcus WeinbergCDU/CSU - Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind immer so schön, weil man erlebt, wo die Positionen, die Ziele sind, weil man erfährt, wofür jemand steht, wie er zu seiner Erkenntnis kommt,

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Erkenntnis kam da aber nicht vor!)

hier vielleicht, indem man viele Gespräche mit Erzieherinnen und Erziehern führt und diese dann in konkretes Handeln umwandelt.

Herr Reichardt, Sie haben gerade Nietzsche zitiert, das will ich dann auch tun:

Überzeugungen sind oft die gefährlichsten Feinde der Wahrheit.

Sie haben nur Überzeugungen und keine Nähe mehr zur Wahrheit;

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

deswegen sollten Sie viel Nietzsche lesen, das bringt uns weiter, möglicherweise auch in diesen Debatten.

Wir als Union sagen ganz deutlich: Das ist ein guter Haushaltsentwurf, der noch besser wurde – dafür möchte ich Dank sagen – durch die vielen Aktiven im Haushaltsausschuss, die diesen Etatentwurf von 10,3 Milliarden Euro auf 10,45 Milliarden Euro hochschrauben konnten. Nun ist Geld nicht alles; aber Geld ist vieles. Das ist der 15. Haushaltsentwurf, über den ich – tatsächlich; das ist erkennbar am Alter – debattieren und abstimmen darf,

(Hartmut Ebbing [FDP]: Immer noch nicht besser!)

und es ist das 15. Mal, dass es wieder eine Erhöhung des Familienetats gibt. Wir haben 2005 mit 4,5 Milliarden Euro angefangen; wir sind jetzt bei 10,45 Milliarden Euro. Ich kann sagen: Seitdem die Union regiert – mit verschiedenen Partnern – steht Familienpolitik tatsächlich wieder ganz oben auf der Agenda. Das ist gut für die Familien.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In unserer Familienpolitik lassen wir uns schon auch von Grundsätzen und auch von Überzeugungen leiten. Überzeugungen kann man gegebenenfalls verschieben und verändern, weil man sie an die Bedarfe und Wünsche der Familien, der Kinder, der Betroffenen anpassen will. Aber wir haben auch unsere Grundsätze. Wofür stehen wir? Wir stehen für Wahlfreiheit der Eltern. Wir wollen ferner auch mit diesem Haushalt diejenigen stärken, die Verantwortung übernehmen und sich gesellschaftlich engagieren, wir wollen Bindungen zwischen Personen stärken und das als Staat auch unterstützen, und wir wollen tatsächlich eines machen: Familien endlich Wertschätzung entgegenbringen.

Nun komme ich zu einzelnen Bereichen.

Der erste Punkt ist, dass wir Familien finanziell entlasten. Ja, wir haben auch die Verantwortung, für die Menschen in der Mitte – wie man wahlsoziologisch bzw. soziologisch so schön sagt – etwas zu tun. Das Familienentlastungsgesetz mit einem Paket von 10 Milliarden Euro trägt dazu bei. Wir haben hier schon über die Kindergelderhöhung debattiert. Wir werden es bis 2021 schaffen, das Kindergeld um 25 Euro zu erhöhen. Eine kleine Bemerkung an die Adresse der Linken: Das muss man auch finanzieren. Das, was wir ausgeben, müssen Menschen und Unternehmen in diesem Land erwirtschaften.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Vermögensteuer!)

Die Erhöhung des Kindergeldes um 1 Euro kostet rund 800 Millionen Euro; da sollte man sehr sorgsam sein. Wir haben uns entschieden, diese Erhöhung zu unterstützen, weil das für eine Familie mit zwei Kindern bedeutet, am Ende 600 Euro mehr zu haben. Das ist dann auch ein Beitrag zur Armutsbekämpfung; denn diejenigen, die Kindergeld bekommen, sind nicht diejenigen, die zum Beispiel Freibeträge in Anspruch nehmen können. Ich glaube, es ist eine gute und wichtige Maßnahme, auch denjenigen etwas zu geben, die hart arbeiten, aber auch sehen müssen, wie sie mit ihren Finanzen zurechtkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Familienentlastungsgesetz und die Erhöhung des Kindergeldes stärken die Mitte.

Der zweite Punkt: Kinderarmut. Richtig ist: Kinderschutz und Kinderarmut ist ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag und für uns besonders wichtig; denn es ist die Aufgabe staatlichen Handelns, Kinder zu schützen, aber auch Kinderarmut zu bekämpfen. Das Familienstärkungsgesetz, das jetzt kommen wird, trägt dazu bei. Der Kinderzuschlag wurde angesprochen: über 1 Milliarde Euro mehr. Übrigens: Das Armutsrisiko sinkt dadurch um 16,5 Prozent. Die Erhöhung des Kinderzuschlags auf 183 Euro, die Vereinfachung der Beantragung, insbesondere die Abschaffung der Abbruchkante, die ein Verhinderungsmechanismus ist, wenn Menschen arbeiten wollen – auch das alles ist richtig. Mit diesem Stärkungsgesetz wird die Unterstützung im Bereich Bildung und Teilhabe – es wurde angesprochen – erhöht; es sind jetzt 150 Euro statt bisher 100 Euro. Das umfasst Mittagessen, Schülerbeförderung, Lernförderung, auch für diejenigen, die nicht unmittelbar versetzungsgefährdet sind. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Das setzen wir jetzt um.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nun komme ich noch zu einem Thema, das für uns in der Familienpolitik zentral ist, nämlich zur Situation in der Kindertagesbetreuung. Erstens noch einmal danke für die 16 Millionen Euro für „KitaPlus“. Zunächst wurde es überraschenderweise im Regierungsentwurf einfach gestrichen; das wurde jetzt korrigiert. Diejenigen, die „KitaPlus“ in Anspruch nehmen wollen, können dieses Angebot auch weiterhin nutzen.

(Beifall des Abg. Maik Beermann [CDU/CSU])

Eine alleinerziehende Ärztin oder Krankenschwester, die morgens um 6.30 Uhr zum Dienst müssen, sind darauf angewiesen, dass sie zu dieser Zeit auch eine Kindertagesbetreuung bekommen; deswegen war es richtig und gut, dass dieses Programm bestehen bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt komme ich zum Gute-Kita-Gesetz. Es ist jetzt tatsächlich so, dass wir uns auf Qualität konzentrieren wollen. Nach dem Ausbau der Kindertagesbetreuung in den letzten Jahren muss jetzt die Qualität im Vordergrund stehen. Da wir viel mit Erzieherinnen sprechen und uns die Situation in Kindertagesbetreuungseinrichtungen anschauen, kann ich fünf Punkte feststellen.

Erstens. Eltern setzen tatsächlich auf Qualität. Das ist übrigens überraschend; man könnte ja auch sagen: Eine Streichung der Beiträge wäre für Eltern ja durchaus als finanzielle Entlastung interessant.

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Wären Sie Elternteil, dann wären Sie nicht überrascht!)

– Nein, Eltern wollen, dass ihre Kinder gut betreut werden.

Zweiter Punkt. Das sagen auch die Experten.

Drittens. Es gibt eine leichte Verbesserung in der Qualität. Das ist messbar am Betreuungsschlüssel in nahezu allen Bundesländern.

Aber – viertens – wir stehen vor einem Fachkräftemangel, und den müssen wir angehen.

Letzter Punkt. Das ist eine nationale Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen.

Deswegen haben wir uns verständigt, dass wir dieses Gute-Kita-Gesetz auf den Weg bringen wollen. Und ich zitiere nicht ohne Grund die damalige Bundesfamilienministerin Schwesig, die gesagt hat:

Wir brauchen gut ausgestattete Kitas und Kindertagespflege, damit Kinder bessere Chancen und Fachkräfte bessere Arbeitsbedingungen bekommen.

Jetzt wollte ich hier eigentlich eine Zäsur machen und sagen: Wir werden dann gemeinsam verhandeln, damit wir ein gutes Kita-Gesetz hinbekommen. Das mache ich jetzt aber nicht; denn ich saß in Ruhe vor dem Fernseher und musste mir bei „Anne Will“ anhören, wie die jetzige Ministerpräsidentin Schwesig uns vorwarf, dass wir beim Gute-Kita-Gesetz blockieren würden, weil wir nicht die Bundesgelder komplett für die Beitragsfreiheit freigeben wollten.

Und da muss ich mir – es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD – mal anschauen, wie die Situation in Mecklenburg-Vorpommern konkret ist:

Erstens. Der Betreuungsschlüssel liegt dort bei 1 : 6 im Krippenbereich und bei 1 : 13,4 im Elementarbereich. Das ist – mit Verlaub – der letzte Platz aller Länder.

Zweitens. Kommt jetzt der große Qualitätsimpuls von Frau Schwesig, die das damals als Ministerin ja gefordert hat? Nein. Die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern hat verkündet, dass die Beiträge im Jahr 2020 gestrichen werden: 120 Millionen Euro. Mecklenburg-Vorpommern hat aktuell einen Überschuss von 676 Millionen Euro, und man streicht jetzt die Beiträge im Umfang von 120 Millionen Euro.

Ich mache mal eine Rechnung auf: 120 Millionen Euro Beiträge plus 44 Millionen Euro, die demnächst vom Bund über das Gute-Kita-Gesetz kommen – das ist dann schon die Hälfte der Summe, die man bräuchte, um den Betreuungsschlüssel zumindest halbwegs an das anzunähern, was uns die Experten von Bertelsmann empfehlen, nämlich 1 : 3 bzw. 1 : 7,5. Das ist die tatsächliche Situation in einem Bundesland.

Wenn ich aber dann den Vorwurf höre, die Union würde infrage stellen, dass das Bundesgeld komplett für die Gebührenfreiheit verwendet werden kann, dann sage ich – ich habe damit ein Problem; wir werden das ja besprechen –: Es kann doch nicht sein, dass wir jahrelang über Qualität reden, dass wir jahrelang – auch hier und heute wieder – darüber reden, dass wir mehr Erzieherinnen brauchen, dass diese besser bezahlt werden müssen, dass wir den Personalschlüssel verändern müssen, und dann erleben, dass jemand, wenn er in Verantwortung ist, sagt: Wir beschließen Beitragsfreiheit und machen weniger für Qualität.

Ich sage Ihnen: Damit bin ich nicht einverstanden. Wir werden intensiv darüber diskutieren, wie wir damit zurechtkommen, liebe SPD.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Denn ich habe gerade bei meinen wesentlichen Punkten etwas formuliert – da bin ich ja bei Ihnen –: Ich will nicht, dass Eltern mit einem geringen Einkommen, die Transferleistungen bekommen, die zum Beispiel Wohngeld bekommen, Beiträge für die Kita zahlen müssen. Das ist doch selbstverständlich. Das Thema Beiträge ist wichtig. Ich könnte es aber besser formulieren, nämlich: Zusätzlich zur Frage der Qualität müssen wir uns um die Frage der Beiträge kümmern.

Aber, liebe Kollegen der SPD, wenn ich in die Kneipe gehe und ein Bier bestelle und zusätzlich einen Korn haben will, dann wird mir das Bier nicht weggenommen, sondern man stellt zusätzlich einen Korn auf den Tisch. Deswegen müssen wir uns darüber verständigen, wie wir einen Weg zur Lösung finden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christoph Meyer [FDP])

Wir sind gerne bereit, diesen Weg zu gehen.

Jetzt komme ich zum letzten Punkt – die Zeit reicht nicht –: Das Thema Fachkräfte ist ein elementares Problem in diesem Land. Wir wissen teilweise gar nicht, was auf uns zukommt. Schon bis zum Jahr 2025 fehlen möglicherweise mehr als 300 000 Erzieherinnen und Erzieher.

Sie, Frau Ministerin, haben ganz richtig gesagt – da bin ich bei Ihnen –: Die Mittel für die Fachkräfteoffensive von 30 auf 40 Millionen Euro zu erhöhen, war klug und weise. – Aber das wird nicht ausreichen. Wir müssen uns intensiv Gedanken machen, wie wir mit einer konzertierten Aktion von Bund, Ländern und Kommunen dieses Thema gemeinsam angehen.

Noch einmal: Eine Fachkräfteoffensive wird wichtig sein, damit wir bereits heute signalisieren, dass dieser Fachkräftemangel nicht dazu führen darf, dass – und das ist bereits so passiert – Kindertagesstätten schließen müssen, weil sie nicht genug Erzieherinnen und Erzieher finden. Deswegen wird das ein zentrales Thema sein.

Gern hätte ich viel zur Frage „Schutz von Frauen“ und „Schutz von Kindern“ gesagt. Dazu gibt es viele gute Programme, die von den Haushältern jetzt im Etat umgesetzt worden sind. Manche davon sind kleine Programme. Da geht es zum Beispiel um 600 000 Euro für eine mobile Beratung für Kinder, die sexuellen Missbrauch erfahren haben. Der Schutz von Kindern wird auch in Zukunft weiter auf der Agenda stehen.

Ich glaube, dieser Haushalt ist gut; jetzt ist er sehr gut. Ich freue mich, dass wir zustimmen können. Ich danke noch einmal den Haushältern für ihre gute, kameradschaftliche Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Aggelidis für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7294016
Wahlperiode 19
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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